Der große Beutezug
Chinas stille Armee erobert den Westen Das Buch mit dem oben genannten Titel ist ausgesprochen informativ und äußerst lesenswert. Es enthält von Anfang bis Ende spannende Daten und Fakten über Chinas wirtschaftliche Aktivitäten in der Welt. Hier können nur einige Bereiche angerissen werden, um dem Leser das Ausmaß der chinesischen Aktivitäten ins Bewusstsein zu bringen. Die zwei Journalisten Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araújo bereisten auf eigene Kosten 25 Länder in zwei Jahren und begaben sich auf die Spuren chinesischer Investoren. Ihre Recherchen sind aufschlussreich und schockierend zugleich. Während Europa und USA ihr Augenmerk auf Russland richten, erobert China im Stillen mit großen Schritten die Welt, um seinen unbändigen Rohstoffhunger zu befriedigen. (Christine Wicht)
Der asiatische Riese verfügt über gigantische Geldmengen, investiert in sämtliche Wirtschaftsbereiche und übt somit zunehmend weltweit Einfluss auf Wirtschaft und Politik aus. Dieser Erfolg wäre nicht möglich ohne ein Konglomerat aus Schmuggel und Korruption, flankiert von gewissenlosen Diktatoren und deren Elite. Chinas globaler Beutezug ist gepflastert von ausgebeuteten Arbeitskräften, zerstörter Umwelt und Menschenrechtsverletzungen. Die Autoren warnen eingehend vor dem Einfall chinesischer Firmen in der Welt, denn was kurzfristig rentabel sei, werde langfristig zur Bedrohung.
China gibt vor, in den Ländern, in welche es investiert, sich nicht in die Politik einzumischen. Das ist, wie beim Lesen des Buches deutlich wird, nur vorgeschoben. Chinesische Firmen interessieren sich weder für Umweltstandards noch für geltende Arbeitnehmerrechte oder für andere Kulturen. China reproduziert praktisch seinen gewohnten Umgang mit Arbeitskräften und Umwelt in die Welt. Die chinesische Diaspora und die Migrationsbewegung, die in China stattfinden, hängen zusammen, da Chinesen, die im Ausland arbeiten, durch ein weitreichendes Netz verknüpft sind. Wo immer ein Chinese ein Geschäft gründen möchte, wird er aufgrund ethnischer Zugehörigkeit oder familiärer Bindungen einen Landsmann finden, der bereit ist, ihm Geld zu leihen und der bei der Beschaffung von Visa und Arbeitserlaubnis behilflich ist (S. 56). Chinesische Unternehmen importieren ihre Belegschaft aus einer Region. Wenn alle Arbeiter auf einer Baustelle aus der derselben Stadt oder demselben Dorf stammen, lassen sie sich leichter kontrollieren, sie verstoßen nicht gegen Gesetze und lehnen sich nicht gegen Vorgesetzte auf. Kein Chinese möchte, dass seine Familie zuhause sein Gesicht verliert. Dies erinnere, so die Autoren, an die Zeit Maos, als Millionen Chinesen in Arbeitslager geschickt wurden und gezwungen waren, ihre Kollegen zu überwachen als auch sich selbst überwachen zu lassen (S. 40).
