Auch das gibt es noch: Graswurzelbewegungen in einem verödeten Land

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

Arg gebeutelt: die Griechen

137. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Stellen Sie sich vor, Sie bringen einen schwer verletzten Angehörigen in die Notaufnahme und der Arzt schickt sie sogleich zur Apotheke, um Verbandsmaterial zu besorgen – auf eigene Kosten! Solch absurde Zustände sind im Griechenland von heute nach dem Genuss mehrere „Rettungspakete“ Realität. In dieser Folge seiner Artikelreihe wendet sich Holdger Platta nochmals dem danieder liegenden Gesundheitswesen zu. Nicht über genügend Geld zu verfügen, um teure Privatkliniken, Operationen und Materialien zu bezahlen, kann dort lebensgefährlich sein. zum Glück gibt es mancherorts „Solidarische Kliniken“ – und solidarische HdS-LeserInnen.
(Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

lasst mich auch diesen Bericht mit einer guten Nachricht beginnen, mit einer guten Doppelnachricht sogar: Katerina K., „unsere“ Patientin aus Piräus, die sich vor einigen Wochen einer zweiten Organtransplantation in London unterziehen musste, geht es nach wie vor sehr gut, so unser Griechenlandfahrer Karl-Heinz Apel in einer Mail an mich! Und auch der Vater von Katerina, Giorgo K., ihr Nierenspender, hat sich inzwischen bestens erholt! Wir dürfen also hoffen, dass es zu keinen schlechten Nachwirkungen mehr kommt, bei Katerina nicht und nicht bei ihrem Vater, und daß beide sehr bald ihr früheres, ihr „normales“, Leben in Piräus wiederaufnehmen können. Übrigens haben wir der betroffenen Familie noch einmal weitere 500,- Euro zur Verfügung gestellt – deshalb nämlich, weil Katerinas Vater für den Zeitraum seiner Organspende Verdienstausfälle in Griechenland hinzunehmen hatte. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt’s in Griechenland nicht, zumindest nicht, wenn es um eine Organspende geht. Unsere guten Wünsche begleiten Katerina und Vater Giorgo auch weiterhin!

Mittelerfreulich sah es während der letzten Woche beim Spendeneingang aus: 165,68 Euro gingen auf unserem Hilfskonto ein, überwiesen von 5 UnterstützerInnen an uns. In der Vorwoche hatten wir 760,- Euro an Hilfsgelderzugang auf unserem Konto verzeichnen dürfen, gespendet an uns von 15 HelferInnen. Nun, erinnert sei daran, dass in diesen vorangegangenen Zeitraum der Monatswechsel fiel, vom September auf den Oktober, und deswegen zahlreiche Dauerspender ihre Hilfsgelder an uns überwiesen hatten. So oder so: erneut danke ich allen Helferinnen und Helfern, im Namen des gesamten Organisationsteams, sehr!

Gutes ist übrigens auch zu vermelden von der bundesdeutschen Aktion „Stoppt die Wasserprivatisierungen in Griechenland!“, an der auch wir beteiligt waren. Insgesamt sind 220.000 Unterschriften eingegangen, und sie wurden bereits in der letzten Woche, am 5. Oktober, von den Akteuren nach Griechenland geschickt. CDs mit allen Unterschriften erhielten zudem der bundesdeutsche Finanzminister Olaf Scholz sowie EU-Kommissionspräsident Juncker.

Vor allem war es bei dieser Unterschriftenaktion um den Stopp weiterer Wasserprivatisierungen in Thessaloniki und Athen gegangen, und einer der griechischen OrganisatorInnen vor Ort, der Chef der Gewerkschaft EYATH in Thessaloniki Giorgos Archontopoulos, teilte uns Deutschen in diesem Zusammenhang mit, daß die betreffende Gewerkschaft der Wasserbetriebe bis Ende dieses Monats Oktober eine Gerichtsentscheidung erwarte über ihre Klage gegen dieses Privatisierungsprojekt der griechischen Regierung. Wegen der Wahlen im nächsten Jahr hat Archontopoulos unsere Beteiligung an dieser Widerstandsaktion als nützlich bezeichnet, gerade auch im parteipolitischen Bereich, und bereits Mitte September, am 12.09. des Jahres, hat er uns bundesdeutschen OrganisatorInnen für diese Unterschriftenaktion sehr herzlich gedankt. Schön wäre es ja, wenn dieses kleine Zeichen der Solidarität nicht ohne Wirkung bliebe!

Da ich zum Anfang meines heutigen Berichtes die Situation im griechischen Gesundheitswesen angesprochen habe – zumindest indirekt -, lasst mich dazu noch einige weitere Informationen weiterleiten an Euch:

Völlig unstreitig ist, dass die Politik der Euro-Staaten gegenüber Griechenland das öffentliche Gesundheitswesen in Hellas ganz besonders verheerend getroffen hat. So sind die öffentlichen Ausgaben für den Gesundheitssektor von 16,2 Milliarden Euro im Jahre 2009 auf 8,6 Milliarden Euro im Jahre 2016 zurückgegangen. Viele Krankenhäuser und städtische Gesundheitszentren haben ihre Pforten schließen müssen. Sage und schreibe 30.000 Stellen im griechischen Gesundheitswesen wurden „abgebaut“, davon betroffen fast 10.000 Ärztinnen und Ärzte. Folge davon: junge Mediziner haben zu Tausenden Griechenland den Rücken gekehrt und arbeiten nunmehr in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern, rund 6.000 Ärzte-Dienststellen in Griechenland sind derzeit unbesetzt, und wegen fehlender Pflegekräfte haben oft Angehörige die Betreuung der PatientInnen in den Kliniken übernommen, bringen den Erkrankten von außen her Bettwäsche mit, Verbandszeug und Klopapier.

