«Das Leben ist ein Born der Lust»

 In FEATURED, Ludwig Schumann, Politik

Bartträger Nietzsche regte Ludwig Schumann zu seinem Artikel an

Es gibt Hoffnungsvolles zu berichten. Aus Deutschland. Aus den USA. Eine Generation beginnt sich zu wehren. Eine der größten deutschen Wochenzeitungen schreibt über drei sächsische Schülerinnen, die sich für ein Austauschstipendium in die USA im Rahmen des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms (PPP) des Bundestags beworben hatten und nun ausgerechnet den AfD-Parteinik Jens Maier als Pate bekommen sollten. Die Damen schlossen sich zusammen, um gemeinsam Bundestagspräsident Norbert Lammert zu unterrichten, dass sie keinesfalls in dieses Stipendium einwilligen würden, müssten sie dafür Maier als Paten erdulden. Die andere Hoffnung machende Nachricht kommt aus den USA, wo die Schüler aus Parkland ihren Schock in Energie umwandeln und so das ganze Land anstecken. Sie wollen die letzte Generation sein, die in Schulen Angst um ihr Leben haben muss. (Ludwig Schumann)

„Das Leben ist ein Born der Lust, aber wo das Gesindel mittrinkt, da sind alle Brunnen vergiftet.“ Hat Friedrich Nietzsche gesagt. Im 39. Kapitel von „Also sprach Zarathustra“. Und wenige Sätze weiter folgt: „Das heilige Wasser haben sie vergiftet mit ihrer Lüsternheit; und als sie ihre schmutzigen Träume Lust nannten, vergifteten sie auch noch die Worte.“

Wie sich jemand auf der Straße benimmt, ist mir nicht gleichgültig, aber da kann ich über manches wegsehen. Wie sich jemand an der Spitze einer Partei gebärdet, die nicht im Landtag oder Bundestag sitzt, ist mir nicht gleichgültig, aber auch nicht mein Problem. Mein Problem wird es, wenn der Haushaltsausschussvorsitzende von der gewählten Kanzlerin als „Merkelnutte“ spricht, weil das nicht nur unanständig gegenüber der Kanzlerin, sondern auch herabwürdigend gegenüber den Wählern ist. Das ist nicht einfach eine Entgleisung, über die man die Schulter zucken kann und es wäre eine missverstandene Redefreiheit, wenn ein Abgeordneter in solcher Weise reden darf. „Sie vergiften auch die Worte“.

Der Ersatzhöcke aus Nöbeditz ist da nicht besser. Wer die türkische Gemeinde in dieser Art und Weise beschimpft, hat keine Kinderstube. Hätte ich das zu Hause gesagt, hätte ich von meiner Mutter links und rechts eine hinter die Ohren bekommen, zu Recht. Wer aber wie Herr Poggenburg Landtagsabgeordneter ist, von dem erwarte ich, ist er in der Opposition, eine scharfe, aber sachgerechte Opposition. Das ist seine Aufgabe. Da tut er sich nicht hervor. Wer nichts zu sagen hat, drischt auf die ein, die er unter sich fühlt. Meine Mutter hätte mir die nächste gescheuert. Aber keine Angst, soviel Schläge waren bei meiner Erziehung nicht nötig. Ich vermochte nachzudenken. Was mich aber wirklich irritiert ist, dass einem solchen Manne, der sichtbar nicht gesegnet ist mit Geistesgröße, in solcher Zahl promovierte und verbeamtete Menschen nachlaufen und sich ganz offenbar nicht schämen. Nun, meine Herrschaften, da die braune Brut in dieser angeblichen Bürgerpartei immer sichtbarer wird, gibt es keine Ausreden mehr. Promovierte und verbeamtete Leute, die diesem Ersatzhöcke nachrennen, sind nichts anderes als promoviertes und verbeamtetes Gesindel. Davor schützt auch keine Wahl in den Landtag. Wer die Worte vergiftet, wer sich also wie Gesindel benimmt, darf sich nicht beschweren, so auch genannt zu werden. Beschweren Sie sich bei Friedrich Nietzsche. Naumburger seines Zeichens.

Aber er sprach ja auch vom Born der Lust, meine lieben Leser. Dem würde ich mich jetzt gern widmen: Es gibt Hoffnungsvolles zu berichten. Aus Deutschland. Aus den USA. Eine Generation beginnt sich zu wehren. Und was kaum glaublich ist: Die ZEIT widmet dem richtig Platz! Eine der größten deutschen Wochenzeitungen schreibt über drei sächsische Schülerinnen, die sich für ein Austauschstipendium in die USA im Rahmen des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms (PPP) des Bundestags beworben hatten und nun ausgerechnet den AfD-Parteinik Jens Maier als Pate bekommen sollten. Sie wissen, der zum völkischen Flügel der AfD zählende Jurist (s.o.), der zuletzt dadurch auffiel, dass er Noah Becker als „Halbneger“ bezeichnete (ebenfalls s.o.), und, schlimmer noch, Sympathien für den Massenmörder Andreas Breyvik äußerte. (Bleibt die Frage: Wieso darf sich so jemand noch offiziell Jurist nennen?)