Europa
Chinesische Investoren haben zwischen den Jahren 2010 und 2012 einen Großteil ihrer Geldanlagen in Bordeaux-Anbaugebiete getätigt und etliche Schlösser und Weingüter erworben. In der Toskana produzieren chinesische Unternehmen unter dem Label „made in Italy“ Haute Couture. Die chinesische Staatsreederei COSCO hat im Jahr 2009 für 30 Jahre den Hafen von Piräus übernommen. Ein chinesischer Staatsfond hat 8,68% der britischen Wasserwerke ThamesWater, 10% des Londoner Flughafens Heathrow und 7% des französischen Unternehmens für Satellitenkommunikation, Eutelsat, erworben (S. 12/13). Die Expansion Chinas erstreckt sich bis nach Deutschland. 2011 wurde China in Deutschland zahlenmäßig zum führenden ausländischen Investor und überbot nach Angaben der Germany Trade andInvest (GTAI) mit 158 Investitionen zum ersten Mal die Vereinigten Staaten mit 110 Investitionen. 2012 übernahm der chinesische Investor Sany den deutschen Betonpumpenhersteller Putzmeister. Im Jahr 2012 investierte der chinesische Investor Weichai Power 730 Millionen Euro in den deutschen Hersteller von Gabelstaplern, Lagertechnikgeräten und Flurförderzeugen KION AG und übernahm damit 25% des Unternehmens. Für China wird Deutschland zur Goldgrube, in der es sich in den Bereichen bedienen kann, in denen deutsche Firmen weltweit führend sind: Technologie, Know-how und Markenprodukte (die sie selbst nicht produzieren (S. 14). Die Autoren sind der Ansicht, dass nur Technologie, Know-how und Investitionen die einzigen Waffen sind, die es westlichen Unternehmen ermöglichen, sich dem Aufstieg Asiens entgegenzustellen.
Westliche Firmen versuchen eine Gratwanderung, weil sie auf der einen Seite von chinesischen Absatzmärkten profitieren wollen und andererseits darum kämpfen, sich ihren durch Forschung und Entwicklung erarbeiteten Marktvorteil erhalten und gleichzeitig auf dem lukrativen chinesischen Markt Gewinne einfahren zu wollen (S. 15). Barak Obama hatte 2009 China die Schaffung einer G2 vorgeschlagen, einer Washington-Peking-Achse, die die Führung in weltpolitischen Fragen übernehmen sollte. Peking hatte abgelehnt. Warum sollte Peking eine Allianz mit den USA eingehen, wenn die weltweite Führung bereits in seiner Reichweite war (S. 21)? Die Autoren sehen es bereits als Realität an, dass die millionenschweren Investitionen mit langfristigen Lieferverträgen für Rohstoffe und dem Erwerb von Anlagewerten rundum den Erdball ein Beweis für die Eroberung Chinas sind (S. 21). Der Gigant China kauft Staatspapiere auf, zieht eine neue Infrastruktur in Osteuropa hoch, erwirbt Mehrheitsbeteiligungen an strategischen Wirtschaftsgütern wie Häfen, Energiewerten und Energieunternehmen, übernimmt deutsche Technologieunternehmen und rettet westliche Marken vor dem Zusammenbruch. Zwischen 2005 und 2012 investierten chinesische Unternehmen 460 Milliarden Dollar weltweit, davon wurden 340 Milliarden (74% des Gesamtbetrags) in Entwicklungsländern ausgegeben (S. 23). Die Autoren sehen dies als langsame aber stetige Eroberung, die unser aller Leben verändern wird und die höchstwahrscheinlich bereits die Grundlage für eine neue Weltordnung des 21. Jahrhunderts schafft: Eine Welt unter Chinas Führung (S. 23).
China verfügt praktisch über ein unerschöpfliches Reservoir an Arbeitskräften und an Kapital. Die praktisch unbegrenzten finanziellen Mittel Chinas stammen von der staatlichen China Exim Bank und der China Development Bank (CDB). Mit Darlehen dieser Banken können staatseigene Betriebe strategische Anlagewerte erwerben, langfristige Lieferabkommen abschließen und Projekte zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen entwickeln. Und chinesische Baufirmen können aufgrund dieser Finanzmittel bei internationalen Projekten auf dem Markt mitbieten (S. 24). Die China Exim Bank und die CDB finanzieren sich durch Anleihen, die chinesische Handelsbanken ausgeben. Diese sind durch Einlagen von 1,3 Milliarden Sparern in China gedeckt. Die Chinesen sparen über 40 Prozent ihrer Einkünfte, weil China kein Wohlfahrtstaat ist und die Menschen sich selber vorsorgen müssen. Das Land hat die höchste Sparquote der Welt. Zudem sind Investitionen im Inland begrenzt und aufgrund strenger Kontrollen können chinesische Sparer ihr Geld nicht im Ausland anlegen (S. 25). Der chinesische Markt verfügt auf diese Weise über gigantische Geldmengen, die er im Ausland investiert. Peking überholte die Weltbank als Geldgeber mit Krediten über 110 Milliarden Dollar, allein im Zeitraum von 2009 bis 2010. Das Triumvirat aus Parteistaat, Banken und staatseigenen Betrieben hält die nötige Munition für den totalen Sieg über die Konkurrenten in der Hand, das haben die Autoren in den Ländern erfahren, die sie bereist haben, beispielsweise in Ägypten. Chinesische Unternehmer kaufen Seide, Wolle, Polyester in Kanton und verschiffen die Rohstoffe nach Libyen, das eine Zollvereinbarung mit Ägypten hat. Auf diesem Wege werden die Stoffe mit geringen Zöllen belegt, die dann nach Ägypten eingeführt und in illegalen Werkstätten verarbeitet werden. Die korrupte ägyptische Polizei toleriert gegen Schmiergelder die illegalen Werkstätten. Die Kleidung wird von ägyptischen Schneidern in chinesischen Werkstätten gefertigt, da ihre Arbeitskraft günstiger ist. Die Kleidungsstücke werden dann von chinesischen Wanderarbeitern an den Haustüren in Ägypten verkauft. So erfolgt der Vertrieb direkt und die arabische Konkurrenz wird ausgeschaltet.
