Der unteilbare Friede

 In FEATURED, Kultur, Politik

Gabriele Gysi, Bildquelle:
© Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)

Ein klassisches Chanson von Bertolt Brecht und Hans Eisler feiert die Universalität der Friedenssehnsucht. Es beginnt fast wie ein Weihnachtslied und wird dann rasch sehr konkret. Friede soll sein: für jedes Geschlecht, jedes Alter, jedes Land, jede soziale „Schicht“. Spätestens wenn Sängerin Gisela May fordert: „Friede dem Roten Platze“, dürften viele stutzig werden. Hat „der Aggressor“ den Frieden überhaupt verdient? Autorin Gabriele Gysi analysiert vor dem Hintergrund dieses historischen Liedes die Fehlentwicklungen des herrschenden Zeitgeists und spricht sich vehement gegen die Weltbeglückungsambitionen eines einzelnen Staatenbundes aus. „Nicht über und nicht unter anderen Völkern wollen wir sein.“ Ein Text zu der Aktion #Friedensnoten. Gabriele Gysi

 

Eine sehr schöne kunstvolle menschliche Stimme singt zu uns, einfache und schwierige Töne, Worte, die von der Welt erzählen, von Orten, von Menschen ohne Krieg. Eine freundliche Sprache, keine Missionierung. Dieses kleine Lied ist Frieden, so scheint es mir.

Als gäbe es so etwas wie Frieden, als wüssten wir, was das sein soll – Frieden. Frieden ist mehr als kein Krieg.

Keine Todesstille, sondern Frieden
Keine Einförmigkeit, sondern Frieden
Keine Langeweile, sondern Frieden
Keine Festlegung, sondern Frieden.

Was fragen uns Brecht, Eisler und Gisela May?

Können sie auf diese Weise vom Frieden sprechen, weil sie den Krieg, den richtigen, tödlichen Krieg kennen?

Was wissen wir heute vom Frieden? Ich denke nichts, vielleicht auch nichts mehr.

2030 wird nichts mehr sein, wie es war. Diese Prophezeiung von Klaus Schwab ist eine Kriegserklärung an die Welt.

Wem soll was weggenommen werden? Warum darf nichts morgen sein, wie es heute ist oder gestern war? Krieg gegen alles Vergangene? Das Morgen von heute ist das Vergangene von übermorgen. Ein Krieg gegen alles und jeden und immer?

Unsere Spiele, unsere Bilder in den Medien feiern jeden Tag den Krieg, nur Krieg ist Ereignis. Politik als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Die verordneten Feiertage bringen keinen Frieden, vielleicht kleine Atempausen. Aber es geht weiter, denn das, das muss jetzt sein, und das, das muss jetzt ebenfalls sein! Die Pflicht zur ständigen Veränderung muss zum Krieg gegen alles Entstandene werden? Die Zivilgesellschaft erklärt ihre eigene Geschichte für obsolet? Als permanente technische Revolution wird das Glück erzwungen? Die Anpassung an das ewig Neue wird diktiert, von wem?

Nichts darf bleiben?

Eine ewige Amnesie ist gefordert! Warum? Gibt es überhaupt noch eine Vorstellung vom Miteinander ohne Krieg?

Ständiges Durchpeitschen neuer Regeln, mit der Begründung, die Weltenrettung ist Kriegslust.

Wo kommen unsere ganzen Feinde her, was haben sie uns getan? Worüber wollen wir die Welt belehren? Wozu müssen wir recht haben? Könnten wir stattdessen mal etwas verstehen, zum Beispiel russische Sicherheitsinteressen? Vielleicht müssen wir eine Vorstellung, eine Ahnung vom Frieden lernen, ehe der alltägliche Krieg beendet werden kann? Ehe die Drohung des ganz großen Krieges schwindet.

Noch einmal helfen uns vielleicht Brecht und Eisler mit einem kleinen Lied, beinahe wäre es die Nationalhymne der DDR geworden:

Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand,
daß ein gutes Deutschland blühe
wie ein andres gutes Land …
Und nicht über und nicht unter anderen Völkern wollen wir sein.

Können wir akzeptieren, dass es woanders anders ist, dass es andere Zivilisationen gibt, von denen wir lernen dürfen?

Menschliche Erfahrungen und Biografien sind konkret. Niemals können wir als Einzelne universell agieren, unsere Zeit auf Erden ist begrenzt, wir können nicht allwissend werden. Auch die Vorstellung einer einzeln agierenden Weltmacht, die ihre begrenzte Kultur über die Erde herrschend verbreitet, ist ignorant und verbirgt den Wunsch nach ewigem Krieg im eigenen Anspruch.

Die USA verlieren sich in ihren Kriegen. Im imperialen Anspruch gegen immer neue Feinde kann kein Land gedeihen. Lernen wir Frieden, lernen wir, andere Zivilisationen zu respektieren, lernen wir, uns zu fragen, was wir lernen können. Lernen wir verstehen, wer wir sind, denn wir brauchen eine neue Aufklärung über unsere westlichen Gesellschaften. Für Deutschland zu denken ist schwierig genug, keine Beteiligung am imperialen Größenwahn kann uns helfen.

Durch die Akzeptanz des Vergangenen können wir vielleicht wieder verstehen, dass Neutralität ein Schritt zum Frieden sein kann.

Nicht über und nicht unter anderen Völkern wollen wir sein, auch nicht mit helfender Hand. Wir dürfen uns keine Ukraine aus Resten unserer eigenen nationalsozialistischen Geschichte zaubern, um wieder und wieder gegen Russland Krieg zu führen, nein.

Deutschland ist zu klein, um eine ordnende Weltmacht zu sein, aber zu groß, um zu schweigen.

Keinen Krieg gegen Russland, nie wieder!

Gisela May – Friedenslied

Medienpartner

Nacktes Niveau (Paul Brandenburg), Punkt.preradovic, Kaiser TV,
Hinter den Schlagzeilen, Demokratischer Widerstand,
Eugen Zentner (Kulturzentner), rationalgalerie (Uli Gellermann), Protestnoten, Radio München (Eva Schmidt), Basta Berlin, Kontrafunk und Ständige Publikumskonferenz.

Weitere können folgen.

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen