Chronik einer Hasskampagne

 In Buchtipp, FEATURED, Politik (Inland), Roland Rottenfußer

Wer das Ende der Demokratie noch verhindern will, muss jetzt nachtragend sein und das Corona-Unrecht aufarbeiten — Marcus Klöckner und Jens Wernicke tun dies mit ihrem neuen Buch. Ist der Alltag für Sie in den letzten Jahren „unangenehmer“ geworden? Hatten Sie das Gefühl, dass Menschen „mit dem Finger“ auf Sie zeigten und Sie „raus aus dem gesellschaftlichen Leben“ waren? Beschimpfte man Sie als „Deppen“, „Bekloppte“ oder „ultra-asoziale Vollidioten“? Hat man Ihnen zur Last gelegt, die Mehrheit mit Ihrer Minderheitenmeinung zu „tyrannisieren“? Wenn das so war, dann kann es sein, dass Sie zur Gruppe der Ungeimpften gehören. Sie wurden dann spätestens seit Herbst 2021 vermutlich zum Opfer einer in der Nachkriegsgeschichte bisher nicht dagewesenen Hexenjagd. Alle Dämme der Höflichkeit und demokratisch gepflegten Toleranz brachen, und ein Sturzbach wüster Beschimpfungen ging auf jene nieder, die sich dem herrschenden Narrativ widersetzten. Heute hat sich der Rauch der großen Meinungsschlacht teilweise wieder verzogen. Auf eine Entschuldigung vonseiten derer, die damals wüteten, wartet man jedoch bis heute vergebens. Die meisten verstehen nicht, dass sie zu Akteuren und Mitläufern eines perfiden Großangriffs auf Freiheit und Menschenwürde geworden sind. Oder sie stellen sich auf den Standpunkt: „Wenn ich’s nicht zugebe, war es auch kein Fehler.“ Gerade wegen dieser verbreiteten Haltung der Verleugnung und Verdrängung müssen den Verantwortlichen ihre verantwortungslosen Sätze von damals jedoch wieder und wieder vor Augen gehalten werden. Denn nicht, wenn Fehler gemacht werden, bedeutet dies das Ende der Demokratie, sondern wenn ein Gemeinwesen im Nachhinein nicht die Kraft zur Aufarbeitung und zur Umkehr findet. Marcus Klöckner und Jens Wernicke haben in ihrem neuen Buch „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ mit großem Sammlerfleiß die verbalen Fehltritte von Politikern, Journalisten und Prominenten in der heißen Phase der Coronakrise dokumentiert. Diese werden scharfsinnig und vor dem Hintergrund eines untrüglichen demokratischen Gewissens analysiert. Dabei bringen die Autoren auch einen Begriff ins Spiel, den viele — weil zu unbequem — am liebsten aus der Debatte heraushalten wollen: Faschismus. Roland Rottenfußer

 

Peter Biesenbach, ehemaliger Justizminister von Nordrhein-Westfalen, setzt zum ganz großen rhetorischen Schlag an — im Stil von Neil Armstrong, dem ersten Mann auf dem Mond. Mit Bezug auf die Covid-19-Impfung prägte Biesenbach das Diktum: „Ein kleiner Pieks für den Einzelnen für die große Freiheit aller.“ Die Botschaft an „Impfunwillige“ war klar: So klein wäre Ihre Plicht gewesen, so gewaltig der Dienst, den Sie der Menschheit damit geleistet hätten. Und Sie verweigerten sich diesem minimalen Opfer für das Volkswohl — Schande über Sie!

Der moralische Furor der Chorknaben des Machtapparats war in den letzten Jahren so heftig wie rhetorisch einfallsreich gewesen. Ihrem eigenen Selbstbild entsprechend handelten sie dabei als wohlmeinende Biedermänner, interessiert einzig an der Volksgesundheit, die durch ein Häuflein gehirn- und gewissenloser Egoisten in Gefahr geraten war. Man nannte sie Impfverweigerer, Schwurbler, Querdenker oder Covidioten.

Corona-Pöbler krochen in der Krise überall aus ihren Löchern und schienen wie enthemmt all jene aggressiven Energien entladen zu wollen, die sie bis dahin unter Verschluss gehalten hatten. Dabei kann man gerade bei den prominenten und hochrangigen Hetzern wie dem Ärztepräsidenten Frank Ulrich Montgomery oder Tübingens Bürgermeister Boris Palmer von kalkulierten, kühl berechnenden Angriffen ausgehen, die im Bewusstsein ihrer potenziell verheerenden Wirkung auf das gesellschaftliche Klima gestartet wurden.

Wären es nur spontane Wutausbrüche gewesen, man hätte vielleicht darüber hinweggehen können. So aber spalteten gerade diejenigen Kräfte das Land, deren repräsentative Funktion sie eigentlich zur Mäßigung und Versöhnung hätte anhalten müssen, Menschen, die mehr als andere die Aufgabe haben, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier etwa.

Worst of Corona-Mainstream

Dem Buch von Klöckner und Wernicke ist es zu verdanken, dass all diese unfassbaren Äußerungen der Verschwommenheit nur undeutlicher Erinnerungen entrissen wurden. Die beiden Autoren haben ein „Worst of Corona-Mainstream“ vorgelegt, das es in sich hat, ein wertvolles Dokument der ethischen und intellektuellen Verwahrlosung, die in diesem „zivilisierten“ Land Einzug halten konnte. Wernicke und Klöckner berufen sich mit ihrem Buch auf die mittlerweile ziemlich bekannte Webseite „ich-habe-mitgemacht.de“. An dieser werde „das Ausmaß der autoritären Entgleisung in unserer Gesellschaft sichtbar“. Auf der Seite heißt es:

„Da die Täter von heute ab morgen jegliche Beteiligung abstreiten werden, gilt es Beweisstücke zu sammeln, um den einen oder anderen Zivilisationsbruch der Vergessenheit zu entreißen.“

Einzelne brutale Äußerungen diverser Würdenträger über Ungeimpfte und „Querdenker“ wurden in den freien Medien vielfach analysiert und wortmächtig angegriffen. Nie aber hat es eine so umfangreiche und annähernd vollständige Sammlung in Schriftform gegeben wie Klöckners und Wernickes Werk.

Man kann das Buch auch auszugsweise lesen, indem man einfach die schwarz markierten Originalzitate der Corona-Linientreuen überfliegt. Schon dies kann Übelkeit erregen und vermittelt einen ersten Eindruck vom Ausmaß der „geistig-moralischen Wende“ — wie es Helmut Kohl ausgedrückt hatte —, die wir erlebt haben. In diesem Fall einer Wende zum Schlimmen und immer noch Schlimmeren.

Wer nur die Zeit für ein einziges Corona-Buch hat — mit diesem ist er gut beraten. Es gibt einen guten Überblick, gegliedert in bestimmte Tätergruppen wie Politiker, Journalisten, Justiz und „Eliten“. Die zweite Hälfte der Veröffentlichung widmet sich ganz der Analyse von Einzelzitaten, deren Tragweite mit Blick auf die Erosion von Demokratie und Menschlichkeit deutlich wird.

Das Werk gibt eine erste Rückschau auf das Geschehen, während frühere „Corona-Literatur“ meist noch in der Mitte des Kampfgetümmels entstanden ist. So krude die darin aufgeführten Sprüche der Corona-Linientreuen auch sein mögen — wer von Anfang an skeptisch war, kann sich bestätigt und ermutigt fühlen, denn Gegner solch antidemokratischer Pöbler gewesen zu sein, ehrt ihn.

Immer wieder werden Leser bei Diskussionen im privaten Bereich auf abwiegelnde, verharmlosende Ansichten stoßen. Alles sei doch gar nicht so schlimm gewesen, Ungeimpfte inszenierten sich in wehleidiger Weise als Opfer… Klöckners und Wernickes Buch gibt ihnen für solche Debatten gute Argumente in die Hand. Doch, es ist schlimm gewesen — sehr schlimm. Das Werk leistet somit freiheitsliebenden Lesern ebenso einen Dienst wie der Gesellschaft als Ganzes, deren Heilungsprozess ohne eine angemessene Diagnose nicht einmal beginnen, geschweige denn vollendet werden kann.

