Der Abkanzler
Offener apostolischer Brief an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz, aus Anlass seiner gotteslästerlichen Reden auf dem Münchner Marienplatz im Monat August des Jahres 2023. Was war nur in Olaf Scholz gefahren? Der sonst betont nüchterne Mann bediente sich des Vokabulars eines Glaubenseiferers und religiösen Fundamentalisten: „Gefallene Engel aus der Hölle“ – diese Worte machten die Runde. Wer war damit gemeint? Nicht etwa jene, die das Töten – oder die Beihilfe dazu mittels Waffenlieferungen – zur Staatsräson erklärt haben und damit aller Werte des immer noch so genannten christlichen Abendlandes Hohn sprachen; nein, solcher teuflischen Umtriebe wurden ausgerechnet Pazifisten verdächtigt, Menschen, die mit Abbildungen von Friedenstauben auf dem Platz standen. Jene also, die die Friedensbotschaft Jesu wahrscheinlich am treuesten in die Tat umzusetzen versuchten. Die Rede von Kanzler Scholz ist der Gipfelpunkt geschmackloser Entwürdigungsrhetorik, die immer von oben herab erfolgt und leider seit der Corona-Krise gerade in etablierten Kreisen um sich gegriffen hat. Eigentlich wird damit zugleich auch die Religion beleidigt, aus deren Vokabular sich der Bundeskanzler bedient. Ein Sturm der Entrüstung hätte sich vonseiten der Kirchen und aller religiösen Menschen erheben müssen. Wieder aber schweigen die Lämmerhirten. Zwei emeritierte evangelische Pfarrer wollten das nicht auf sich beruhen lassen und schrieben einen offenen Brief an Olaf Scholz. Jürgen Fliege, Hanns-Martin Hager
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
Ihre gotteslästerlichen Worte vom Marienplatz einfach zu ignorieren, wird niemandem gerecht und schadet unserem Volk.
Darum:
Wir sind zwei Pfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland, die ein paar Tage gewartet und gehofft haben, dass Sie für ihre gotteslästerlichen Worte vom München Marienplatz von unseren Kirchenführern zur Ordnung gerufen und ermahnt werden würden. Denn Jesu Anhängerschar als „gefallene Engel aus der Hölle“ zu brandmarken geht gar nicht und überschreitet jede Grenze üblicher rhetorischer Herabwürdigung. War Ihnen das bewusst? Oder war Ihr relativierendes kleines „vielleicht“ Ausdruck Ihres schlechten Gewissens – oder ein juristisches Mauseloch? Sei’s drum!
Bis heute ist uns ein solch ordnendes und klärendes Wort der Kirchenleitungen in unserem Land – ganz egal, ob katholisch oder evangelisch – leider nicht zu Ohren gekommen. Die Lämmerhirten schweigen einmal mehr, wo sie doch reden müssten. Sie ducken sich wieder einmal weg, wo sie doch aufrecht stehen müssten. Oder stimmt, wer schweigt, gar zu?
Das alles ficht uns nicht an.
Und so fühlen wir, die wir aus Berufung und gebunden an unser Ordinationsversprechen Schüler und Jünger Jesu sind, uns verpflichtet, Sie nun zur Ordnung zu rufen.
Lassen Sie in Ihrem Furor den feindesliebenden Gott Gott sein!
Lassen Sie seine himmlischen Engel wie die irdischen Boten Boten sein, die uns Frieden auf Erden verkünden!
Und lassen Sie die Hölle Hölle sein! Was immer man sich darunter vorstellen mag.
Wir können nicht wortlos zuschauen, wenn Sie in ihrem Amt und in Ihrer Machtfülle nach all denen treten, die sich in ihrer Friedens- und Feindesliebe ausdrücklich auf den Zimmermann aus Nazareth berufen. Sie verunglimpfen unsere Schwestern und Brüder, verachten sie und setzen sie dem Gespött der Menge aus. „Gefallene Engel aus der Hölle!“
Ihre Worte bilden den Höhepunkt aller aktuellen propagandistischen Umwertung unserer traditionellen Werte und Wertvorstellungen: „Frieden schaffen“ heißt nun „Krieg führen“. Und „Mehr Krieg und mehr Waffen“ heißt nun „Frieden schaffen“! Das ertragen wir nicht.
Wir haben in den vergangenen drei Jahren gelernt, dass Denunziantentum für Solidarität stand und auch stehen sollte. Und dass Kontaktverbot für Nächstenliebe steht und dass der Mensch krank ist, der gesund ist, weil er des Arztes nicht bedarf. Der politische Sturm, der mit Lust alles umwirft und umwertet und richtet, erfasst alle und alles. Und die Lust zu lieben verfliegt.
