Best of Kitsch
Kitsch-Verächter (vor allem solche, die der Meinung sind, „so was“ dürfe man nicht mal zum Spaß in einem linken Magazin bringen) müssen jetzt sehr stark sein. Ergänzend zu meinem Artikel „Kitsch, Fluchthilfe aus einer herzlosen Welt“ zeige ich heute eine kommentierte Videostrecke mit Kitsch-Klassikern. Also: Augen und Ohren zu und durch! Und falls doch mal jemand an einem der Videos hängen bleibt (was bei einem derart anspruchsvollen Publikum nahezu ausgeschlossen ist): keine Sorge, außer der NSA bekommt es ja keiner mit, wer was anschaut. Da ist die ganz Unbill der politischen Welt draußen – G7-Gipfel und so – doch sofort wie weggeblasen. (Roland Rottenfußer)
Grün ist die Heide (1951)
DER Nachkriegsfilm von Hans Deppe mit Sonja Ziemann, Rudolf Prack und ausgesuchtem Liedmaterial. Interessant: Auch Hannes Wader sang auf seiner Volkslieder-LP „Grün ist die Heide“. Ein Film, der durch die Darstellung von Vertriebenenschicksalen Spuren von Ernst enthielt, diese aber durch rührungserzwingende Handlungswendungen heimattümelnd in Wohlgefallen auflöste.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=wy29w3QBaGs[/youtube]
Weitere Kitsch-Klassiker:
Bing Crosby, Grace Kelly: True love
Im Film „High Society“ (1956) auch mit Frank Sinatra und Louis Armstrong) schmalzten Crosby und die spätere Fürstin von Monaco hemmungslos im Schickeria-Milieu. Ein Lied, das in seiner Einfachheit verblüffend „funktioniert“, besonders, wenn die Stimmen der Liebenden auf dem abendlich dahingleitenden Segelboot miteinander verschmelzen. Damals wohl schon mit einem gewissen Augenzwinkern.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=5UPHAfvbs08[/youtube]
Udo Jürgens und Jenny: Liebe ohne Leiden
„Düdüdüdüdüdü-düdü“ – wer würde da nicht freudig einstimmen? Es ist schon klar, dass der große Verstorbene auch subtilere Lieder gemacht hat. Aber so eine Melodie muss einem auch erst mal einfallen. 1984, als der Neoliberalismus auf dem Durchmarsch war, rührte Udo sein Publikum durch einen besonders wirksamen Kniff: Statt mit einer gleichaltrigen Schönen, sang er mit Tochter Jenny ein Duett über die Schwierigkeiten der Ablösung (die dem Vater hier noch schwerer fällt als dem Mädel). Thematisch eigentlich ähnlich wie Weckers „Für meine Kinder“, nur eben anders.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=zytpHl7Q5cA[/youtube]
Shah Rukh Khan weint
Für Shah Rukh Khan und Preity Zinta ist es in „Kol ho naa ho“ die ganz große Liebe. Man kann’s verstehen, angesichts des guten Aussehens beider Protagonisten. Das Problem ist nur: Khan leidet an einer tödlichen Krankheit. Vor dem publikumswirksamen Dahinscheiden verheiratete er Zinta mit seinem besten Freund, damit sie in guten Händen bleibt. Das bringt den Liebenden in die schier unerträgliche Situation, auf der Hochzeit der Geliebten den Trauzeugen mimen zu müssen. Auf einer knallbunten indischen Hochzeit entgleisen am Ende die Gesichtzügen. Eine hohe Frauenstimme winselt, und Shah Rukh Khan tut, was er am besten kann: wundäugig weinen. Taschentücher bereithalten!
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=5P5eEjURocc[/youtube]
Ella Endlich: Wenn der Wind mit den Schwänen
Hier stimmt einfach alles: die pompöse, äußerst verspielte Deko, das adrette Mädel, die Musical-Stimme wie auch das moderierende Rahmenprogramm mit Florian, Mireille und Chris. Ella Endlich pflegt ihr Image als blitzsaubere Märchenfee und garantiert, dass der Kitsch auch im neuen Jahrzehnt lebendig bleibt.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=zIdNwyb8uqc[/youtube]
Edward und Bella heiraten
Nix „Wer zweimal mit der selben pennt, gehört schon zum Establishment“ – die Jungen besinnen sich wieder auf Treue und träumen von der Hochzeit „ganz in Weiß“. Besonders HdS-Leserinnen unter 20 werden bei diesem Beitrag unweigerlich in Ohnmacht fallen, wenn Amerikas Schönster, Robert Pattinson, seine Bella (Kristen Stewart) zum Altar führt. Äh – gibt es überhaupt HdS-Leserinnen unter 20? Zu schwelgerischen Vermählungsszenen wandelt Christina Perri, süßgesichtig und zartstimmig, durch ein Meer von Lichtern oder lässt im Sonnenuntergang den Wind durch ihr wohlgeföhnte Haar wehen – ein perfekter Mainstream-Schmachtfetzen.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=RQzWjM993g8[/youtube]