Der Profitgier der Konzerne Paroli bieten

 In FEATURED, Politik, Wirtschaft

Mit der neuen Wirtschaftsordnung Gemeinwohlökonomie. Ökonomie ist von Menschen für Menschen gemacht. Und doch herrscht im Wirtschaftsleben das glatte Gegenteil der Werte, die wir bräuchten, um ein glückliches Leben zu führen. Unsere Ökonomie, so Christian Felber, basiert auf Konkurrenz und Profit. So ist es kein Wunder, dass Ängste und Burnout zunehmen, während das Vertrauen in die Zwischenmenschlichkeit abnimmt. An der menschlichen Natur liegt’s nicht, behauptet er. Die birgt Potenziale in beide Richtungen: Konkurrenz wie Kooperation. Wir müssen also ein Anreizsystem schaffen, das eher die humanen Verhaltensweisen belohnt.  Franz Mühlbauer

Die neue Wirtschaftsordnung Gemeinwohlökonomie beruht auf einem Konzept von Christian Felber, einem Wiener Universitätslektor, der 2010 die internationale Gemeinwohlökonomie-Bewegung gegründet hat. Meine konzeptionellen Gedanken decken sich inhaltlich weitgehend mit den Überlegungen Felbers; allerdings möchte ich einen völlig anderen Weg beschreiten, wie sich diese neue Wirtschaftsordnung auf den Weg bringen lässt. Die Einführung der Gemeinwohlökonomie würde einen radikalen Paradigmen-Wechsel in der Wirtschaftspolitik bedeuten: Nicht mehr die Profitmaximierung der Unternehmen, sondern deren maximaler Beitrag zum Gemeinwohl stellt das zentrale Erfolgs-Kriterium für jede Art wirtschaftlicher Tätigkeit dar.

Warum braucht die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft dringend eine grundlegend neue Wirtschaftsordnung?

Unsere sog. Soziale Marktwirtschaft hat mit der von Ludwig Erhard nichts mehr gemein; sie ist extrem unsozial geworden. Die heute vorherrschenden global agierenden Konzerne missbrauchen ihre wirtschaftliche Macht und üben hemmungslos auch politische Macht aus. Die Marktwirtschaft mag zu Zeiten kleinerer und mittlerer Unternehmen noch funktioniert haben – aktuell ist sie zur blanken Machtwirtschaft verkommen. In Fachkreisen wird die Marktwirtschaft auch als Neo-Liberalismus bezeichnet. Was wir aber heute haben, verdient eher den Titel Neo-Frühkapitalismus.

Diese neue Form des Frühkapitalismus hat eine extreme soziale Ungleichheit hervorgerufen. Auf globaler Eben besitzen  8 Multimilliardäre so viel wie die halbe Menschheit – nach einer Studie von Oxfam. Auch in Deutschland weitet sich die Schere zwischen der untersten Einkommensschicht  und den Superreichen immer weiter aus. Lässt man diese Entwicklung  ungebremst weiter treiben, steuern wir in 10 bis 15 Jahren auf Zustände wie in Lateinamerika zu.

Die unsoziale Marktwirtschaft befriedigt immer weniger das Grundbedürfnis der Menschen nach Nahrung: 821 Mio. Menschen hungern auf der Welt (FAO, 2017). Einem weiterem Grundbedürfnis, dem nach bezahlbarem Wohnraum wird auch in Deutschland immer weniger Rechnung getragen. In den Ballungszentren sind Wohnungen, die sich Normalverdiener leisten können, zu  einem extrem knappen  Gut geworden – von den Geringverdienern und von den Menschen, die von der sozialen Grundsicherung leben müssen,  gar nicht zu sprechen.

Eine weitere skandalöse Folge des Neo-Frühkapitalismus besteht in der Missachtung der Würde der Tiere, unserer „kleinen Brüder und Schwestern“ wie mein Namenskollege Franz von Assisi sagte. Diese Verletzung der Tierwürde besteht zum einen in sinnlosen Tierversuchen in Kliniken und sog. Forschungseinrichtungen, die für die Pharmaindustrie und Medizintechnik arbeiten. Nicht weniger schlimm ist der grausame Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren, insbesondere mit Schweinen und Geflügel. Der Großteil dieser Tiere wird in riesigen Ställen mit Tausenden bis Zigtausenden von Stallplätzen auf engstem Raum  gehalten. Männliche Ferkel werden nach wie vor ohne Betäubung kastriert und männliche Küken nach wie vor wie Abfall bei lebendigem Leib geschreddert. Diese Liste der Grausamkeiten ließe sich leicht fortsetzen. All diese Grässlichkeiten haben eine gemeinsame Ursache im seelenlosen Wirtschaftssystem – Geld machen hat höchste Priorität!

Auch im Klimaschutz lässt sich mit diesem destruktiven System kein echter Fortschritt erzielen, wie das sog. Klimapaket der Bundesregierung zeigt. Darin wird nur mit Finanzzahlen jongliert – Maßnahmen zur  echten Klimaverbesserung – Fehlanzeige! Die unverfrorene Kaltschnäuzigkeit der Großkonzerne zeigt sich darin, dass sie die Klimabelastung als Folge ihres ausschließlich profitorientierten Handelns hemmungslos auf die Allgemeinheit, also auf uns Steuerzahler abwälzen. Und die Politik sieht zu, wie das ansonsten gültige Verursacherprinzip außer Kraft gesetzt wird.

