Der Chor tritt hervor, das Volk betritt die Bühne

 In Poesie
Griechisches Theater nach einer Zeichung von 1891

Griechisches Theater nach einer Zeichung von 1891

Einmal eine ganz andere Form, sich der aktuellen “griechischen Tragödie” anzunehmen – und eine äußerst kunstvolle sogar. Der Dichter hält das Versmaß des Septenars (sieben Betonungen) exakt durch und baut überdies noch eine Menge Binnenreime (“länger – bänger”) ein. Auch inhaltlich ist das Gedicht sehr gehaltvoll. Wolfgang Blaschka, geb. 1957, ist Grafiker, Autor und Filmemacher aus München.

Das griechische Drama, es wächst immer länger und dräut immer bänger empor,
wo Menschen voll Klagen die Armut zu tragen sich plagen wie selten zuvor.
Die wollen nicht zagen und wagen zu fragen: Europa, was bist du! Ein Tor?!
Verschlossen, verdrossen? Das muss dir nun sagen der griechisch-tragödische Chor:

Europa, du schmückst dich mit goldenen Lorbeer’n, so falsch und verlogen wie nie.
Du tust so, als seist du der Hort allen Friedens und wohl auch der Demokratie.
Doch wollen die Opfer der Austeritäts-Politik selbst entscheiden, ist die
dann nicht mehr gefragt, und das Troika-Diktat bleibt die einzige Philosophie.

So stehst du nun da und entkleidest dich offen als nackte Finanzdiktatur.
Der Schäuble verhärmt und erwärmt sich am Geldsack und schaltet rhetorisch auf stur.
Lagarde lächelt eisig, zu kurz ihre Weitsicht, besteht auf die ganz harte Tour,
verliert Milliarden. Verlust einzusargen, ein Pyrrhus-Sieg ihrer Natur!

Die Rosskur zum Sparen verfing nicht seit Jahren. Das war allen klar, traurig wahr.
Doch wollten die Institutionen sich schonen, und taten, als ob da nichts war.
Dabei war den Griechen längst über das Siechen, sie stellten im Januar klar:
Kein Weiter-so darf es mit Syriza geben, zu groß wär’ die Todesgefahr.

In Brüssel und anderen mächtigen Städten begann nun ein Poker-Roulette,
wieviel sie zum Retten der Banken noch hätten, als ob Hellas davon was hätt’!
Es ging nach den üblichen ehernen Regeln, dem Sparkurs der Austerität;
man wollte es zeigen den griechischen Flegeln, was ausschließlich aufhelfen tät’.

Mit Experimenten wie Kürzung der Renten zum Abbau der staatlichen Schuld
verliert man Gesundheitsversorgung und Leben und schließlich die letzte Geduld.
Die Gläubiger blieben verhärtet und trieben ihr Spiel so als wär’s eine Huld,
mit Tsipras zu reden um Tod oder Leben, dann schlugen sie heftig aufs Pult.

Die achtzehn Minister erklärten: Nun ist er zerbrochen, der tönerne Krug,
nun sei es mit übler Erpressung vorüber, der Worte darüber genug.
Selbst diese so fiese wie falsche Devise war letztlich noch mehr als Betrug,
ihr Vorschlag samt ihrer Finanz-Expertise so klug wie bisher dieser Spuk.

Nun sprechen die Griechen. In Spanien kann siegen Podemos, dann kommt frischer Wind.
Europa, was willst du in Zukunft wohl kriegen, wenn Völker nicht willfährig sind?
Die Zuchtrute schwingen, ein Sterbelied singen, bestrafen und zwingen das Kind?!
Die Länder verändern an südlichen Rändern dein hässliches Antlitz geschwind.

Die sparsamen Schweinchen, sie zählen die Scheinchen. Das griechiche Volk sagte Nein.
Der Schäuble verbittert und Merkel erzittert: Das ist demokratisch gemein!
Für Christdemokraten scheint alles missraten, Europa was andres zu sein
als ihre Union. Sie bedauern fast schon ihren Zuspruch zu griechischem Wein.

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