Der Spiegel und Corona – Niedergang einer Institution

 In FEATURED, Medien, Politik (Inland)

Der „Spiegel“ ist binnen einen Jahres von einer journalistischen Institution zu einer missionierenden Hetzschrift geworden. Der „Spiegel“ hat mit seiner einseitigen Parteinahme für die Corona-Politik der Bundesregierung und gegen jeden, der sie infrage stellt, sein eigenes Gründungs-Credo ad absurdum geführt: „Sagen was ist“ wollte Rudolf Augstein. Schlimm, dass er nichts mehr dazu sagen kann, was sein Blatt heute anrichtet. Ein Kommentar von Clara Riesling, Autorin 1bis19

Ausgerechnet Franziska Augstein hat seit Januar eine Kolumne im „Spiegel“ bekommen. Sie, Tochter von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein, die die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung massiv kritisiert. Bisher hat sie nur einmal zu diesem alles beherrschenden Thema dort geschrieben.[1] Und musste sich gleich zu Beginn des Artikels von allen Lesern distanzieren, die das Virus mit der Grippe vergleichen.

Viel zu melden scheint sie im Blatt ihres Vaters nicht zu haben. In einem SWR-Gespräch[2] wird Franziska Augstein umso deutlicher: Sie hält die Maßnahmen der Regierung Merkel für verfehlt, den Lockdown für schädlich. Da kann der öffentlich-rechtliche Moderator noch so oft betonen, er müsse jetzt „aus journalistischer Sorgfaltspflicht“ die Gegenposition einnehmen.

Kolumnisten

Wenn doch der „Spiegel“ dieser Aufgabe zur ausgeglichenen Berichterstattung nur nachkommen würde. Mit Ausnahme von Franziska Augstein scheinen sämtliche Spiegel-Kolumnisten, die sich zu dem Thema äußern, stramm auf Corona-Linie der Bundesregierung zu sein. Auch die übrigen Autorinnen und Autoren können im Spiegel wohl überwiegend nur auf dieser Seite stehen. Sie diffamieren Kritiker der Maßnahmen als Corona-Leugner, teilen Virologen und andere Wissenschaftler in gute und schlechte ein, fällen moralische Urteile über Maskenverweigerer und Menschen, die andere Wege gehen wollen. Drei journalistische Tiefpunkte möchte ich hier auflisten:

1. Die Kolumne „Liebe Schutzmaskenverweigerer“ von Samira ElOuassil[3] im Juli 2020, in der sie schreibt: „Mal ehrlich, es ist grob unhöflich, andere Menschen umbringen zu wollen.“ Allein diese Unterstellung, jemand, der sich dem Maskenzwang (z.B. aus medizinischen Gründen) widersetzt, würde andere Menschen umbringen wollen, ist an Dreistigkeit kaum zu toppen. Hinzu kommt die Unkenntnis der Faktenlage: Wer sich schützen will und muss, der kann das schließlich mit einer entsprechenden Maske selbst tun. Eine Kolumnistin, die auf Kosten der Gesellschaft und dank des „Spiegel“ moralinsauren Blödsinn verbreiten darf.

2. Der Artikel „Hat Schweden die Alten geopfert“ von Dietmar Pieper vom 09. Oktober 2020[4]. Darin wird die anfangs erhöhte Zahl der Corona-Toten in Alten- und Pflegeheimen in Schweden zum Anlass genommen, Parallelen zu angeblichen grausigen Ritualen früherer Zeiten zu ziehen:

„Für nutzlos befundene Alte stürzten sich (…) zur Wikingerzeit von hoch aufragenden Felsen hinunter, oder sie wurden gestoßen. Auch wenn es inzwischen als unwahrscheinlich gilt, dass die „Ättestupa-Legende“ auf einem historischen Kern beruht, wird sie gern erzählt. (…) Das Grausigste daran dürfte sein: In den Vorstellungen vom Senizid schlummert das Potenzial, wie eine menschliche Konstante zu erscheinen, die Länder und Zeiten miteinander verbindet. Der Senizid ist auf archaische Weise brutal – und gleichzeitig technokratisch rational. Auch in Deutschland gibt es nun Diskussionen darüber, dass man sich – wie in Schweden – darauf konzentrieren sollte, die Freiheit der Jüngeren zu bewahren und die Älteren nach Möglichkeit zu schützen. Auch da schwingt mit: Wenn es nicht gelingt, sollen sie eben sterben.(…) Wer die nordische Kälte dieser Tage (…) für zukunftsweisend hält, sollte sich fragen, warum.“

„Die Schweden“ haben also, wahrscheinlich in Anlehnung an die grausamen Vorfahren, das „nutzlose“ Leben der Älteren geopfert.

