Der Krieg gegen das Bargeld

 In FEATURED, Politik, Wirtschaft

Weltweit werden Verbraucher zum Bargeldverzicht genötigt. Ein Frontbericht aus Japan, Griechenland und Deutschland. Zuerst werden sie ironisiert — als rückständige Technikmuffel zum Beispiel. Dann werden sie schikaniert, indem man Bargeld-Zahlern das Leben möglichst schwer macht. Auf der letzten Stufe wird das Bezahlen mit Scheinen und Münzen wohl in die Illegalität abgedrängt werden. Immer drängender, immer arroganter treiben die Visionäre einer bargeldlosen Welt ihre Agenda voran. Pardon wird nicht gegeben. Und was die Mehrheit der Bevölkerung will, spielt in „freiheitlichen Demokratien“ wie Japan, Griechenland und Deutschland schon gar keine Rolle. Bargeld ist den Schöpfern der Schönen Neuen Welt ein Dorn im Auge, weil es einen Rest von Privatsphäre beim Zahlungsverkehr gewährleistet. Dabei ist es nicht einmal sicher, ob eine Behinderung der Bargeld-Zahlung rechtskonform ist, wie ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unlängst belegte…  Norbert Häring

Die „Globale Partnerschaft für finanzielle Inklusion“ der G20-Staaten, besser bekannt als „Krieg gegen das Bargeld“, funktioniert prächtig. Die japanische Regierung subventioniert künftig digital bezahlte Käufe. Das griechische EU-Protektorat, wo das auf Druck der EU-Kommission schon lange so gehandhabt wird, will ein Gesetz verabschieden, das die Obergrenze für Barzahlungen von 500 Euro auf den Weltrekord von nur noch 300 Euro senkt. Die Berliner Senatsverwaltung belügt einen Abgeordneten, um ihr Vorgehen gegen das Bargeld zu rechtfertigen.

Japan

Die Regierung in Japan hat den Mehrwertsteuersatz angehoben und gleichzeitig beschlossen, dass diejenigen, die mit Karte statt mit Bargeld bezahlen, vom Staat einen Teil des Kaufbetrags erstattet bekommen. Ein Budget von umgerechnet 2,6 Milliarden Dollar wurde dafür bereitgestellt. Das erklärte Ziel der Regierung ist es, das Bargeld zurückzudrängen, das in Japan sehr beliebt ist.

Die Begründung ist anders als der sonst übliche Vorwand der Bekämpfung der Steuerhinterziehung in Japan und die Bewältigung des Bevölkerungs- und Arbeitskräfterückgangs — Italien hat, wie berichtet, vor kurzem auch die Subventionierung von Kartenzahlungen beschlossen.

Dass die technikaffinen Japaner mehrheitlich viel lieber bar bezahlen als digital überwacht zu werden, zeigt, dass die gehässige Gleichsetzung von Barzahlern mit rückständigen Technikmuffeln, wie das in Bezug auf Deutschland so gern geschieht, keine Basis hat.

Griechenland

Die griechische Regierung hat vor kurzem einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach es Privatleuten verboten sein soll, mit dem einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel der Europäischen Währungsunion — Euro-Banknoten — eine Rechnung über 300 Euro zu bezahlen. Griechenland hat unter der Über-Regentschaft der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds einige der weltweit weitreichendsten Anti-Bargeld-Regeln der Welt eingeführt. Wer sein Digitalzahlungssoll nicht erfüllt, bekommt eine Steuerstrafe. Die meisten Berufsgruppen werden bei Strafe gezwungen, verschiedene Kredit- und Debitkarten anzunehmen und Bargeld, Gold und Schmuck, das man Zuhause aufbewahrt, muss man ab einem bestimmten Betrag den Behörden melden.

Deutschland

Deutschland hinkt etwas hinterher, holt aber auf. In Umsetzung einer freiheitsfeindlichen EU-Regulierung, die es Händlern verbietet, Kartenkosten an die Kartenzahler weiterzugeben, ist das jetzt in Deutschland auch verboten. Berlin hat allen Taxifahrern — also nicht etwa nur denen, die vom Flughafen oder Hauptbahnhof fahren wollen — vorgeschrieben, mindestens drei Karten anzunehmen. Besonders viele Behörden in Berlin weigern sich, Bargeld anzunehmen.

Berlin

Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe wollte nun per Anfrage (Nr. 18/21 310) von der Senatsverwaltung wissen, wie solcherlei Tun mit der Eigenschaft des Euro-Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel in Deutschland und der Währungsunion vereinbar ist. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft unter der Grünen Senatorin Ramona Popp beantwortet die Anfrage mit einer eklatant falschen Darstellung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2019 in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk um das Recht auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags.

Der Abgeordnete Luthe wollte wissen, welche unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel es in Berlin gibt, und bekam zur Antwort, „der Euro“ sei nach §14 Bundesbankgesetz einziges unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel in Berlin. Das ist nicht ganz richtig. Im Gesetz ist von „Euro-Banknoten“ die Rede, nicht von Euro. Auch Bankguthaben lauten auf Euro. Sie sind aber nicht gesetzliches Zahlungsmittel.