Denn die Menschen, die von Jesus geleitet und begleitet durch ihr Leben gehen, sind nach München gekommen, um Ihnen nicht unwidersprochen das letzte und lauteste Wort zu überlassen. Diese von Ihnen sogenannten „gefallenen Engel aus der Hölle“ stehen nach unserer christlichen Überzeugung in einer Wolke von gleichgesinnten Zeugen für eine ewige Bewegung auf Erden, die Frieden ohne Waffen schaffen will. Sie standen also dort am Marienplatz in München an Jesu statt. Und diese Botschafter Jesu und somit auch Jesus selbst werden von Ihnen als gefallene Engel der Hölle zugeordnet. Merken Sie jetzt, dass das zu weit geht, dass das nicht in Ordnung war und ist? Das mag für andere Menschen religiöses Feuilleton sein. Wir aber halten den Atem an.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, auch die Mitbürger, die sich weniger auf Jesus Christus berufen, denn auf unsere Verfassung und von dort her den Kriegsdienst in all seinen Ausprägungen verweigern, sind keine gefallene Engel aus der Hölle. Sie, Herr Bundeskanzler, haben bei Ihrer Vereidigung geschworen, auch deren Würde zu verteidigen. Nun brechen Sie Ihren eigenen Schwur.
Wenn Ihnen unser Glaube auch nicht heilig ist, dann ist es die Würde der staatsbürgerlichen Pazifisten ebenso wenig. Ist Ihnen überhaupt etwas heilig, wenn alle diese Glaubenszeugen und Mitbürger der Hölle zugeordnet werden? Es ist dies wohl ein neuer Ausdruck eines politischen Denkens und Redens, das einmal propagierte, dass „Pazifisten Auschwitz erst möglich machten“.
Wir akzeptieren, dass Sie, wie viele Millionen anderer Menschen in unserem Land, nicht mehr zu den Seelen unserer Kirchen gezählt werden wollen. Und wir schämen uns auch, dass es uns Gottsuchern in all den letzten Jahrzehnten nicht gelungen ist, das Seelenheil, den Trost im Leben und im Sterben, den Trost der Liebe, die von den Wurzeln des Lebens her strömt, in unseren Herzen fest zu verankern. Ja, das ist wahr und schmerzt! Es führt uns in die Stille, macht uns aber nicht stumm.
Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates haben die Präambel unseres Grundgesetzes voller Weisheit und Lebenserfahrung eingeleitet mit den Worten: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen …“
Es macht es uns auch nicht leichter, dass Sie weiland aus Anlass ihrer Vereidigung als Bundeskanzler unserer Republik entschieden auf die Hilfe dieses Gottes meinten verzichten zu können. Wir haben nicht geahnt, wohin Sie das führt.
In der Wolke der Friedenszeugen allüberall in unserem Land stehen wir beide aktuell Seite an Seite mit den Brüdern und Schwestern wie Eugen Drewermann, und ebenso Antje Vollmer seligen Angedenkens. Sind das auch Ihre gefallenen Engel? Wir stehen auf den Schultern von Martin Niemöller und Albert Schweitzer, weltweit von Martin Luther King wie von Janusz Korczak und Mutter Teresa, den Quäkern und vielen anderen mutigen Christen und Gemeinden.
Wir sind also nicht allein. Und wir fühlen uns in unserem Widerspruch gegen Ihre arrogante und verunglimpfende Rhetorik geborgen in der Liebe Gottes.
Feldafing – Oberammergau, den 30. August 2023
Jürgen Fliege, Pfarrer i.R.
Hanns-Martin Hager, Pfarrer i.R.
Danke für diesen Brief!
Ja, in der Liebe und im Glauben an Gott und Jesus Christus sind wir geborgen, und gerettet – aber
@ Mutter Teresa? Auf deren Schultern stehe ich nicht, ganz sicher nicht, und bei den Quäkern bin ich mir auch nicht so sicher.—
https://www.welt.de/vermischtes/article114200253/Die-dunkle-Seite-von-Mutter-Teresa.html
John Bogle, Gründer des Vermögensverwalters Vanguard (Summe des verwalteten Vermögens 7,2 Billionen USD) war bekanntlich auch Quäker, hier spricht er über Werte des Quäkertums, die ihn leiteten. Man beachte auch die Reaktionen aus dem Publikum, möglicherweise spricht das Ganze ja für sich selbst
https://www.youtube.com/watch?v=Bg12PVgxKOw