Verächtlichmachung ist nicht harmlos

Die Zitate der diversen Diffamierer werden nicht einfach nur gesammelt und in den Raum gestellt, sie werden von den beiden Autoren ausführlich und sehr hellsichtig kommentiert. Nehmen wir als Beispiel das titelgebende Zitat des Journalisten Nikolaus Blome auf „Spiegel online“:

„Ich hingegen möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen.“

Ist das nicht eher harmlos? Was ist so schlimm daran, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen? Dazu kommentieren Klöckner und Wernicke:

„Er sagt mit anderen Worten nichts anderes, als dass die Gruppe derjenigen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen will, ein so verachtenswertes Verhalten an den Tag legt, dass man sie an den Pranger stellen sollte. Mit dem Finger auf jemanden zeigen heißt in unserem Sprachverständnis, jemanden bloßzustellen. Wenn ein Mensch auf einen anderen mit dem Finger zeigt, weil dieser aus seiner Sicht etwas getan hat, was moralisch verächtlich ist, dann kann das für den Betroffenen schon sehr schlimm sein.“

Gefährlich wird es vor allem im gesellschaftlichen Kontext:

„Wenn aber ein gesamtes Land einen Menschen oder eine Gruppe bloßstellt, dann hat das nichts mehr mit einem gewöhnlichen zwischenmenschlichen Konflikt zu tun. Man kann es auch anders ausdrücken: Blome stellt die Ungeimpften an den Pranger und fordert im Grunde dazu auf, sie öffentlich verächtlich zu machen und zu demütigen. Mit dieser Forderung aber gibt er einer Eigendynamik eines gesellschaftlichen und individuellen Verhaltens einen Raum, den er gar nicht kontrollieren kann.“

Die Trauma-Täter

Die beiden Autoren des neuen Buchs aus dem Rubikon-Verlag haben noch einen anderen Namen für diese verbal Amok laufenden „Guten“: Sie nennen sie „Trauma-Täter“. Ist dieser Begriff nicht übertrieben? Nein, denn wie der Trauma-Therapeut Franz Ruppert im Vorwort sagt: Man ist nicht erst dann traumatisiert, wenn man Opfer physischer Gewalt, eines Krieges oder einer Flutkatastrophe geworden ist.

„Dies kann auf der psychischen Ebene geschehen durch Lüge, Betrug, Demütigung, Beschämung, Entwürdigung und Erniedrigung.“

Und so wird man die Corona-Jahre wohl im Gedächtnis behalten: als eine Epoche der Entwürdigung und Erniedrigung. Ruppert schreibt über die Mentalität der Täter:

„Es kann sein, dass Trauma-Täter keinerlei Grenzen respektieren, weder rechtliche noch moralische. Daher kommt es, dass Trauma-Täter Dinge tun, die dem gesunden Menschenverstand völlig fremd erscheinen. (…) Falls ihre schlimmen Taten nicht zu verleugnen sind, ist es das Hauptziel von Trauma-Tätern, sich als unschuldig darzustellen. Dazu ist es am besten, die Täter-Opfer-Umkehr zu versuchen, das heißt, sich selbst als das eigentliche Opfer darzustellen, Lügen über die Opfer zu verbreiten, sie zu beschuldigen und zu beschämen.“

Genau das ist mit den Ungeimpften und Corona-Skeptikern in den Jahren 2020 bis 2022 geschehen. Nun ist es wohl unvermeidlich, dass in einer Gesellschaft immer wieder einmal verhaltensauffällige, geistig und ethisch völlig verrohte Personen ihr Haupt erheben. Gefährlich wird es erst dann, wenn das gemeinschaftliche Immunsystem dabei versagt, diese in ihre Schranken zu verweisen. Ruppert schreibt dazu:

„Gelingt es Trauma-Tätern, sich selbst und andere von ihrer Täter-Ideologie zu überzeugen, so können sie sich erlauben, ihre Taten immer weniger zu verschleiern und gänzlich sinn- und ziellos oder flächendeckend Gewalt auszuagieren.“

Ist das schon Totalitarismus?

Klöckner und Wernicke sprechen in diesem Zusammenhang auch von „Menschenjagd“. Einer solchen konnten sich Bürger in den Corona-Jahren schon dann aussetzen, wenn sie sich auf der Straße friedlich für ihre Grundrechte einsetzten — letztlich ja auch für die Rechte derer, die ihr Desinteresse an der Freiheit nicht verhehlten. Dabei war auch die körperliche Unversehrtheit der Oppositionellen in mehrfacher Hinsicht in Gefahr. Nicht nur gab es ein massives Aufflammen von Polizeigewalt, gab es eine Zunahme von Selbstmorden und psychosomatischen Krankheiten; auch die Impfpflicht war für viele Menschen nicht bloß eine Drohung, sie war Realität, es sei denn sie besaßen die Kraft, trotz Strafe in Form von Jobverlust oder gesellschaftlicher Isolation um jeden Preis zu widerstehen. Für viele war der bis Winter 2021/2022 wachsende Impfdruck ein Russisch-Roulette-Spiel mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben.

„Was würde eine Impfpflicht für sie bedeuten? Würden sie sich unter dem Zwang doch impfen lassen und damit das Risiko eingehen, ihre Gesundheit aufgrund der Impfnebenwirkungen zu schädigen?“

Damit müssen wir uns weitergehenden Fragen stellen, die von den meisten „Normalen“ bis heute aus gutem Grund vermieden werden. War und ist das Corona-System, wie es sich in Deutschland gezeigt hat, totalitär? Die Autoren zitieren in diesem Zusammenhang den Philosophen Michael Andrick. Laut Andrick habe die Bundesrepublik Deutschland „im Verlauf der Coronapolitik-Krise (…) ihre Fähigkeit zu punktuell totalitärem Handeln unter Beweis gestellt (…) und die allermeisten Staatsdiener haben bei der Umsetzung fraglose Folgsamkeit demonstriert: Massenweiser Protest in Amtsstuben und an Schulen war nicht zu beobachten.“

Die Faschismus-Frage

Und noch an einen anderen brisanten Begriff wagen sich die Autoren heran — wissend, dass sie sich damit ein Abo auf Entrüstungsstürme einhandeln könnten: „Faschismus“. Sie argumentieren, dass die „Frage nach der ‚Entnazifizierung‘, so verstörend oder abwegig sie auf den einen oder anderen wirken mag, nicht nur gestellt werden darf, sondern gestellt werden muss. Zumindest dann, wenn der Begriff ‚Nazi‘ nicht im engen historischen Sinne als Anhänger des Nationalsozialismus beziehungsweise des Hitlerfaschismus verstanden wird.“

Der Volksmund gebrauche den Begriff „Nazi“ mit gesundem Instinkt oft schon dann, „wenn ein Bürger sich gegenüber seinen Mitmenschen besonders autoritär verhält. Verhaltensweisen wie das Anschwärzen von Nachbarn (oft aufgrund von Geringfügigkeiten), das starre, mitunter auch unmenschliche Umsetzen von Regeln, aber auch eine auf Boshaftigkeit beruhende Ausgrenzung und Abwertung von Menschen waren in der Gesellschaft im Dritten Reich weitverbreitet.“ Sie waren es, wie man hinzufügen muss, auch in den Corona-Jahren.

Wer diese Parallelen nicht sehen kann oder will, beschützt keineswegs die Opfer des historischen Nationalsozialismus vor „Relativierung“ — er lässt die Opfer neuer Unmenschlichkeit durch Leugnung ihres Opferstatus im Stich und fällt denen, die den Anfängen wehren wollen, in den Rücken.

„Der Volksmund, der heutzutage ‚Nazi‘ sagt, hat begriffen, dass es viel zu einfach wäre, den Nazi erst dann als Nazi zu bezeichnen, wenn er mit Uniform und irgendwelchen Symbolen in der Sphäre von Politik und Gesellschaft sein Unwesen treibt und sich der politische Faschismus in alle Ebenen der Gesellschaft bis in die Familie presst. Der politische Faschismus kann — und das verstehen viele nicht — oft gut auf den Alltagsfaschismus des einzelnen Bürgers aufbauen. (…) Der politische Faschismus setzt darauf, dass Werte und Grundhaltungen, die für ihn eine große Hürde sind, von unten abgeräumt werden, wenn die entsprechenden Signale von oben kommen. Es bedarf einiger, die dazu bereit sind (und die gibt es immer), sowie vieler, die wegschauen und rückgratlos alles geschehen lassen.“