Mitunter spielen sich in griechischen Krankenhäusern nachgerade bizarre Szenen ab, zum Beispiel dann, wenn Angehörige von Unfallverletzten aufgefordert werden, schleunigst auch Verbandsmaterial, Spritzen, Fäden und Medikamente mitzubringen, auf eigene Faust und bezahlt aus eigener Tasche. Viele Hilfsgeräte in den Kliniken wurden während der Krise verkauft, um laufende Kosten zu decken, 70 Prozent der verbliebenen Geräte sollen, so die Angaben von Gewerkschaftsvertretern, veraltet sein. Für Operationen gibt es monatelange Wartefristen. Moderne Krebsbehandlung ist in den meisten öffentlichen Krankenhäusern nicht mehr möglich, die PatientInnen müssen ausweichen auf private Kliniken, so sie finanziell dazu in der Lage sind. Schon vor längerer Zeit wurde das vom politischen Magazin des ZDF, von „frontal21“, mit dem Satz kommentiert: „Wer nicht genug verdient, um sich in einer Privatklinik behandeln zu lassen, für den ist Kranksein ein existentielles Risiko“ (Quelle: https://www.zdf.de/politik/frontal21/griechenland-krank-gespart-100.html„>https://www.zdf.de/politik/frontal21/griechenland-krank-gespart-100.html). Doch damit nicht genug:

Die HIV-Infektionen haben sich während der letzten Jahre verdreißigfacht, die Kindersterblichkeit ist (bis 2017) um 40 Prozent gestiegen. Der Eigenanteil bei Medikamenten wurde für die Versicherten auf bis zu 25 Prozent erhöht, mit der Folge, dass sich viele Erkrankte diese Medikamente nicht mehr leisten können. Und generell gilt: über 35 Prozent der gesamten Gesundheitsaufwendungen in Griechenland werden heute von den PatientInnen aus eigener Tasche bezahlt, das stellt den höchsten Wert im gesamten Europa dar. Die einzige „Erfolgsmeldung“ aus diesem Bereich:

Inzwischen sind zahlreiche „Soziale Kliniken“ und „Soziale Apotheken“ in Griechenland entstanden (auch wir unterstützen solche Einrichtungen in Korydallos und in Neapolis), Kliniken und Apotheken, in denen Menschen, die sonst keine Hilfe mehr fänden, kostenlos medizinisch versorgt werden können. Und im Juni 2016 konnten die 50 „Solidarischen Kliniken“ sogar einen politischen Erfolg für sich verbuchen: der Gesundheitsminister der SYRIZA nahm über 3 Millionen Nichtversicherte wieder in die Krankenkassen auf. Trotzdem kam es in diesem Jahr 2018, auf Verlangen von EU und IWF, erneut zu weitreichenden Kürzungen im Gesundheitsetat. Wenn es um Vernichtung von Menschlichkeit geht, machen die westlichen Länder in Griechenland sehr gerne ganz kurzen Prozess!

Und wir hier im Westen wissen nichts davon, dank der famosen Medien bei uns – oder schauen untätig zu, an der Spitze bestinformierte Politiker wie vormals Schäuble, angeblich Christdemokrat, und nunmehr Scholz, angeblich Sozialdemokrat. Wie gesagt: die „Solidarischen Kliniken“, eine Art Graswurzelbewegung in Griechenland (neben anderen), halten dagegen und betrachten die Menschen, die zu ihnen kommen, niemals nur als Patienten, sondern versuchen stets auch, den Menschen insgesamt in seiner Situation zu sehen, weshalb sie dann auch helfen bei Notlagen oft ganz unmedizinischer Art, etwa bei Problemen, was die Versorgung mit Essen, Heizung und Strom betrifft, oder sogar bei drohendem Wohnungsverlust.

Um es mit https://oxiblog.de/die-solidarischen-kliniken/„>https://oxiblog.de/die-solidarischen-kliniken/ zu sagen: „Mit ihren offenen Strukturen erreicht diese Graswurzelbewegung inzwischen mindestens ein Drittel der griechischen Bevölkerung. Diese zahllosen Institutionen haben einen Raum für soziale Beziehungen erschaffen, der für alle zugänglich ist. Einen Raum, in dem auch politischer Widerstand wächst…“.

Es versteht sich von selbst, dass wir von HdS, dass wir von der „GriechInnenhilfe“, auf der Seite dieser humanen Graswurzelbewegungen in einem derart verödeten Griechenland stehen!

Und damit, wie immer an dieser Stelle, meine abschließende Bitte an Euch um weitere Unterstützung unserer Spendenaktion.

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 200,- Euro erforderlich -, wende sich bitte an unseren neuen Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V.“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „IHW“ versehen. Wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets

Euer Holdger Platta

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