Asien
Auch in Zentral- und Vorderasien sind chinesische Firmen aktiv. Experten schätzen die Menge chinesischer Produkte, die die Märkte in Kasachstan überschwemmen auf 70 bis 80 Prozent. Es handelt sich dabei um Lebensmittel, aber auch Maschinen, Baumaterial und Elektrogeräte (S. 73). Die Invasion chinesischer Produkte hat Kasachstan in die Knie gezwungen. Heute wird die Mehrheit der Produkte, die in Kasachstan verkauft wird, in chinesischen Fabriken hergestellt (S. 74). Die gesamte kasachische Wirtschaft basiert auf der Förderung von Erdöl, dem Verkauf des Erdöls gegen Dollar und dem Kauf billiger chinesischer Produkte mit diesen Öl-Dollars. Chinas unstillbarer Durst nach Öl und Gas haben den Bürokraten und der herrschenden Elite in Turkmenistan, die den Staat führen wie ein feudales Königreich, Reichtum beschert (S. 138). China hat eine Gaspipeline von 7000 km Länge gebaut und finanziert, um die chinesischen Provinzen Kanton und Schanghai mit turkmenischem Gas zu versorgen (S. 140). Während sich die Elite an den Geschäften schamlos bereichert, steigt die Armut im Volk auf erschreckende Weise, ohne staatliche Subventionen in Gas, Wasser, Strom und Renten würden die Bürger Turkmenistans in Armut versinken.
Der Iran ist wegen des Embargos auf Waren aus China angewiesen. Indirekt bestätigt der Handelskammerpräsident, dass Iran einen Teil seines Handels über ein drittes Land abwickelt (S. 78). Ein Besuch der Autoren in der iranischen Hafenstadt Bandar Abbas am Persischen Golf bestätigt dies.
China ist der größte Handelspartner des Iran, das jährliche Handelsvolumen beträgt ca. 36 Milliarden Dollar, den offiziellen Handel und den inoffiziellen Handel, der über Dubai läuft, mitgerechnet. Unter dem Druck der Vereinigten Staaten mussten die Ölkonzerne Eni, Total, Repsol, Shell, BP und weitere ihr Geschäft im Iran zurückfahren, um ihre Position auf dem amerikanischen Markt nicht zu gefährden. Die chinesischen Firmen sind seitdem ein wichtiger Akteur im Iran geworden. Die Öl- und Gasexporte machen 27 Prozent des iranischen Bruttoinlandsprodukts aus. Aufgrund der chinesischen Investitionen kann der Iran seine Rohölproduktion aufrechterhalten und ist weiterhin einer von Chinas größten Öllieferanten (S. 155). Der chinesische Handel mit dem Iran läuft, wie bereits erwähnt, über Dubai, über den persischen Golf. In Dubai sind 4000 chinesische Unternehmen registriert. Der in Dubai ansässige Dragon Mart ist mit 150 000 Quadratmetern und 1,2 Kilometern Länge der größte Markt für chinesische Waren außerhalb Chinas (S. 85). Er ist Eigentum der Regierung von Dubai, 2000 chinesische Firmen und 6000 chinesische Arbeiter teilen sich die Einkünfte des Vertriebszentrums, von welchem die chinesischen Produkte in den Iran, Irak, Oman, die arabischen Staaten und afrikanische Länder vertrieben werden (S. 87).
