Bernhard Trautvetter: Wir lieben Euch
„Meine Kinder sollen es mal besser haben als ich“. So dachten viele Eltern vergangener Generationen. Unsere Kinder dürften es eher schlechter haben. Wenn es so weitergeht. Die Älteren verprassen das Erbe der Jüngeren, machen das „Haus“, in dem diese einmal leben sollen, zu einem unwirtlichen Ort, hinterlassen Schulden und verbrannte Erde. Dabei ist alles nur gut gemeint. Denn Eltern lieben ihre Kinder bekanntlich… Hellsichtiges Gedicht über die Vieldeutigkeit des Wortes „Liebe“.
Wir Lieben Euch
Liebe Kinder
leider können wir nicht anders
die Kriege die Waffen
die Schornsteine, alles das
wächst in den Himmel,
der einst Zukunft verhieß
im Wechselspiel der Jahreszeiten
Regen zur Regenzeit Sonne im Sommer
im Norden Schnee und Eis,
zwischen den Extremen die Übergangszeit,
ja, so war das mal.
Nun verbrennen wir mehr denn je,
wir vergiften Wasser und Luft
mehr denn je. Das wird noch immer gut bezahlt.
Was sollen wir machen!
Die Meere selbst die Wüste das ewige Eis,
all das war mal so, wie Ihr es noch
in der ersten und zweiten Klasse gelernt hattet,
liebe Kinder,
wenn Ihr wüsstest, wie sehr
wir Euch lieben.
Der Chef warnt uns, wir sollen so weiter machen
solange es geht.
Wir wissen, es geht nicht mehr lange.
Wir lieben Euch, glaubt uns das!
Der böse Russe und die gelbe Gefahr
da hilft nur Rüstung zur Not mithilfe des Atoms,
die Kettenreaktion in der Bombe macht uns
zu Herren über Leben und Tod.
Wir lieben Euch so sehr!
Wir verbrauchen,
was in unüberschaubar lange vergangenen Zeiten
noch ehe es Adam und Eva gab, entstand;
Ob Ihr später noch etwas davon habt,
nun das Abgas ist Euch schon mal sicher.
Ihr sollt es einmal besser haben als wir
dafür versauern wir die Meere und die Luft
wir können nicht anders,
Autos, Flieger, Panzer, U-Boote, zur Not mit Atom
die Konkurrennz, wenn wir das Verbrechen nicht begehen
tun es sicher andere Wettbewerber.
Unser Land zuerst, das heißt, wir gegen die.
Wir brauchen deren Natur Schätze sonst schicken wir Soldaten
Drohnen, Viren, Trojaner und Störpprogramme.
Wir lieben Euch. Wenn Ihr nur wüsstet, wie sehr!
Die Nachrichten richten Euch so aus, dass Ihr uns am Ende folgt
und sei es der Abgrund.
Ihr müsst lernen, ihr müsst kapieren,
es geht nicht anders, der Egoismus
ist nun mal der Schlüssel zum Wohlstand.
Wer gleiches Recht für alle will,
der sieht nicht ein, dass der Mensch des Menschen Wolf ist.
Nichts gegen Wölfe, aber es fällt mir gerade
kein besseres Tier als Beispiel dafür ein,
dass sich im kapitalen Kampf um die Fleichtöpfe
jeder selbst der Nächste ist, vor allem, je mehr er hat.
Wir lieben Euch so sehr!
Wir hätten gerne die Liebe und das Zusammenspiel gelebt,
alle Menschen als Brüder und Schwestern,
Freiheit und Gleichheit und all diese kommunistischen Träume
weltfremder Träumer, die meinen,
es gäbe nur dann eine Zukunft, wenn wir abrüsten,
wenn wir die Sicherheitspolitik durch Zusammenarbeit
auf dem blauen Planeten ersetzen.
Das hat immer schon ins Chaos geführt.
Wir lieben Euch wirklich!
Wir brauchen mehr als unsere Generation hervorbringt
wir verbrauchen die Schätze der Natur, noch sind sie da.
Wir tun das, solange es geht,
solange ihr unseren Chefs nicht das Handwerk legt.
Wir haben das nicht ver sucht
und wenn dann bislang ohne Erfolg.
Wir Lieben Euch nun mal so sehr.
Die Wirtschaft muss unaufhörlich wachsen
das geht nicht anders, sonst ist Krise, Armut und Not.
Klar, die Erde gibt das auf Dauer nicht her, wir nehmen es
von den Nachkommen, die es dann nicht mehr brauchen können
weil, es ist dann irgendwann verbraucht.
Wir lieben Euch.
Es kann nur so weiter gehen wie bisher,
die Art, wie wir das tun, hat sich ewig schon bewährt
als überlegen erwiesen, besser als alle Träume der der Träumer.
Du magst das einen Albtraum nennen.
Vielleicht hast Du sogar Recht. Auch, wenn Ihr sagt,
unsere Liebe sei an die Bedingung geknüpft, dass Ihr mitspielt
beim großen Geschäft aus Konsum und Vor Teil zum Nach Teil derer,
die nicht so viel haben. Sind sie selber schuld.
Jeder hätte reich werden können.
Das nennen wir den AmerikanischenTraum.
Wer hat, dem wird gegeben, er leistet ja auch mehr
als die, die im Schichtdienst ihr Bestes geben.
Die Chefs brauchen uns bald nicht mehr,
dann machen das nur noch Roboter
und Programme Algo Rhythmus… Auf Ab auf ab
Wir lieben Euch alle. Für immer
Ihr sollt es einmal besser haben.
Lange geht das sowieso nicht mehr gut.
Aber wisset, wir wollen nur Euer Bestes.
Wir haben uns vielleicht zu schnell abspeisen lassen
mit ihren Märchen, es gehe nicht anders.
Aber eins seid gewiss:
Wir lieben Dich.