Bücher neu gelesen: Ein Angriff auf die kurdische Frauenrevolution

 In Buchtipp, FEATURED, Politik

Sakine Cansiz, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez (v.l.). Foto: anfdeutsch.com

Alle drei Frauen waren bedeutende Vorreiter*innen der kurdischen Frauenrevolution aus drei verschiedenen Generationen: Gestern vor sieben Jahren wurde Sakine „Sara“ Cansız,  Symbolfigur der kurdischen Frauenbewegung und Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), gemeinsam mit den beiden jüngeren kurdischen Aktivistinnen Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) von einem Auftragsmörder des türkischen Geheimdienstes MIT im Kurdistan-Informationszentrum mitten in Paris erschossen. Die Morde am 9. Januar 2013 erschütterten Menschen weltweit: Das Attentat stellte einen gezielten Angriff auf den Widerstand kurdischer Frauen und die Bedeutung der Frauenrevolution im Verständnis der kurdischen Befreiungsbewegung dar. Als Vorreiterin des kurdischen Feminismus hatte Sakine Cansız eine historische Bedeutung und gemeinsam mit den beiden jüngeren Genossinnen eine zentrale Rolle in der aktuellen Frauenbewegung. Am morgigen Samstag wird bei einer europaweiten Demonstration in Paris der drei Frauen erinnert und die Aufklärung des Attentats sowie die Bestrafung der Hintermänner gefordert. Einen spannenden, informativen und beeindruckenden Einblick in die Geschichte der kurdischen Frauenbewegung gibt die dreibändige Autobiografie “Mein ganzes Leben war ein Kampf” von  Sakine Cansız, die auch auf Deutsch erschienen sind. mb
 

Am 9. Januar 2013 stand die Welt für alle, die der kurdischen Freiheitsbewegung verbunden sind, still: Die Hinrichtung von drei bedeutenden Vertreterinnen der kurdischen Frauenbewegung fielen in eine Zeit, in der ein Lösungsprozess zur kurdischen Frage eingeleitet wurde. Damals fanden Gespräche mit Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali statt. Das Attentat war damit ein direkter Angriff auf die Stärke und Bedeutung der Frauenbewegung und sollte den Friedensdialog torpedieren. Aufhalten konnte der Anschlag des türkischen Geheimdienstes die kurdische Frauenbewegung trotzdem nicht. Sie ist heute tief verankert in der kurdischen Bewegung und spielt beim Aufbau einer selbstverwalteten, basisdemokratischen, ökologischen  und feministischen Gesellschaft in den autonomen Gebieten von Rojava in Nord- und Ostsyrien eine herausragende Rolle, ebenso in den kurdischen Gebieten in der Türkei, in Nordirak und im Iran.

Sakine Cansiz war eine Vorreiterin der kurdischen Frauenbewegung und wurde am 9. Januar 2013 mit zwei GenossInnen in Paris vom türkischen Geheimdienst ermordet. Foto: anfdeutsch.com

Wer einen Einblick in die Entstehungsgeschichte, Leistungen und die spezifischen Bedingungen der kurdischen Frauenbewegung erhalten will, kann die dreibändigen Autobiografie “Mein ganzes Leben war ein Kampf” von  Sakine „Sara“ Cansız mittlerweile auch wieder auf Deutsch lesen. Nachdem das deutsche Innenministerium den kurdischen Mezopotamien Verlag verboten und den gesamten Bücherbestand beschlagnahmt hatte, gab es einen Welle der Solidarität von vielen unabhängigen Verlagen und mittlerweile sind einige Bücher aus dem Mezopotamien Verlag vom Unrast-Verlag verdienstvoller Weise neu aufgelegt worden:

Der erste Teil ihrer Autobiografie „Mein ganzes Leben war ein Kampf“, verfasst bereits in den 1990er Jahren, ist ein bedeutendes Zeitdokument: Im Band „Jugendjahre“ werden die ersten Schritte der kurdischen Bewegung aus der Sicht einer mutigen Frau geschildert und lebendig.