Afrika
Am deutlichsten, so die Autoren, seien die Auswirkungen der chinesischen Investitionen in Afrika zu erkennen. Hier hat China unter anderem 2000 Kilometer Eisenbahnschienen verlegt, 3000 Kilometer Straßen und Dutzende Fußballstadien, 160 Schulen und Krankenhäuser, 300 Dämme und Gas- und Ölpipelines gebaut (S. 26). Die Hauptstraße in Senegals Hauptstadt Dakar ist gesäumt von chinesischen Geschäften, in welchen man chinesische Waren, alle aus China importiert, kaufen kann. Zwar haben Afrikaner nun Zugang zu günstigen Waren, die sie sich sonst nicht leisten können, doch haben chinesische Händler mit ihren niedrigen Preisen einheimische und libanesische Händler vom Markt vertrieben. China bezieht von Afrika Öl, Mineralien, Holz und andere Rohstoffe und nutzt den Markt für den Absatz seiner Produkte. Die Rohstoffe, die China in Afrika einkauft, sind der Treibstoff für die Fabriken und Werkstätten, wo Millionen verfügbare Arbeiter Mehrwert schaffen und die Produkte fertigen, die China in der gesamten Region verkauft (S. 96). Auch in Marokko, Lesotho, Südafrika und Nigeria führten billige chinesische Produkte zum Zusammenbruch einiger Branchen (S. 98). Auf den Kapverden haben chinesische Einwanderer 50 Geschäfte auf den acht bewohnbaren Inseln des Archipels eröffnet, auf denen knapp eine Million Menschen leben (S. 95).
Die Demokratische Republik Kongo ist ein weiteres Beispiel für den Raubbau chinesischer Unternehmen. 2008 unterzeichnete China einen Vertrag, mit welchem es sich verpflichtete, die für die Demokratische Republik Kongo notwendige Infrastruktur zu errichten und erhielt als Gegenleistung das Recht, die folgenden drei Jahrzehnte die gewaltigen Kupfer- und Kobaltreserven des Kongo auszubeuten (S. 129). Bei der geplanten Abbaurate werden die Rohstoffreserven jedoch in weniger als drei Jahrzehnten erschöpft sein. Der chinesische Kredit wird mit Rohstoffen zurückbezahlt, deshalb hält Peking den Preis niedrig, das führt dazu, dass Kreditgeber, Verkäufer und Kreditnehmer Bestandteil derselben juristischen Person sind, nämlich des chinesischen Staats. Joseph Kabila machte Wahlkampf mit einer Revolution der Infrastruktur in den Bereichen Wasser, Strom, Bildung, Gesundheit und Transport und dem Entstehen einer neuen Mittelklasse. Erste Projekte waren im November 2011 abgeschlossen, als Kabila die Wahl gewann (S. 132). Der kongolesische Abgeordnete Jerome Kamate sieht dies kritisch, da 90 Prozent der Wähler Analphabeten sind und im Land nicht einmal ein rudimentäres Bildungssystem existiert. Für ihn besteht kein Zweifel, dass China die Ressourcen aus dem Land schafft und die Infrastruktur nicht genutzt wird (S. 133).