Der „Nazi“ in uns allen

In diesem Zusammenhang berufen sich die Autoren auch auf Ron Jones, den US-amerikanischen Lehrer, dessen berühmtes Faschismus-Experiment zum Vorbild für Buch und Film „Die Welle“ geworden ist. Jones sagte in einem Interview:

„Wir denken, dass Faschismus etwas ist, was nur auf Ebene eines Staates existieren kann. (Aber) Faschismus ist etwas, das in deinem Haus, an deinem Arbeitsplatz, in deiner Kirche, deiner Schule, in deiner Redaktion vorkommen kann. Faschismus kann an jedem Ort sein. Und dagegen musst du aufstehen.“

Jones wie auch Klöckner und Wernicke ist es wichtig, „dass verstanden wird, wie aus dem autoritär handelnden Bürger irgendwann vielleicht der ‚Nazi‘ in einem politischen System werden kann. Wer so den Begriff versteht, wer so Faschismus auffasst, der relativiert nicht die Schreckensherrschaft der deutschen Nationalsozialisten im letzten Jahrhundert, sondern dieses Verständnis trägt dazu bei, dass die boshafte Ausgrenzung, Abwertung und Diffamierung von Menschen und Gruppen — egal wie sehr diese Akte von Politik und Medien als ‚gut‘ verkauft werden — rechtzeitig als das erkannt werden, was sie sind: ein faschistischer Akt!“

Man kann es auch so sagen: Die Taten des Corona-Regimes erreichten nicht die gleiche Dimension unfassbarer Grausamkeit wie die Verbrechen der Nazis. Dies lag jedoch nicht unbedingt daran, dass die Mentalität heutiger Deutscher solche Schrecken unbedingt verhindern würde, dass also ihr geschultes demokratisches Gewissen und ihr Mut sie zum rechtzeitigen Aufbegehren getrieben hätten.

Vielmehr kamen wir bis heute relativ glimpflich davon, weil sich die Regierenden bisher nicht dazu entschlossen haben, ihre Macht- und Propagandamittel im vollen Umfang einzusetzen und den „schlafenden Faschisten“ in vielen Bürgern auf diese Weise zu erwecken. Denn es ist in den Jahren 2020 bis 2022 deutlich geworden, dass der Lernerfolg aus dem Geschehen des Dritten Reiches ein erschreckend geringer ist — und dies, obwohl es an Ermahnungen von Lehrern und Politikern, an einschlägigen historischen Filmen und Büchern über die Nazizeit keineswegs gefehlt hat. Die faschistischen Tendenzen mussten nur eine andere Maske aufsetzen — eine betulich-fürsorgliche und menschenfreundliche —, schon wurden sie von den allermeisten Zeitgenossen nicht erkannt.

Es darf nie wieder geschehen!

Schlimmer noch: Der antifaschistische Furor, den sich gerade das linke und grüne Milieu über Jahrzehnte aus überwiegend ehrlichen Motiven heraus angeeignet hatte — er wendete sich jetzt ausschließlich gegen das, was als „bagatellisierende Nazivergleiche“ empfunden wurde, nicht jedoch gegen jene Anfänge, denen zu wehren die Nachkriegsgesellschaft in tausenden pathetischen Jubiläumsreden wieder und wieder gelobt hatte.

Die Folge ist: Die Gesellschaft hat „zumindest in ihrer Gesamtheit nicht das gelernt, was notwendig wäre, um präfaschistoide Tendenzen bereits in ihrem Keim zu erkennen und zu ersticken“, so Klöckner und Wernicke.

„Und wenn sie das nicht gelernt hat, dann hat sie nichts gelernt. Dann spielt es auch keine Rolle, dass weite Teile der Gesellschaft verstanden haben, sich nie mehr unter der NS-Symbolik zu formieren. Das ist zwar gut und richtig, aber um politischen Entwicklungen entgegenzutreten, die Menschen ausgrenzen, braucht es mehr.“

Wir können die jüngere Vergangenheit nicht mehr ungeschehen machen. Was es jetzt braucht, ist vor allem Aufarbeitung.