Wer so etwas schreibt, gehört eigentlich wegen Volksverhetzung vor Gericht. Im “Spiegel” darf man solch gefährlichen Unsinn ungestraft verbreiten. Und nebenbei gleich die Moral-Keule über all denen schwingen, die den schwedischen Weg für klug halten, der bekanntlich, abgesehen von anfänglichen Fehlern, das Land heute in der Pandemie-Bekämpfung besser dastehen lässt als die meisten anderen.

3. Der Artikel „Wo lagen die Experten richtig – und wo falsch?“ vom 26.02.2021[5]. Hier werden willkürlich ausgewählte Zitate von verschiedenen Wissenschaftlern in einer Art Ranking mit der Entwicklung der PCR-Positiv-Tests in zeitliche Verbindung gebracht. Im Ergebnis entscheiden dann die Verfasser des Artikels, wer angeblich überwiegend richtig oder falsch lag mit Prognosen oder Analysen. Kurz gesagt: Hendrik Streeck und Klaus Stöhr schneiden schlecht ab, Christian Drosten und Melanie Brinkmann gut. Dass ihr eigenes Urteil jede Expertise über den Verlauf der Pandemie vermissen lässt, kommt den „Spiegel“-Autoren und -Autorinnen nicht in den Sinn. Sie wähnen sich auf der richtigen Seite. Wenn schon nicht wissenschaftlich qualifiziert, dann zumindest moralisch. Das ist so anmaßend wie beschämend.

Ich könnte diese Liste um viele Beispiele erweitern, Nikolaus Blome – zuvor bei der „Bild“ – wäre unbedingt zu erwähnen, der verlangt, dass auf Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen, „mit dem Finger“ gezeigt werde.[6]

Wohlgemerkt, wir reden hier nicht über Kabarettisten, Satiriker, Priester oder Politiker. Es sind Medienvertreter, die offensichtlich ihren eigenen moralischen Kompass verloren haben.

Parteinahme

Der „Spiegel“ hat mit seiner einseitigen Parteinahme für die Corona-Politik der Bundesregierung und gegen jeden, der sie infrage stellt, sein eigenes Gründungs-Credo ad absurdum geführt: „Sagen was ist“ wollte Rudolf Augstein. Schlimm, dass er nichts mehr dazu sagen kann, was sein Blatt heute anrichtet.

Sagen was ist

Das tun dafür indirekt andere namhafte Wegbegleiter: Der langjährige frühere Chefredakteur Stefan Aust könnte sich in Sachen Corona-Meinungsmache kaum mehr distanzieren, als er das in seiner jetzigen Eigenschaft als „Welt am Sonntag“-Herausgeber tut.

Wolfgang Büchner, ebenfalls früher „Spiegel“-Chefredakteur, berät jetzt die FDP, die einzige Oppositionspartei, abgesehen von der AfD, die sich kritisch mit der Corona-Politik auseinandersetzt.

Die früheren Chefredakteure Günter Gaus und Erich Böhme würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, wie ihr Blatt heute agiert. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sprach einst vom Privileg, den „Spiegel“ als Abonnent schon vor Verkauf in Händen zu halten. Heute würde er sein Abo wahrscheinlich zurückgeben. Hans Magnus Enzensberger kritisierte einst die spezifische „Spiegel“-Sprache, die effektheischend trivialisiert. Das erscheint heute als geringstes Problem. Der „Spiegel“ beschädigt heute nicht mehr nur die Sprache, sondern die Gesellschaft.

 

[1]https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-lockdown-bringt-unabsehbare-langzeitfolgen-was-zu-lange-waehrt-kolumne-a-4182bf83-cf33-4075-abdd-b4d5ad5b1cb4

[2]https://www.swr.de/swr1/bw/swr1leute/swr1-leute-mit-franziska-augstein-journalistin-100.html

[3]https://www.spiegel.de/kultur/corona-pandemie-brief-an-die-schutzmaskenverweigerer-a-5069f101-74aa-4dae-89a6-9aea9e5331da

[4]https://www.spiegel.de/politik/ausland/corona-in-schwedens-pflegeheimen-der-eingeladene-tod-a-00000000-0002-0001-0000-000173444539

[5]https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/christian-drosten-hendrik-streeck-melanie-brinkmann-wo-lagen-sie-richtig-und-wo-nicht-a-e66b100f-0002-0001-0000-000175912933

[6]https://www.spiegel.de/politik/deutschland/impfpflicht-was-denn-sonst-a-2846adb0-a468-48a9-8397-ba50fbe08a68

 

Erstveröffentlichung in 1bis9, Magazin für demokratische Kultur

 

Kommentare
  • Freiherr
    Antworten
    Die Millionenspende von Gates – an den “Spiegel”,

    erklärt schon viel.

    Nicht das einzige Medium das eingekauft wurde, wie wir alle wissen.

     

     

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