Das kleine Lied eines Mädchens

 In FEATURED, Kultur

Ein russischer Klassiker übt Kritik am Krieg, indem er auf die Schönheit und die Liebe hinweist, die durch diesen verloren gehen. Jetzt kommen die Apfelblüten wieder heraus. Ihre üppige Schönheit im Frühling wirkt wie ein Symbol für das Gefühlsleben junger Liebender. Sie blühen auch in Russland, und ein russischer Dichter hat sie 1938 als Aufhänger für ein sehr bekanntes und beliebtes Lied verwendet: Katjuscha. Wem das nicht auf Anhieb etwas sagt, der wird die traurige und zugleich beschwingte Melodie trotzdem kennen. Wir wissen, dass bald nach diesem Jahr deutsche Truppen in Russland einmarschierten. Wie jeder Krieg, hat auch dieser viele liebende Paare auseinandergerissen. Aus der Perspektive eines allein gelassenen Mädchens thematisiert das Lied ― scheinbar naiv und gerade dadurch zutiefst berührend ― die Liebe, das Schöne, das verloren ging, die bange Hoffnung, den Geliebten, der in den Krieg ziehen musste, wiederzusehen. Ein Text zu der Aktion #Friedensnoten. Jana Pfligersdorffer

 

Es gibt Lieder, die die Schrecken des Krieges thematisieren, die Ungerechtigkeit, dass nie die Menschen in den Krieg ziehen, die als Entscheidungsträger für dieses Leid verantwortlich sind. Es gibt Lieder, die den Tod von Söhnen, Vätern und die Trauer der Mütter beschreiben. Und es gibt: Katjuscha.

Das Lied spricht von Liebe, von der Schönheit der Natur. Von der Sehnsucht, die man empfindet, wenn ein geliebter Mensch unerreichbar ist. Ein junges Mädchen, blühende Apfelbäume, ein Liebesbrief. Und dennoch fühlt man durch die Worte hindurch, dass es eben kein Liebeslied ist. Für mich war es das nie.

Meine Erinnerungen an das Lied und seine Melodie reichen weit in meine Kindheit zurück. Das Lied spricht nicht von Krieg, von Leid. Es thematisiert nicht Tod und Trauer ― im Gegenteil: Es vermittelt auf schon naiv wirkende Weise den Schmerz, den sich liebende Menschen empfinden, wenn sie getrennt sind. Vielleicht hat mich gerade diese Naivität so berührt. Wie einfach wäre es doch, in Frieden zu leben, wenn sich liebende Menschen nicht trennen müssten.

Katjuscha liest inmitten einer blühenden Landschaft einen Brief ihres Geliebten, singt von seiner Liebe, die sie in ihrem Herzen bewahrt. Ihr Lied ist eine Antwort auf seine Zeilen aus der Ferne.

Das russische Lied entstand 1938, kurz bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach und die deutschen Truppen in die Sowjetunion einmarschierten. Ob Katjuscha ihren geliebten Menschen je wiedergesehen hat?


Katjuscha (Leuchtend prangten ringsum Apfelblüten)


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