Das desaströse Ordnungssystem des Neo-Frühkapitalismus schädigt unsere Gesellschaft auch in politischer Hinsicht, weil es echte Demokratie einschränkt bis ausschaltet. Die Großkonzerne setzen ihre profitorientierten Interessen bei den aktuell regierenden Politikern vor allem mit Lobbying und Parteispenden durch. Wir leben in einer Scheindemokratie, in einer Lobbykratie; auf einen Bundestagsabgeordneten kommen im Schnitt acht Lobbyisten (TV-Sendung). Wenn dieser Lobby-Druck nicht ausreicht, drohen die Konzernbosse gnadenlos mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer; spätestens dann hüpft der Wirtschaftsminister über jedes Stöckchen, dass der Boss ihm hinhält.

Den größten Schaden richtet die unsoziale „Markt“-Wirtschaft direkt in der Persönlichkeit und im Charakter der Menschen an. Das brutale Ausspielen von Macht zwischen den Unternehmen führt zu einer unguten Konkurrenz zwischen den Menschen.  Die Folgen sind Gier, Geiz, Rücksichtslosigkeit, Übervorteilung, absichtliche Schädigung bis hin zu unverhohlenem Hass. Dieser Werteverfall zeigt sich in vielen Unternehmen und in der Politik sowieso: Die asozialsten Personen kommen am leichtesten und am weitesten nach oben. Dazu kommt noch der Sinnverlust:  Immer mehr Geld machen und immer mehr konsumieren wird für immer mehr Menschen zum einzigen Lebenssinn. Diese Aspekte stellen für mich die stärkste Motivation dar, mich für die Durchsetzung der Gemeinwohlökonomie zu engagieren.

Diese wenigen Argumente gegen die derzeitige Wirtschaftsordnungspolitk in Deutschland sollen genügen, um eine klare Schlussfolgerung zu ziehen: Die höchst unsozial gewordene „Markt“-Wirtschaft, der kein echter Markt mehr zugrunde liegt, setzt den Verfassungsauftrag zur Förderung des Gemeinwohls, wie er im Grundgesetz und noch deutlicher in der Bayerischen Verfassung festgelegt ist, nicht nur nicht durch, sondern schadet dem Gemeinwohl – mit dem Segen der derzeit regierenden Parteien in Bund und Ländern. Aber keine öffentliche Instanz zwingt die Politiker dieser Parteien, Rechenschaft für ihr gesetzwidriges Verhalten abzulegen – wie lange noch?

 

Prof. Dr. Franz Mühlbauer wird weiter für “Hinter den Schlagzeilen” über das Konzept der Gemeinwohlökononie und die Fehler im herrschenden Wirtschaftssystem schreiben.

Anzeigen von 5 Kommentaren
  • Ruth
    Antworten
    „Gemeinwohlökonomie“ – auf den ersten Blick ist man irritiert, denn Wirtschaftswissenschaft und Gemeinwohl, funktioniert das?

    Mich überzeugt diese Sicht auf unsere s.g. soziale Marktwirtschaft, die sich selbst zerstören wird, weil Unersättlichkeit den Blick auf die Ware „Geld“ verändert und  zwangsläufig nichts mehr „wert“ sein wird!“

    Geld frißt Geld, der Finanzmarkt kollabiert!

    Kein Millionenkonto, kein Porsche, keine Privatinsel, keine Juwelen – um mal die gängigen Klischees zu bedienen – macht frei und/ oder glücklich; Beispiele, die gibt es zu genüge!

    Wenn aber das Existenzminimum nicht für ein  würdiges Leben reicht, dann macht sich Verzweiflung und Angst breit und schafft sich Gehör durch Gewalt.

    Denn Menschen werden ausgebeutet, oft Schmarotzer genannt und verachtet. Es hat sich ein Menschenbild eingeschlichen, das mich fassungslos macht!

    Ewiges Wachstum – die Pest unserer Zeit!

     

  • Hartz_tötet
    Antworten
    … dem kann ich nur zustimmen.

    Dieses neoliberal-darwinistische Menschen(Feind)bild trägt zunehmend faschistoide Züge.
    Eine der Folgen von Muttis Mantra vom marktkonformen Demokratie-Oxymoron.

  • Bettina
    Antworten
    Die Prinzipien des Gemeinwohls liegen nicht in einer Marktwirtschaft, die die “Grenzen des Wachstums” ignoriert und nicht anerkennt. Es wird vermutlich die Natur sein, die diesem neoliberalen Grundgedanken eines Tages seine Grenzen setzen wird.
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    Die Grenzen des Wachstums
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    aus der Reihe “Lesen ohne Atomstrom”
    (April 2013-Zentralbibliothek Hamburg)
    Moderation und Diskussionsleitung: Jakob Augstein
    .
    https://youtu.be/G0gjY3hD9Ts
  • Die MARKTKONFORME DEMOKRATIE...
    Antworten
    …ein Einparteiensystem, bei dem die “WARE MENSCH” ihren VERKAUFSWERT zwischen “0€” und “0,0€” selbst wählen darf. Mit PFLICHT-BON (Arbeitsvertrag) versteht sich. Mehr Demokratie geht leider nicht, in einem VASALLEN DEUTSCHLAND!

    .

    AUCH DER “GUTE NATO-WESTEN” HAT NUN MAL SEINE GRENZEN.

  • Sancho
    Antworten
    Als Warren Buffett 2008 sagte, dass die Reichen einen Krieg gegen die Armen angefangen haben und gewinnen werden erkannte ich, dass auch wir im Krieg leben.

    Was wäre, wenn “die Armen” jetzt aufgeben und die Reichen sie nicht länger zerstören würden. Schmarotzer lassen ihre Wirtspflanzen in der Regel am Leben.

    Den “Reichen” ein neues Spiel anbieten – nichts Anderes ist ihr Getue, denn sie spielen mit dem Geld und der Macht. Das neue Spiel könnte heißen: “Mit allen Mitteln die Erde und die Menschheit retten”. Da würde alle anderen auch mitmachen und wir könnten gemeinsam gewinnen.

     

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