Die Damen, eigentlich ja Konkurrentinnen, denn nur eine dürfte fahren, schlossen sich zusammen, um gemeinsam Bundestagspräsident Norbert Lammert und die Fraktionen der demokratischen Parteien zu unterrichten, dass sie keinesfalls in dieses Stipendium einwilligen würden, müssten sie dafür Maier als Paten erdulden. Ihr Mut fand Anerkennung. Jetzt dürfen alle drei fahren, eine über das PPP finanziert, die anderen über andere Mittel und Spenden. Ende gut, alles gut? Nein, die Dresdner Junge Alternative veröffentlichte Fotos und Namen der drei jungen Damen und ihre Mühe wurde auch „belohnt“: Auf der Facebook-Seite der Jungen Alternativen Dresden erschienen die erwarteten Bekundungen: „Merkt sie euch!“. Nein, Mut wird nicht honoriert bei diesem Gesindel, da wird, wie einst auch, bedroht. Was denn sonst. Wer keine Argumente hat, muss drohen. Aber meine Hoffnung wächst: Die Enkelgeneration wird aufstehen. Sie wird den Wert der Demokratie wieder zu schätzen wissen. Das ist die gute Nachricht.

Die andere Hoffnung machende Nachricht kommt aus den USA, wo die Schüler aus Parkland ihren Schock in Energie umwandeln und so das ganze Land anstecken. Sie wollen die letzte Generation sein, die in Schulen Angst um ihr Leben haben muss. Der siebzehnjährige David erzählt CNN: „Wir müssen das Thema angehen. Das ist die 18. Schießerei in einer Schule in diesem Jahr und es ist erst Februar. Das zeigt, wie übel die Lage im Land ist und wieviel es zu tun gibt.“ (zitiert nach tagesschau.de). Die Kampagne hat ein Gesicht, das der Schülerin Emma Gonzales, die in einer bewegenden Rede nicht zuletzt auch Präsident Trump ob seiner Verflochtenheit mit der Waffenindustrie anklagte, indem sie offen legte, welche Summen der Präsident von dieser Industrie für seinen Wahlkampf erhielt. Es sieht nach einer landesweiten Kampagne aus. Die Schüler gehen nicht zur Tagesordnung über.

Eine Schülerin erklärte im Fernsehen, dass sie, die Kinder, eigentlich  nicht dazu da sind, die Arbeit der Erwachsenen zu machen. Da diese aber ihrer Arbeit nicht nachkämen, müssten sie jetzt das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Washingtoner Schüler legten sich vor das Weiße Haus, um zu dokumentieren, dass man mit den Waffengesetzen ihren Tod in Kauf nähme. Es gärt im Lande. Man darf auf den März gespannt sein, wenn der Marsch der Schüler das Weiße Haus erreichen soll. George Clooney und dessen Frau Amal spendeten 500 000 Dollar für die Organisation des Marsches gegen die laschen Waffengesetze am 24. März. Inzwischen zogen weitere Spende nach, nicht zuletzt auch Oprah Winfrey und Steven Spielberg und Frau, gleichfalls je mit einer halben Million US-Dollar. Ebenso wichtig freilich ist die moralische Unterstützung.

Die Schüler, die ins Parlament des Bundesstaats Florida fuhren, um hier der Abstimmung beizuwohnen, erlebten freilich einen herben Rückschlag. 71 Stimmen für die Beibehaltung der bisherigen Waffengesetze – trotz der Parkland-Ereignisse – ließen die Schüler in Tränen ausbrechen. Aber, und das ist neu, sie gingen nicht aus dem Parlament, um sich zu ergeben. Jetzt erst recht, war die Kraftformel, die sie aus diesem Erleben mitnahmen. Was für ein Traum: Ist es die Enkelgeneration, die den Aufstand schafft, auf den so viele hoffen? Der Präsident reagiert jetzt schon nicht sehr souverän. Was er anbietet, wird den Schülern nicht reichen. Eine bessere Überprüfung bei Waffenverkäufern, das erkennen auch die Schüler, ist billige Rhetorik. Die Reaktionen des Präsidenten überhaupt seit dem Vorfall sind nicht nur peinlich, sie werden auch so empfunden.

Wie sagte doch Friedrich Nietzsche? „Das Leben ist ein Born der Lust, aber wo das Gesindel mittrinkt, da sind alle Brunnen vergiftet.“ Es ist immer wieder spannend, was für ein moderner Denker dieser Mann immer noch ist. Ich will gern noch diesen Satz von ihm zitieren, der mich gleichermaßen beeindruckt: „Wie viel Verlogenheit und Sumpf gehört dazu, um im heutigen Misch-Masch-Europa Rassenfragen aufzuwerfen.“ Da Frau Weidel nicht anerkennen mag, dass Denis Yücel Deutscher sei, sei ihr Nietzsche zur Lektüre empfohlen. Das kommt von den Vätern. Im übrigen sage ich, dass eine Partei, die demokratisch gewählt ist, damit noch keinen Ausweis auf demokratische Inhalte hat.

Halten Sie die Hoffnung hoch!

 

 

 

 

 

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