Auf Seiten der Menschlichkeit: Timo Brandt
Poesie und Widerstand: Die Lyrik-Reihe auf „Hinter den Schlagzeilen“
Thermopylen
Ehre denen, die, beständig,
sich necken und sich schöne Augen machen,
die lauthals über alte Witze lachen,
es sich partout nicht nehmen lassen
glücklich zu sein und andre zu verstehn.
Nicht die Wege gehen, die man ihnen zugedacht,
und auf eigene Wege nicht stolzer sind,
als auf die Freude, die es anderen macht
ihre eigenen Wege zu gehen.
Ehre denen, die trotz des Absehbaren
für das Mögliche kämpfen und es vorbereiten;
die erkennen, dass es eine Karte ist,
die wir mit allen Entscheidungen zeichnen.
Ehre denen, die Liebe und Hoffnung verbreiten,
auch wenn es ihnen oftmals Spott beschert.
Die jene Unsicherheit nie erreichen
in der nur noch „falsch“ und „richtig“ existiert.
Suche deine Ehre nicht in Siegen.
Denn als ein Mensch unter Menschen wirst du bereits wissen
wie wenig Siege letztendlich bedeuten
und wie viel dir die Menschen bedeuten müssen.
Hypatia
Mit der Bitte innezuhalten, wie es
nicht einmal die Planeten tun: gestorben
im März 416 n. Chr. in einer Stadt
bekannt für ihre Wissenschaften und den
großen Eroberer, der hier einst hielt
und der Stadt seinen feinen Namen gab.
Vor den Anekdoten ist der Verlust zu nennen:
verschwunden in byzantinischen Chroniken
und denen von schlecht informierten Philosophen.
Männer, die ihren Einfluss nicht duldeten, befahlen
und dumme Jungen, die sich als Werkzeug sahen
ermordeten, zerrissen sie, am Boden einer Kirche.
Was klerikaler Eifer nicht verhindern konnte:
Dass der Name zum Symbol wurde, Leuchtturm
einer weiblichen Emanzipation, die auch im Zuge
der neuen Religion auf die Vernunft setzen wollte.
Um ihrem Tod herum zerschlägt sich Hoffnung auf Versöhnung
zwischen neuem Gott und alter Tradition.
Doch vorher hat sie die Planeten erforscht; dass die Erde
nicht das Zentrum des Universums ist, es liegt
in ihrer Lehre; nichts ist überliefert, nur eine Chimäre
ihrer Werke. Und abschätziges Urteil, rar verteilt
in der Nachwelt, männlichen Ursprungs, misogyn.
Ihre Kühnheit: einst Ruhm. Dann nur noch Legende.
Es soll nicht unterschlagen werden: Sie war schön.
Eine Schönheit, wie man zu sagen pflegte, doch
unberührt ein Leben lang, wie es Philosophen
damals hielten, halten sollten. Umgang mit Männern
hatte sie genug und einem ihrer Schüler warf sie
ihr Blut des Monats hin als Zeichen und als Anstoß.
Halten wir noch kurz inne: Faszination,
seit jeher die Kraft, die das Denken zieht,
fand in ihr eine erstaunliche Dimension. Und wenn
auch kein Gramm Werk überliefert ist, wiegt schwer
ihr Bild im Schatten der Stimmen. Wer könnte
je verschmähen zu wissen, was sie wusste?
Von gefühlten Offenbarungen und Einblicken in eine verjetzte Geschichte: Gedanken zu Timo Brandts Gedichten (Siljarosa Schletterer)
Es gibt Momente da vermag ein Vers Fenster zu öffnen. Fenster in eine Welt, die komplexe Verbindungen zu lässt. Es sind Verbindungen zwischen Jahrhunderten, die neue Einblicke ins Jetzt zulassen. Da wird klar, dass hinter ihnen ein Wissender stehen muss. Jemand, der im Stande ist Herz und Hirn zu verbinden. Jemand vor dem man schon nach zwei Zeilen seinen Hut zieht! Seine Gedichte sind ein Heilmittel im Zirkus von Fake News und Oberflächlichkeiten. Sie führen uns zu Landschaften tieferen Verstehens.
Im Gedicht Thermopylen finden wir sowohl geschichtliche wie auch poetische Verweise und gesellschaftliche Hinweise. Die Thermopylen waren Schauplatz des Beginns des zweiten Perserkrieges. An diesem Ort wollten 300 Spartaner die Perser aufhalten. Durch Verrat wurden die Perser auf einem Pfad um die Thermopylen herumgeführt, so wurde den Untergang der Verteidigungsstellung herbeiführt. Gleichzeitig ist in diesem Gedicht auch eine Weiterschreibung von Konstantin Kavafis gleichnamigem Gedicht zu finden. Die Thermopylen sind ein Gebrigs-Engpass. Diese Zeilen machen Mut. Es werden Menschen dargestellt, die sich trotz allem (voraussehbarem) Scheitern für etwas vermeintlich Höheres oder Besseres einsetzen. In allen Menschen wohnt diese Fähigkeiten, die es zu verteidigen gilt. Die dreifache Ehrerbietung gegenüber Menschen die Hoffnung und Liebe verbreiten, sollten – nein müssen – wir weiterführen und noch viel wichtiger weiterfühlen. Um so die Chance auf neues Leben, ein Leben das aufbricht, ähnlich der Grafik von Franz Wassermann. Auch um ein Schwarz/Weiß Denken aufzubrechen. Im zweiten Gedicht nähert er den Lesenden eine der ersten griechischen Lehrerinnen an einer griechischen Universität und große Denkerin an.
Timo Brandt wurde 1992 in Düsseldorf geboren und wuchs in Hamburg auf. Seit 2014 lebt er in Wien. Studium am Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien; seit 2015 Mitherausgeber der JENNY Literaturzeitschrift; seit 2016 Rezensent auf Fixpoetry.com. Veröffentlichungen u.a. in Bella Triste, STILL, Metamorphosen, Das Gedicht, Seitenstechen und einigen Anthologien. Timo Brandt ist nicht nur ein wunderbarer Autor, sondern bereichert auch als Rezensent die Lyrikwelt beispielsweise bei fixpoetry.com (Profil), signaturen-magazin.de, babelsprech.org, sowie in den Zeitschriften Zwischenwelt, Kolik und Literatur und Kritik. Er ist und wird einer der ganz großen sein. Wir dürfen uns auf weitere Zeilen von ihm freuen.
Mehr Informationen zu ihm und seinen Werken sind hier zu finden: lyrikpoemversgedicht.wordpress.com
Woche für Woche stellen Sie einen Poeten vor, Woche für Woche suchen Sie mit Sorgfalt eine dazu passende Grafik aus und
Woche für Woche lese ich – manchmal zwei- oder dreimal. Nur kommentieren mag ich eher nicht, denn mir fallen entweder Banalitäten ein oder Kitschiges. Und das muss nicht sein.
Ich möchte aber hoffen, Ihre Lyrik-Reihe bleibt noch eine gute Weile bestehen, denn sie ist ebenso bereichernd, wie es seinerzeit die Gedichte von Holdger Platta waren, aber auch die ausdrucksstarken Essays (auch Satiren) von Roland Rottenfusser.
Herzlichen Gruß,
P.
Vielen herzlichen Dank für Ihre ermutigenden Zeilen!
sr.
Ein Geschenk -Poesie und Musik – sie geben mir Kraft, Zuversicht und Frieden!
Sprache – HAUS DER SEELE
Danke für diese Bereicherung!