„Die Pandemiepolitik, samt ihren katastrophalen Fehlentscheidungen, muss aufgebarbeitet werden, genauso die Hetze und Diskriminierung gegenüber Ungeimpften und Maßnahmenkritikern. Parlament, Justiz und Medien sind zentrale Säulen unserer Demokratie. In der Pandemie sind alle Säulen regelrecht zerfallen. Sie haben dem Druck nicht standgehalten. Daher muss alles auf den Tisch. Und zwar so, wie es sich für einen demokratischen Rechtsstaat gebührt! Wir dürfen nie mehr wieder, ob bei einer neuen Pandemie oder was auch immer, in eine Situation kommen, in der ein effektiver Grundrechtsschutz nicht mehr gegeben ist und faschistische Entwicklungen zu erkennen sind.“

Unmenschlichkeit auf Stand-by

Die Autoren sind sich bewusst, dass sie sich mit Nazi-Vergleichen auf dünnem Eis bewegen — jedoch nur deshalb, weil sich in Deutschland eine Entrüstungskultur herausgebildet hat, die inzwischen den Charakter eines argumentativen Schutzwalls um allerlei faschistoide Tendenzen angenommen hat. An Achtsamkeit gegenüber dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte fehlt es Klöckner und Wernicke keineswegs. Sie agieren eher vorsichtig, bleiben aber, wo es darauf ankommt, unbeugsam und konsequent.

„Dass hierbei darauf geachtet werden muss, dass nie mehr Nazis zu einer politischen Kraft werden und nie mehr jüdische Mitbürger angegangen oder verfolgt werden, versteht sich von selbst. Aber verantwortungsbewusst mit der dunklen Geschichte Deutschlands umzugehen heißt, zu erkennen, dass bestimmte Antriebe in Menschen, auch losgelöst von der nationalsozialistischen Ideologie, zu einem Schrecken führen können, der jenem der Nazis nicht unähnlich ist.“

Die Autoren schlagen schon dann Faschismus-Alarm, „wenn eine Gruppe von Menschen in ihrem Sein abgewertet wird. Eine Mischung aus Autoritätsgehabe, Überlegenheitsgefühl, Sadismus, Regelfetischismus, Kompensation der eigenen Unzulänglichkeiten sind unter anderem Treiber, wenn es um die Abwertung von Menschengruppen geht.“

Diese Phänomene gab es im Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit Ungeimpften ohne Zweifel.

Leichter ist es freilich, erst auf Hakenkreuze und Sieg-Heil-Rufe zu warten und sich — solange sich diese nicht zeigen — in einer Heile-Welt-Demokratie zu wähnen. Der Faschismus, so die beiden Autoren, ist weniger eine bestimmte historische Epoche — in diesem Fall hätten wir ihn ja hinter uns und müssten nicht mehr wachsam sein —; der Faschismus ist eine Tendenz, die im Untergrund jeder Gesellschaft schlummert und bei passender Gelegenheit erwachen kann wie ein schlafender Hofhund.

Bestimmte destruktive Kräfte sind quasi immer im Stand-by-Betrieb:

„Da das Autoritäre, das Faschistische durch eine Vielzahl von Faktoren immer in Menschen und Gesellschaften vorhanden ist, dauert es nie lange, bis andere Akteure, die sich ähnlich verhalten, die Bühne betreten. Sobald sich durch das Außen die Gelegenheit bietet, werden sie da sein.“

Die Wahrheit transparent machen

Daher ist die Grundstimmung des Buches „Ich will, dass das ganze Land statt weiterhin Victim Blaming zu betreiben endlich die wirklichen Täter zur Rechenschaft zieht“ auch von Enttäuschung geprägt. Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin und selbst als Corona-Skeptikerin Opfer einer medialen Hetzjagd, schreibt in ihrem Vorwort zum Buch:

„Sind wir nicht das Land von ‚Wehret den Anfängen‘? Haben wir nicht — wie kein anderes Land — eine gut finanzierte Bundeszentrale für politische Bildung? Wurde hierzulande nicht die politische Bildung hochgehalten wie kaum woanders? Man hätte also erwarten können, dass die Kenntnis des Grundgesetzes gleichsam allen deutschen Bürgern in Fleisch und Blut übergegangen ist, so wie Christen das Vaterunser.“

Enttäuschung darf jedoch nicht mit Resignation verwechselt werden. Die Tatsache, dass jetzt über so viele Jahre alles in die falsche Richtung gelaufen ist, ist für uns alle eine Aufforderung zur radikalen Umkehr. Es muss sich noch viel ändern, damit das geschehene Unrecht für alle offenkundig wird, damit Besinnung, Korrektur und Heilung möglich werden. Zu den Grundvoraussetzungen, dass dies geschehen kann, gehören jedoch Dokumente, die die Wahrheit für jedermann erkennbar und öffentlich machen. Es ist das große Verdienst von Marcus Klöckner und Jens Wernicke, dies mit ihrem Buch bewerkstelligt zu haben.

