Bernhard Trautvetter: Der große Augenblick

 In Poesie

Was fasziniert Menschen an Spaßmachern, an Clowns? Erinnern sie ihn an etwas, was aus der Kindheit ganz tief in ihnen wohnt und verloren gegangen ist? Bernhard Trautvetter

Unter dem Zeltdach in tanzendes Licht getaucht
auf den Brettern, die die Welt bedeuten,
der lustige Star, der die Leute
zum Lachen bringen soll, dass sie die Welt vergessen
und dass sie bald wieder kommen.

Der gekonnt tollpatschige Musikakrobat,
der vor aller Augen die Verzweiflung spürt
über die weit verbreitete Gleichgültigkeit
über die verlorene Zeit voll leerer Worte
der Anpassung des schweigenden Hinnehmens
sich häufender Tragödien und Ängste
er will die Liebe wachrütteln
die Kraft Quelle des Clowns,
der als menschlicher Spiegel verkleidet
hinfällt und wie ein Stehaufmännchen
über das Schicksal triumphiert.
Tosender Applaus ist der Lohn harter Arbeit,
die so leicht daherkommt, fast so als sei der Zufall da.

Die Augen der Gäste verfolgen jeden Schritt
in der Manege gierig nach etwas,
auf das sie hoffen…
das zitternde Herz des Künstlers hüpft
dem Ende der Vorstellung entgegen.
Was in uns lässt uns lachen über das Wesen
hinter der Hülle aus Farbe, Wachs und Gefühl?
Was in uns erinnert sich noch
an die Einsamkeit der Kinderstube
den Schlag mit dem Kreuz auf den Po
aus Papas Hand
den Spott der Kameraden beim Sturz
den ersten Kuss
die zerlumpte Hose nach der Kanalbalgerei
um die Märchenprinzessin aus der Parallelklasse
Die letzte Prüfung das erste Bewerbungsgespräch
und dann die heutige Hoffnungsangst vor dem Morgen, was wird kommen, was wird sein?

So steht der Clown da
und blickt den Menschen im Zelt
durch das ScheinwerferLicht hin durch
mitten in die innerste Zelle, direkt und klar.

Sie hatten alle ihre eigenen Tragödien
und Glückskomödien.
Doch selten blitzt die Erinnerung
durch das geschäftige Treiben des Tages
und der Nacht noch hindurch.

So sitzen sie da
und hoffen,
der Clown möge ihnen etwas geben,
was sie unmerklich selbst schon in sich tragen.
Nur einer sieht das alles ganz tief und wahr…
verzweifelt steht er da
und lacht und weint und flüstert und tanzt
wie es immer schon war

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