Auf die Frage, ob nach Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union europaweit allein Euro-Banknoten unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel sind, beschreibt die Senatsverwaltung den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in meinem Verfahren weitgehend frei erfunden so:

„Aus dem Beschluss geht hervor, dass jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht aus Artikel 128 AEUV lediglich ein Recht zur Ausgabe von Banknoten entnimmt. Es bleibt abzuwarten, ob der Europäische Gerichtshof dies ebenso bewertet.“

Was der Senat da so frech behauptet, steht nirgends in dem Beschluss. Es ist sogar ziemlich genau das Gegenteil des Beschlusstenors. Hier die einschlägigen Zitate des Bundesverwaltungsgerichts:

„§ 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG verpflichtet öffentliche Stellen zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten. Ausnahmen lassen sich nicht ohne weiteres auf Gründe der Verwaltungspraktikabilität oder Kostenersparnis stützen, sondern setzen eine Ermächtigung durch ein Bundesgesetz voraus.“

Mit anderen Worten: Nach Rechtsmeinung des Bundesverwaltungsgerichts sind alle Berliner Behörden nach deutschem Recht verpflichtet, Bargeld immer anzunehmen.

Nach deutschem Recht sind hoheitliche Maßnahmen gegen das Bezahlen mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel Bargeld also illegal. Die Vorlage beim EuGH begründet das BVerwG folgendermaßen:

„Die Revision gegen das Berufungsurteil ist allerdings zurückzuweisen, wenn § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG seinerseits mit der ausschließlichen Zuständigkeit der Union im Bereich der Währungspolitik nicht in Einklang steht. Diese Frage lässt sich ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht klären.“

Die fast grotesk falsch interpretierte Bemerkung des BVerwG zum Recht auf Banknotenausgabe fand die Senatsverwaltung in einem darauf folgenden Absatz, wo es darum geht, worauf sich die ausschließliche Zuständigkeit der EU genau erstreckt. Wer diesen Absatz liest und auch nur ein bisschen kundig ist, kann das nicht so verstehen, wie es in der Antwort der Senatsverwaltung steht. Man muss hier von Täuschungsabsicht ausgehen. Es werden in dem Absatz vom BVerwG drei Regelungsbestandteile der EU-Vorschrift diskutiert: 1. Euro-Banknoten sind gesetzliches Zahlungsmittel, 2. Preisstabilitätsziel und 3. Recht zur Ausgabe von Euro-Banknoten.

Hier der einschlägige Absatz für Feinschmecker (Übersetzung danach). Der Satz, auf den sich die Senatsverwaltung beziehen dürfte, ist von mir gefettet:

„Von dieser Rechtsprechung ausgehend kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob sich die ausschließliche Zuständigkeit der Union im Bereich der Währungspolitik auf die Regelung der Rechtsfolgen erstreckt, die — wie insbesondere die Bestimmung einer Verpflichtung öffentlicher Stellen zur Annahme von Euro-Banknoten — mit dem Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel verbunden sind, und ob daher gemäß Art. 2 Abs. 1 AEUV insoweit eine Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten besteht. Zwar betrifft die genannte Verpflichtung weder das Ziel der Gewährleistung der Preisstabilität, noch besteht ein unmittelbarer Bezug zu den im Primärrecht aufgeführten Mitteln zur Erreichung dieser Ziele. Insbesondere wird das der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken in Art. 128 Abs. 1 AEUV eingeräumte Recht zur Ausgabe von Euro-Banknoten nicht eingeschränkt oder modifiziert.“

Der erste Bandwurmsatz bedeutet, dass das BVerwG unsicher ist, ob aus der Festlegung von Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel durch die EU folgt, dass nur die EU selbst die genauen Rechtsfolgen hiervon regeln darf, oder ob den Staaten hier eine gewisse Normsetzungsbefugnis bleibt.

Wer aus dem oben zitierten Absatz eine Basis für die Behauptung der Senatsverwaltung ableiten kann aus dem Beschluss des BVerwG gehe hervor, dass dieses aus Artikel 128 AEUV lediglich ein Recht zur Ausgabe von Banknoten entnimmt, der oder die möge mir das bitte erläutern.

Wenn es übrigens so wäre, dann würde das bedeuten, dass §14 Bundesbankgesetz zum gesetzlichen Zahlungsmittel nicht in Konflikt mit EU-Recht steht und deshalb rechtsverbindlich ist. Das würde nach Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts wiederum bedeuten, dass alle öffentlichen Stellen immer Bargeld annehmen müssen. Die Behauptung der Senatsverwaltung ist daher grob irreführend und falsch.

Wunschdenken spielt wohl neben der Täuschungsabsicht eine große Rolle. Denn wenn der Europäische Gerichtshof ähnliches beschließt wie das Bundesverwaltungsgericht, muss der Berliner Senat und müssen die Berliner Behörden ihre Maßnahmen gegen Bürger, die das gesetzliche Zahlungsmittel verwenden wollen, aufgeben.

 

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