Verdrängung — das schleichende Gift

Oberflächlich betrachtet, scheint der Großteil der Öffentlichkeit noch nicht bereit zu sein für die Reparatur unserer zu Bruch gegangenen Demokratie. Zu groß ist noch das Bedürfnis, bloß keinen Fehler einzugestehen. Ulrike Guérot schreibt in ihrem Vorwort:

„Wie wir als Gesellschaft aus dieser kolossalen Tragödie, in der auf der einen wie auf der anderen Seite unbezifferter Schaden entstanden ist, friedlich und durch Aufarbeitung des vielfachen Leids herausfinden wollen, ist noch nicht ausgemacht. Es scheint noch nicht einmal ein von einer großen Mehrheit getragenes Bedürfnis, geschweige denn Bemühen zu geben, sich dieser Aufgabe stellen zu wollen.“

Verdrängung jedoch ist für die Gesundheit einer demokratischen Gesellschaft vielleicht noch gefährlicher als das, was verdrängt werden soll. So schreibt Guérot:

„Verdrängung aber nistet sich in jedem Körper, auch in einer Gesellschaft ein wie ein Krebsgeschwür. Es ist darum dringend nötig, die Geschehnisse der letzten drei Jahre aufzuarbeiten, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, die Verantwortlichen zu bestrafen, die Ausgegrenzten zu rehabilitieren und die Opfer zu entschädigen. So wurde das bisher bei jedem großem Verbrechen gemacht, und die Corona-Politik war und ist ein großes Verbrechen an der Menschheit und an der Menschlichkeit.“

Sollte dies nicht geschehen, sieht Guérot schwarz oder vielmehr braun:

„In einer Demokratie gehört das aufgeklärt, damit das gesellschaftliche Krebsgeschwür nicht dazu führt, dass die Gesellschaft und die Demokratie von innen zerfressen werden.“

 


 

 

Anzeigen von 2 Kommentaren
  • Hope
    Antworten
    Da hier auch Boris Palmer erwähnt wurde, gerade wieder zum OB mit absoluter Mehrheit für 8 Jahre wiedergewählt wo auch erstmals 16-jährige wählen durften:

    “Lebenslang „Ekel-Haft“ Satanist BORIS PALMER ruft den TOTALEN KRIEG gegen den GIFTVERWEIGERER AUS!”

    https://t.me/wolfganggreulich/4872

    Das Volk hat nichts begriffen.

  • Hope
    Antworten
    Palmer wörtlich:

    „Wenn ich diese Wahl nicht für mich entscheiden kann, ist die politische Figur Boris Palmer am Ende“, zitierte ihn die „Pforzheimer Zeitung“. Dann sei er Privatmensch und werde sich auch in der Partei mit Wortmeldungen zurückhalten. „Dann bin ich Pensionär, habe drei Kinder und setze mich bei schönem Wetter aufs Fahrrad. Ich hatte die vergangenen 20 Jahre sowieso viel zu wenig Zeit für die Familie.“

    https://www.focus.de/politik/deutschland/oberbuergermeisterwahl-am-sonntag-showdown-in-tuebingen-einzelkaempfer-palmer-wills-nochmal-wissen_id_169103279.html

    Anmerkung:

    Palmer:

    „Dann bin ich Pensionär.”

    Ich:

    Mit fünfzig Lebensjahren? Sei froh, dass der untergehende Mittelstand Dich jetzt noch alimentiert.

    Palmer:

    “Ich hatte die vergangenen 20 Jahre sowieso viel zu wenig Zeit für die Familie.“ “

    Ich:

    Dann hast Du jetzt also wieder auch die nächsten 8 Jahre viel zu wenig Zeit für die Familie. Scheiße Boris, gell, wenn man immer wieder an der Macht hängen will.

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