China drang in den 1990er-Jahren auf den sudanesischen Ölsektor vor, als Washington das Regime al-Baschirs der Förderung und Finanzierung des internationalen Terrorismus beschuldigte. Chinesische Ölfirmen erwarben 40% der sudanesischen Ölvorräte. China hat im Sudan bei der Realisierung von zwei Infrastrukturprojekten eine wichtige Rolle gespielt, beim Bau einer Ölraffinerie in der Nähe der Hauptstadt und der einzigen Pipeline, die Rohöl aus dem Süden des Landes nach Port Sudan am Ufer des Roten Meers transportiert (S. 150/151). China stimmte zwar im Weltsicherheitsrat für ein Waffenembargo gegen den Sudan, doch als loyaler Verbündeter al-Baschirs wurde das Land mit chinesischen Militärlastwagen, Kampfflugzeugen und halbautomatischen Waffen beliefert. Laut Berichten der Vereinten Nationen haben diese Waffen zum Tod von mindestens 300 000 Menschen beigetragen. Mit diesen Waffen wurden Friedenstruppen der Vereinten Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen angegriffen, zu denen auch chinesische Soldaten gehörten (S. 151). Beim Bau und/oder Finanzierung 10 sudanesischer Staudämme spielt China eine entscheidende Rolle (S. 181). Durch den Bau des Merowe-Staudamms waren 12000 Familien, genauer gesagt 69000 Menschen von Umsiedlungen betroffen. Sie verloren nicht nur ihre Dörfer, ihre Heimat, sie verloren auch ihre Lebensgrundlage, da sie vom Fischfang lebten (S. 178).
In Angola arbeiten 50 chinesische Staatsunternehmen und 400 chinesische Privatunternehmen an Bauprojekten wie Straßen, Wohnungen und Stadien. Bezahlt werden die chinesischen Firmen für ihre Bauprojekte von der China Exim Bank, als Gegenleistung liefert Angola über sein staatliches Energieunternehmen Sonangol und dessen Tochterfirmen an China so viel Öl wie notwendig ist, um den chinesischen Kredit abzuzahlen. Angola ist der zweitgrößte Ölproduzent Afrikas und verdient mit dem Verkauf von Rohöl 52 Milliarden Dollar pro Jahr. Ein großer Teil der Einnahmen stammt aus dem Verkauf von Rohöl an China, denn Angola ist nach Saudi-Arabien dessen zweitgrößter Öllieferant (S. 158). In Angola verdienen chinesische Arbeiter auf einer Baustelle 850 Dollar, während afrikanische Arbeiter mit 150 Dollar abgespeist werden. Die ungleichen Löhne und die schlechte Behandlung afrikanischer Arbeiter führen zu heftigen Konflikten. Chinesische Firmen schließen keine Arbeitsverträge ab und es gibt weder Krankenversicherung noch Sozialleistungen. Obendrein sind die Lohnabrechnungen fehlerhaft und am Ende wird weniger ausbezahlt als vereinbart (S. 210).
Auch in Sambia sind die Arbeitsbedingungen unter chinesischer Ägide alles andere als human. Chinesische Firmen gehen mit brutaler Gewalt gegen afrikanische Arbeiter vor, die gegen die unwürdigen Arbeitsbedingungen protestieren. Schlechte Arbeitsbedingungen führten 2005 in einer Sprengstofffabrik zu einem Unfall, der 51 Arbeitern das Leben kostete (S. 217). Chinesische Investoren sind auch im Bergbausektor tätig, auch hier tun sie sich hervor durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und den katastrophalen Umgang mit Menschen. In einem Gespräch mit den Autoren wies Boyd Chibale, Forschungsdirektor bei der National Union ofMinersand Allied Workers (/NUMAW), mit 11250 Mitgliedern eine der beiden wichtigsten Bergarbeitergewerkschaften in Sambia, darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen in chinesischen Minen die vergleichsweise schlimmsten im ganzen Land seien. Erst in der Ära der chinesischen Investoren habe er erlebt, dass Arbeiter erschossen würden (S. 218). Zwar seien die Gewerkschaften sehr aktiv, die Regierung ziehe es aber vor, die Investoren vor dem Volk zu schützen. Im Kupfergürtel leben 80% der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar pro Tag, mit heimlicher Billigung Pekings (S. 220).
