Brauchen Hunde ein Mäntelchen?

 In FEATURED, Politik

Niemand sollte frieren müssen – auch nicht unsere geliebten Haustiere. Aber gibt es keine wichtigeren Themen als Tier-Accessoires? Wollen die verantwortlichen Medienmacher damit nur ihr Schweigen zu anderen, weitaus schlimmeren Problemen bemänteln – z.B. dem Flüchtlingselend auf griechischen Inseln oder der Situation der Obdachlosen in Deutschland? Bobby Langer

 

Ich habe den Eindruck, mich für dieses Thema entschuldigen zu müssen. Und tu das auch, schicke aber gleich vorneweg, dass das nur als Augenöffner gedacht ist. Letztlich geht es um etwas ganz anderes.

Aber lasst mich von vorne beginnen. Die Frage hörte ich heute Vormittag auf dem Weg nach Hause im manchmal ganz guten Sender Bayern 2. Und weil ich gerade nichts Besseres zu tun hatte, höre ich die paar Minuten zu. Nur um zu dem Schluss zu kommen: Ja, manche Hunde brauchen bei diesen Minustemperaturen ein Mäntelchen. Sie haben kein Unterfell und frieren wie wir Menschen. Hm, wusste ich noch nicht, kenn mich nicht so aus mit Hunden, denke mir aber: Wenn wir die armen Viecher schon so zurechtgezüchtet haben, dann können wir wenigstens mit einem Mäntelchen ein bisschen Verantwortung übernehmen.

Schön und gut. Die eigentliche Frage lauert aber hinter dieser scheinbar so harmlosen in der Überschrift: „Brauchen Hundemäntelchen einen Sendeplatz auf Bayern2 ?“ Immerhin hat der Sender mit täglich 590.000 Hörern eine beeindruckende Reichweite. Die halbe Minute Werbung kostet 640 Euro. Der Sendebeitrag über die Hundemäntelchen dauerte rund 3 Minuten, war also rund 3.800 Euro wert. In dieser kostbaren Sendezeit am Samstagvormittag hätte man zum Beispiel berichten können über die auf Lesbos dahinsiechenden Flüchtlinge; über die von der europäischen Grenzschutzorganisation Frontext systematisch geduldeten bis unterstützten Menschenrechtsverletzungen in der Ägäis; über Corona bei Obdachlosen überall in Deutschland. Die frieren auch, nicht nur die Hündchen.

Also nochmals: Warum füllt man diesen Sendeplatz mit einem im besten Fall belanglosen Thema? Denn unter dem Strich bedeutet das ja: Das Hundemäntelchen war dem Programmbereichsleiter Stefan Maier wichtiger als Flüchtlingselend, Menschenrechtsverletzungen oder Obdachlose. Mag ja sein, dass er, seine Partnerin, sofern er eine hat, oder die Redakteurin selbst ein bemänteltes Hündchen spazieren führt. Nichts Menschliches ist mir fremd. Ich kann das verstehen, immer vorausgesetzt, dass solche Entscheidungen keiner menschlichen, politischen oder ethischen Entscheidungsgrundlage bedürfen, sondern einfach aus dem Bauch heraus geschehen: „Das kommt bei unseren Hörerinnen bestimmt gut an!“ Schon klar: Flüchtlingselend, Menschenrechtsverletzungen oder Obdachlose sind nun wirklich keine populären Themen. Aber irgendwie kommt es mir so vor, als würde ich zum Arzt gehen und ihm über meine beginnende Erblindung berichten, er aber begänne ein Gespräch mit mir über die billigsten Schnürsenkel.

Ehrlich gesagt: Ich würde den Arzt wechseln.

Kommentare
  • Volker
    Antworten

    Ja, manche Hunde brauchen bei diesen Minustemperaturen ein Mäntelchen.

    Die Reinrassigen vom Züchter, oder die Verzüchteten, man braucht nur genügend Euros für Statussymbole, Benz und Porsche sind auch nicht billig.

    Das Hundemäntelchen war dem Programmbereichsleiter Stefan Maier wichtiger als Flüchtlingselend, Menschenrechtsverletzungen oder Obdachlose.

    Möglicherweise hat Maier ein Pfund Hund. Das sind Züchtungen für Handtaschen, die schon bellend zittern, wenn sie einem Menschen begegnen – ich nenne sie Zitterhunde. Benz und Porsche sind weitaus robuster, und wenn die röhrend bellen, fang ich armer Hund zu zittern an, auf der Gass, mit Warenkörbchen auf Gepäckträger.

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