Im zweiten Teil ihrer Autobiografie „Gefängnisjahre“ beschreibt Sakine Cansiz die elf Jahre, die sie von 1979 bis 1990 im Gefängnis verbracht hat. Es ist ein Bericht über den Widerstand gegen Entmenschlichung, über Willensstärke und unerschütterliche Hoffnung. Gleichzeitig ist das Buch auch ein wichtiges Dokument zur Entstehungsgeschichte der kurdischen Frauenbewegung. Im dritten Band berichtet Sakine Cansiz von ihrem Weg zur Guerilla, ihren Aktivitäten an der Parteischule der PKK in Damaskus und der ständigen Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit sowie der kurdischen Frauenbewegung.

Bestellung aller drei Bände (je 20 €) direkt beim Unrast-Verlag unter:
https://unrast-verlag.de/autor_in/sakine-cansiz/gesamtprogramm?start=80

Weitere Informationen zur aktuellen Situation der kurdischen Frauenbewegung:
Hîva Erebo vom kurdischen Frauendachverband Kongreya Star äußert sich im ANF-Interview zur Entwicklung der Frauenorganisierung in Nord- und Ostsyrien und berichtet, dass die Frauenbewegung trotz Invasion stärker geworden ist.
https://anfdeutsch.com/frauen/trotz-besatzung-frauenbewegung-in-rojava-wird-staerker-16559

Anzeigen von 3 Kommentaren
  • Thomas
    Antworten
    Warum hört, sieht und liest man davon nichts in den “Medien”?
    Bei Charlie Hebdo und dem Bataclan war der Medienrummel ungleich größer…
  • Ruth
    Antworten
    Die Welt – ein Patriarchat, welches so unglaublich viel weibliches Potenzial kaum wertschätzt und deren Wissen und Kreativität verloren geht; ein weitreichender Verlust und Fehler für unser Gemeinwohl!

    Es gibt das chinesische Volk der Musuo, dort gibt es das Matriarchat, das wird von Frauen regiert und ist das einzige Matriarchat, das mir bekannt ist.

    Weltweit werden Frauen diskriminiert und mit Gewalt von Mitbestimmung, Selbstbestimmung ausgeschlossen. Wir müssen nur in unsere eigene Geschichte gucken. Bis in die Siebzigerjahre durften Frauen nur mit Einwilligung ihrer Ehemänner eine Arbeit aufnehmen – unglaublich!

    Und Frauenfeindlichkeit und Sexismus, ist wieder stärker spürbar und sichtbar!

    In den sozialen Netzwerken eine Widerlichkeit, tagtäglich!

    Mich wundert es nicht, das die Tötung der drei Frauen nicht im Fokus der Medien stand. Frankreich ist eine stark männlich dominierte Gesellschaft.

     

  • Brand,Hildegard
    Antworten
    Ich bin unheimlich dankbar für den Bericht über die kurdischen Frauenrevolutionärinnen und die Angaben zur Autobiographie!

    Die drei revolutionären Frauen müssten für uns alle, uns Frauen insbesondere, aber auch für alle Männer Vorbilder sein. Der durch feige und grausame Männergewalt herbeigeführte Tod dieser drei kämpferischen und mutigen Frauen steht als Mahnmal  und Aufruf vor uns:

    Keine Macht den antifeministischen, antimenschlichen, patriarchalen Faschisten!

    In welchen Gewändern, Anzügen, weißen Hemden sie auch immer sich tarnen,

    welche Waffen sie auch immer u n t e r   ihren Gewändern, in ihren Anzügen, auf ihren Schlachtfeldern tragen und in grausamer Weise gegen Frauen, Kinder und ganze Völker einsetzen !

    Die Wahrheit muss ans Licht der Weltöffentlichkeit!

    Hildegard

    Hildegard

Schreibe einen Kommentar zu Thomas Antworten abbrechen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen