Christinnen und Christen für den Sozialismus 3/3

 In Politik (Ausland), Politik (Inland), Spiritualität
Paulus: "...aber die Liebe ist die größte unter ihnen."

Paulus: “…aber die Liebe ist die größte unter ihnen.”

Auch wenn es so mancher Linker nicht glauben mag: es gibt seit langem eine christliche Theologie, die konsequent und beharrlich unserer kapitalistischen Weltordnung den Kampf angesagt hat und diese ersetzt sehen will durch ein humanes, durch ein menschenrechtsorientiertes Wirtschaftssystem, das endlich ernstmacht mit den marxistischen Forderungen nach einer Welt ohne Ausbeutung, ohne Unterdrückung, ohne Entfremdung. Zum Beleg veröffentlichen wir hier den Vortrag des Theologen Martin Block, den dieser vor einigen Wochen bei der „Initiative für eine humane Welt (IHW) e. V.“ in der Göttinger Christophoruskirche gehalten hat. (1. Teil dieses Artikels hier, 2. Teil hier)

III Praxis: Solidarität, Widerstand, Befreiung

1. Praxisformen von CfS in der BR Deutschland seit den 1970er Jahren

Auch hier muß man unterscheiden zwischen der bundesweiten und der regionalen bzw. lokalen Arbeit der CfS-Gruppen. Zugleich muß man unterscheiden zwischen der internen und der externen CfS-Arbeit: ChristInnen für den Sozialismus sind extern an die verschiedenen sozialen Bewegungen der Republik angeschlossen und lassen dies natürlich auch in die interne CfS-Arbeit miteinfließen, wenn dieses Engagement nicht manchmal sogar zum selbstständigen Thema gemacht wird.

Zunächst aber zur internen CfS-Arbeit: neben den früheren bundes– oder sogar eurapaweiten CfS-Konferenzen gab es bald Regionaltreffen und Delegierten-Konferenzen (DKs), wobei die Treffen eher inhaltlich, die DKs eher organisatorisch orientiert waren. Themen waren und sind zum Teil noch: biblische Arbeit, z.B. das Verhältnis vom Ersten zum Zweiten Testament, die Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Marxismus, die Frage nach dem Verhältnis zu den Kirchen, zur Ökumene, zu den Parteien, die Frage nach der Gültigkeit der sog. „Großen Erzählung,“ der biblischen Vision von innerer und äußerer Gerechtigkeit. Es sind also vor allem theologische, religiöse und politische Themen, die bei den Regionalkonferenzen verhandelt wurden. Relativ starke Regionalgruppen gab es traditionell in Münster und Freiburg, im Odenwald-Kreis, in Kassel und früher auch in Göttingen, Bremen und Hamburg.

Die Delegierten-Konferenzen waren und sind die Organisations-Treffen der jeweiligen SprecherInnen der einzelnen Regionalgruppen und finden ca. fünfmal im Jahr statt. Hier werden die laufenden Veranstaltungen von CfS (Exegese-Seminare, Intensiv-Seminare, Kirchentage) vorbereitet. Außerdem ging und geht es um Solidaritätsaufrufe, um Solidaritätsaktionen wie Demonstrationen oder Unterstützung und Besuche aus und nach Lateinamerika, um Spenden, Petitionen und Sammelaktionen und vieles mehr. In den 70er und 80er Jahren war die Solidarität mit Lateinamerika, insbesondere Nicaragua, ein Hauptarbeitsfeld. Später waren die sozialen Bewegungen innerhalb und außerhalb Europas von ebenso entscheidender Bedeutung. Und hier überschreiten wir die interne zur externen CfS-Ebene: seit Beginn zeigten sich CfSler solidarisch mit sozialen Bewegungen. Das war in dieser ungefähren Reihenfolge die 68er-Bewegung, der Beginn der Ökologie-Bewegung mit der Gründung der grünen Partei, die Anti-AKW-Bewegung, Frauenbewegung, Gewerkschaftsarbeit, Dritte-Welt-Arbeit, Anti-Rassismus, Anti-Sexismus, Anti-Kapitalismus und – mehr oder weniger – auch ein unverkennbarer Anti-Etatismus, also eine leicht anarchistische Tendenz. Es gab sowohl Mitglieder mit relativ starker Kirchenbindung als auch CfSler, die mit der offiziellen Kirche abgeschlossen hatten. Es gab einen starken Bezug zur DKP oder K-Gruppen, aber eben auch – und das verstärkt seit den 80er Jahren – Tendenzen hin zum undogmatischen, zum „Zurück-zu-Marx-selber“-Verständnis. CfS ist also ohne die sozialen Bewegungen in – und außerhalb Europas nicht zu denken, insofern sind Geschichte, Interessen, Wirksamkeit und Ziele nicht ohne diese zu sehen und einzuordnen.

Die Kirchen hatten hingegen nicht einen so starken Einfluß auf CfS, umgekehrt die Befreiungstheologie(n) in Lateinamerika und Europa auf die westlichen Kirchen schon eher.

Mit den offiziellen Kirchen gibt es durchaus Überschneidungen und viele persönliche und arbeitsbezogene Kontakte. Dennoch wurde und wird bei CfS die verfaßte, die verbeamtete und abgesicherte Kirche als die „Kirche Konstantins“ angesehen, die sich dem Staat, der Wirtschaft und den Mächtigen allzu häufig angedient hat und keine klar widerständige Position bezieht, wie das in der Vergangenheit in Deutschland am stärksten die Bekennende Kirche getan hat.

Leider gehen die Mitgliedszahlen bei CfS in den letzten Jahren zurück. Es war und ist eine Organisation der 68er-Bewegung, die nach der Jahrtausendwende zunehmend Nachwuchsprobleme bekam, trotz vieler Veranstaltungen, Jahrbüchern und Kontakte, regional wie international. Dies ist allerdings eine Entwicklung, die unsere westlichen Gesellschaften insgesamt betrifft, allerdings nicht jeden Bereich und nicht alle Gesellschaftsgruppen.

2. Vorwärts und nicht vergessen: Hoch die internationale Solidarität!

CfS ist letztlich ein kleines, wenn auch stimmkräftiges Grüppchen innerhalb der weiten Kirche und ein noch kleineres Grüppchen inmitten der kapitalistischen Gesellschaft bzw. Weltgesellschaft. Aber es gibt viele Verbündete: die Armen und Ausgeschlossenen aller Gesellschaften, die linken Parteien, die vom Sozialismus immer noch oder schon wieder etwas wissen wollen, die genannten zahlreichen sozialen Bewegungen, die zunehmend auch den digitalen Raum bevölkern und nach nichtkapitalistischen Alternativen suchen. Kontakte von CfS gibt es immer noch vorwiegend zu Lateinamerika, vor allem zu El Salvador, wo ein Freund, Pater Jerry, regelmäßig über seine pastorale und politische Arbeit über die CfS-Homepage informiert. Aber es werden vom befreundeten und unterstützten Institut für Theologie und Politik (ITP) aus Münster auch recht häufig lateinamerikanische Aufenthalte organisiert, die dem Austausch und der politisch-theologischen Aktion dienen.

Die Praxis kann genausowenig wie die Theoriearbeit an der gesellschaftlichen Realität vorbeigehen. In CfS war man zwar kein Anhänger des sowjetischen Systems (oder des Ostblocks insgesamt), bemerkte aber dazu, daß nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes ein Korrektiv gegenüber den versklavenden Tendenzen des Kapitalismus nicht mehr existent war. Die Frühform des neuen Kapitalismus, des Neoliberalismus oder Kasino- oder Turbo-Kapitalismus, zeigte sich bereits beim US-Präsidenten Reagan und der britischen Premierministerin Thatcher in den 1980er Jahren: seine Merkmale sind freier Markt, Privatisierung der Wirtschaft, Kürzungen von Löhnen und sozialen Leistungen, Konkurrenz auf allen Ebenen, Individualisierung, Selbstausbeutung und eine „High-tech“-Ideologisierung, die all diese Merkmale in einem verschwimmenden, einlullenden, möglichst harmonischen Licht weichzeichnen sollen.

Die wirkungsvolle Praxis gegen diese doppelte Realität (die ökonomische und die ideologische) stellt sich als sehr schwierig dar. Sie hat sich auf die Veränderung des Kapitalismus einzustellen, wobei vor allem die Dominanz der Finanzsphäre gegenüber der Realwirtschaft zu sehen ist. Digitalisierung, Pluralismus, die weltweiten Mega-Krisen unserer Welt und gleichzeitige Ausschließung kritischer Traditionen sind Themen, die für soziale Bewegungen ganz oben auf einer neu zu entwickelnden Agenda stehen sollten. Ganz gewiß gilt weiterhin, daß Theorie und Praxis zusammengehören, wie das Glauben und das Tun, wie Glaube und Liebe, eine Zusammengehörigkeit, die der frühe Theologe Paulus im 1. Korintherbrief sehr poetisch, aber eben auch sehr wirkungsvoll beschworen hat: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“ (1. Kor., Kapitel 13, Vers 13). Es geht also nicht nur um Gottbezogenheit, sondern ebenso um den Menschenbezug, die Menschensolidarität, die mehr ist als gefühlsmäßige Liebe, sondern die stetige, wache Anerkennung des Mit-Menschen.

Und zur häufig hypostasierten Praxis: es geht in der Praxis nicht nur ums bloße Tun, das gelegentlich aktionistisch überbewertet wird, sondern auch um das Überlegen, wie am nächsten Tag, in der nächsten Woche, im nächsten Jahr eine neue, vielleicht bessere Praxis auszusehen hat. Das ist klarerweise oft sehr anstrengend, manchmal ermüdend oder sogar frustrierend, aber es gibt auch Gutes, Heilsames zu entdecken und zu bewahren: echte Gemeinschaft, gutes Zusammenarbeiten, Freude auf Zukunft, Entdecken von Sinn bei sich und bei der Arbeit – generell: bei der „Arbeit im Weinberg des Herrn“, die sich als Auftrag versteht und verstehen darf, also als Auftrag, der ein Leben lang nicht aufhört, sondern immer weitergeht, weitertreibt, sich nicht erschöpft in Müdigkeit und Auf-Gabe, sondern die Hoffnung hat, dereinst sich zu vollenden in einem Reich, das verschiedene Namen hat: Reich Gottes, Paradies, Reich der Freiheit, klassenlose Gesellschaft, Sozialismus, Kommunismus; wahrscheinlich die Zeit und der Raum, wo wirkliche Liebe gute Realität ist, die alles Leben bis ins Tiefste und bis ins Höchste durch und durch erfüllt – und wir mit allem, was wir haben, den Namen Gottes loben und preisen – und segnen.

Ist das möglich, ist das schon jetzt im Anschein zu spüren, zu erahnen? CfS glaubt das. Und das ist nicht nur gut so, sondern wunderbar: Rettung der Menschheit und Erfüllung der Verheißung in einem!

Zwei Fragen
(Holdger Platta)

Woran das Christentum
zu erkennen wäre?

„Es ist ein Kreuz!“
stöhnen die Leute.

Immer noch?

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