Südamerika
In Argentinien schufen schätzungsweise 75000 chinesische Einwanderer ein Imperium von über 8900 Supermärkten. Die Geschäfte haben traditionelle kleine Geschäfte verdrängt. Laut Auskunft des Leiters der Kammer von Geschäften und Supermärkten in Argentinien werden jeden Monat 22 neue chinesische Geschäfte eröffnet (S. 99). Die chinesische Supermarktkette Casrech kontrolliert inzwischen 30% des Supermarktsektors in Argentinien (S. 100). Casrech ist auch in Bolivien, Chile, Ecuador und in Peru vertreten. Die Presse und einige Politiker warnen vor den Geschäftspraktiken der Supermarkteigentümer, sie werfen ihnen Steuerhinterziehung, Verbindung zur chinesischen Mafia und Verstöße gegen Hygienevorschriften vor. Gustavo A. Cardozo von der Nationalen Universität von Tres de Febrero sagt, dass Casrech massive Lobbyarbeit bei der argentinischen Regierung betreibe und auf diese Weise Steuern umgehen könne. Er vermutet darüber hinaus, dass die geringe Gewinnspanne ein Grund sein könnte, dass die Supermärkte der Geldwäsche dienen (S. 101). China ist nicht nur im Rohstoffsektor und in Supermarktsektor tätig, es ist auch führender Sojaproduzent. Im Jahr 2011 unterzeichnete das chinesische Staatsunternehmen Beidahuang State Farms Business Trade Group einen Vertrag mit der Regierung der argentinischen Provinz Rio Negro für die Erschließung einer Fläche von 320 000 Hektar, die gegenwärtig noch nicht nutzbar ist. Das chinesische Unternehmen wird in den kommenden fünf Jahren 850 Millionen Dollar investieren, um das Land zu bewässern und urbar zu machen. China hat sich die Ernten auf diesem Gebiet für die nächsten 20 Jahre gesichert (S. 196). Darüber hinaus investiert das Unternehmen 500 Millionen Dollar zur Verbesserung der Infrastruktur. Ein Großteil des Geldes fließt in die Modernisierung des argentinischen Hafens von San Antonio Este, für den China für die kommenden 50 Jahre ein Nutzungsrecht erworben hat (S. 196).
In der peruanischen Bergbausiedlung San Juan de Marcona ist das staatliche chinesische Bergbauunternehmen Shougang unumschränkter Herrscher (S. 118). Der Konzern ist der sechstgrößte Eisen- und Stahlproduzent Chinas und kam 1992 in den Besitz der peruanischen Mine. Zwar gehören dem Unternehmen nur die Rohstoffe im Boden, doch es agiert faktisch als Besitzer, Makler und Verwalter des Gebietes, indem es öffentliche Aufgaben wie Strom und Wasserversorgung und das Abwassersystem kontrolliert. Letztendlich entscheidet das Unternehmen Shougang, wie viele Stunden die Gemeinde täglich Strom und Wasser hat und es stellt kein Land für die Erweiterung zur Verfügung, das die Bewohner dringend brauchen (S. 119). Während die peruanischen Arbeiter in Rattenlöchern, ohne Strom, fließend Wasser und ohne Boden hausen, leben die etwa 50 chinesischen Angestellten in Villen mit Meerblick (S. 121). Der durchschnittliche Lohn der Arbeiter beträgt 14 Dollar pro Tag, obwohl im peruanischen Bergbau das Doppelte bezahlt wird. Die Arbeiter klagen über willkürliche Entlassungen, schlechte Arbeitsbedingungen und Feindseligkeit gegen Gewerkschaftsmitglieder, obendrein sind sie mit veralteter Ausrüstung ausgestattet, was regelmäßig zu Unfällen führt. In Peru kontrollieren acht chinesische Unternehmen mit 295 Konzessionen den Bergbau im Land (S. 123). Zwar wurde das Unternehmen schon etliche Male wegen schwerer Umweltschäden bestraft, doch die Umweltverschmutzung geht ungerührt weiter (S. 124). Die Opfer und die Schäden werden hingenommen, dank der stillschweigenden Komplizenschaft der Regierung in Lima, die das chinesische Unternehmen verteidigt, da es Geld in den Bergbau pumpt (S. 125).
Russland und Fernost
Die Recherchen über Chinas Investitionen in Rohstoffe führten die beiden Autoren auch nach Russland, das von immensen Umweltzerstörungen, Kahlschlag von unvorstellbarem Ausmaß und der Plünderung der Wälder gezeichnet ist. Während des Sowjetsystems führte der Abbau durch staatliche Betriebe nicht zu einem effizienteren Einsatz von Ressourcen. Erst infolge der Privatisierung folgte eine widerrechtliche Aneignung durch Organisationen. Die Wälder wurden gnadenlos geplündert und illegal, ohne Konzession, an Chinesen verkauft. Mit Schmiergeldzahlungen werden die nötigen Dokumente ausgestellt, damit das Holz in den legalen Wirtschaftskreislauf gebracht werden kann. Es gibt keine Kontrolle, die Korruption ist Teil des Systems (S. 242/243). Die Entwaldung hat das Ökosystem zerstört, wichtige Baumsorten, wie die Eiche, sind ausgerottet, die Nahrungskette der einheimischen Fauna ist irreversibel gestört und die Wildschweine finden keine Nahrung mehr (S. 250). China ist Russlands größter Kunde, es importiert fast 18 Millionen Kubikmeter Holz jährlich. In Dalneretschenk, der Hauptstadt der ostsibirischen Holzindustrie, fahren täglich bis zu 60 Waggons, beladen mit 3000 Kubikmetern Holz, über die Grenze. Auf das Jahr gerechnet, entspricht dies einer Fläche von der Größe Portugals oder Islands. Nachdem das Holz die Grenze zu China passiert hat, sind die Chinesen am Großhandel und an der Verarbeitung des Holzes beteiligt, treten als Zwischenhändler auf, sind Teilhaber, Arbeitgeber und Arbeiter (S. 245). Auch in Mosambik werden Wälder gefällt, illegale Holzfäller fällen und verkaufen Edelhölzer an China (S. 252). Die Autoren konnten feststellen, dass auch in Papua-Neuguinea, Indonesien, Birma, der Demokratischen Republik Kongo, Madagaskar, Gabun, Äquatoriaguinea und vielen anderen Staaten immer nach dem gleichen Muster verfahren wird. An erster Stelle steht immer die Korruption, dann werden die Ressourcen im Rohzustand exportiert, sodass die Einheimischen keinen Gewinn aus der Verarbeitung erhalten. China kontrolliert im Übrigen denExport von Möbeln im Wert von mehr als 16 Millionen Dollar im Jahr (256).
In Birma werden Wälder von chinesischen Firmen zerstört, um leichter an Gold und Jade zu kommen (S. 104). Die britische NGO Global Witness veröffentlichte einen Bericht über den illegalen Holzhandel zwischen China und Birma: Im Jahr 2005 passierte täglich alle sieben Minuten ein Lastwagen mit 15 Tonnen illegal geschlagenem birmanesischem Holz einen Grenzübergang nach China (S. 102). Die birmanesischen Machthaber verkaufen Konzessionen für den Abbau von Rohstoffen wie Jade, Gold und Nutzholz an den Meistbietenden, und die Chinesen zahlen, ohne Fragen zu stellen. Bei diesem Geschäft bereichern sich die birmanesischen Eliten. Verlierer dieses Geschäfts ist die verarmte birmanesische Bevölkerung, deren Lebensbedingungen sich noch weiter verschlechtern, während ihr nationales Erbe brutal geplündert wird. Die Autoren stellen fest, dass die chinesischen Aktivitäten klassische Merkmale neokolonialer Ausplünderung aufweisen, da die Ausbeutung nationaler Ressourcen mit keinerlei Wertschöpfung auf lokaler Ebene verbunden ist (S. 106). Nicht nur die Wälder werden gnadenlos abgeholzt, sondern auch Minen ausgeplündert. Birmanesische Generäle und ihre Gesinnungsgenossen haben in Minen investiert und die Investitionen werfen beträchtliche Gewinne ab. Dieses Geld kann nur erzielt werden mittels massiver Ausbeutung der Bergbauarbeiter, die für miserable Löhne arbeiten. Eine Umweltaktivistin schildert den Autoren, dass viele der Arbeiter heroinabhängig sind und dass Opium wiederum von zwei chinesischen Unternehmen verkauft wird, die im Jade-Bergbau engagiert sind (S. 113). Die Umweltaktivistin beschreibt den birmanesischen Bergbauort Hpakant als eine Bergarbeitergemeinde, die von Aids, Malaria und Spielhöllen verseucht ist, einer Heimat von Armut, Gewalt und Missbrauch (S. 110). Früher war der Abbau von Jade die Lebensgrundlage der einheimischen Bevölkerung gewesen, aufgrund der geringen technischen Ausstattung und der infolge dessen geringen Ausbeute waren die Umweltschäden gering. Das hat sich mit der chinesischen Übernahme der Minen massiv verändert (S. 112).
Die Regierung von Laos hat ein Gebiet von sechs Quadratkilometern, das einige Meter vor der Grenze Chinas liegt, zur Sonderwirtschaftszone erklärt. Günstige Steuerbedingungen und niedrige Grundstückspreise sollen chinesische Investoren zum Bau von Fabriken und Werkstätten motivieren, aufgrund der niedrigen Löhne soll das Gebiet zu einer erfolgreichen Industriezone mutieren. Doch aus all den wundersamen Verheißungen ist eine Zone des ungehemmten Vergnügens für Chinesen geworden, ein Paradies für Glücksspiel, Prostitution und Drogen (S. 201). Die laotische Regierung hat 2012 angekündigt, die Sonderwirtschaftszone an einen anderen Investor zu vergeben. Chinesische Firmen bauen in Laos und Birma gigantische Tourismuszentren auf, die mit dem Geld aus den Kasinos finanziert werden (204).
Die lokale, wirtschaftliche und politische Elite der Länder, in welche China investiert, schlägt Kapital aus den Chancen, die ihnen China bietet und zwar in demokratischen und in autokratisch regierten Ländern. Für die Autoren ist das eigentliche Problem nicht die Eroberung der Welt durch China, sondern wie es China tut. Alles geschehe unter dem fadenscheinigen Deckmantel der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, was für Millionen Menschen zur Folge hat, dass die chinesischen Projekte für sie nichts als Leid bedeuten.
Internationaler Währungsfond (IWF) und Weltbank haben mit ihren Kreditvergabekonditionen, den Strukturanpassungsprogrammen und den daraus folgenden meist missratenen Privatisierungen das Vertrauen vieler Länder, insbesondere in Afrika und Lateinamerika, verspielt. Obendrein zerstört die Europäische Union mit hochsubventionierten EU-Waren lokale Märkte in Afrika und treibt Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut. Freihandelsabkommen und Handelsstrategien der Europäischen Union, wie die Global Europe Strategie (http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=2839), dienen nicht zum Aufbau von Vertrauen und der Armutsbeseitigung, sondern der Verringerung bzw. Beseitigung von Handelshemmnissen beim Austausch von Gütern und Dienstleistungen. Afrika, Asien und Lateinamerika haben den verhängnisvollen Verheißungen Chinas Glauben geschenkt, in der Hoffnung, dass ein Schwellenland wie China mit Gleichgesinnten fairer umgeht – und sind inzwischen für ihr Vertrauen ebenso enttäuscht worden wie von der EU, westlichen Konzernen, IWF und Weltbank. Eine Änderung dieser Verhältnisse kann nur dann erfolgen, wenn sich das Volk gegen die korrupten Eliten, Arbeiterausbeutung, Vetternwirtschaft und den Ausverkauf der Ressourcen auflehnt. Von Politikern ist in dieser Hinsicht weltweit nicht viel zu erwarten, wie wir momentan in Bezug auf das Freihandelsabkommen TTIP (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21044) sehen. Sie huldigen dem schnöden Geldgott Mammon, dessen Religion auf kurzfristige Rendite abhebt und keinen Blick auf Nachhaltigkeit verschwendet. Die sozialen und ökologischen Errungenschaften müssen von Bürgern immer wieder eingefordert werden, sonst werden sie erbarmungslos auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert.
Buchtipp:
Der große Beutezug – Chinas stille Armee erobert den Westen
Hanser Verlag, Fester Einband, 390 Seiten, ISBN 978-3-446-43871-2
Erscheinungsdatum: 03.02.2014
Preis:24,90 €