Der Wahnsinn des Krieges

 In FEATURED, Kultur, MUSIKVIDEO/PODCAST

Francesco de Gregori, Foto: Iaconianni family, Lizenz Creative Commons

Ein italienisches Chanson von Francesco de Gregori zeigt: Selbst wenn der Krieg „gewonnen“ wurde, gibt es nur Verlierer. Volker Freystedt, Sachbuchautor, Satiriker und einer der frühen Kritiker der Corona-Gesundheitsdiktatur, prägte in einem Beitrag für den Rubikon im April 2020 den Begriff „Faschützmus“ (1). Bei längeren Aufenthalten in Italien lernte er die italienische Musikszene kennen und schätzen; er übersetzte Hunderte von Liedern ins Deutsche, um sie dem heimischen Publikum näherzubringen. Zu den angesehensten Cantautori (Liedermacher) Italiens gehört Francesco de Gregori. Eines seiner bekanntesten Lieder ist eine zugleich poetische und schonungslose Zwiesprache mit einem der Täter: dem „Generale“. Ein Text zu der Aktion #Friedensnoten. Volker Freystedt

 

Francesco de Gregori (geboren 1951 in Rom), Liedermacher in der Nachfolge von Bob Dylan, kam erst mit etwas Verzögerung beim Publikum an. Er begann mit 17 Jahren in einem römischen Lokal, in dem Nachwuchsmusiker auftraten, spielte auch mit Antonello Venditti zusammen — der vor ihm den Durchbruch schaffte —, später mit Lucio Dalla und mit Fabrizio De André. Zusammen mit Venditti gab er im Juni 2022 im Olympiastadion in Rom ein Doppelkonzert — für beide quasi ein Heimspiel. Francesco De Gregori gehört seit Langem zu der auch von Kollegen hoch respektierten alten Garde italienischer Cantautori, also derer, die ihre Lieder selber schreiben und vortragen.

Eines seiner bekanntesten Lieder ist „Generale“, das de Gregori anlässlich seines Militärdienstes 1978 schrieb. Er war in Südtirol stationiert, wo militante Gruppen die Loslösung von Italien forderten. Gewaltsame Auseinandersetzungen waren also nicht nur Theorie.

In „Generale“ macht de Gregori auf seine poetische Weise die Banalität des Krieges spürbar, indem er schildert, was selbst dann zurückbleibt, wenn der Krieg gewonnen wurde: Der Soldat will nur schnell wieder zurück in sein altes Leben! Die menschlichen Empfindungen und Gefühle kehren aber nur langsam zurück. So gibt es auch keine Freude über den Sieg — es war ja auch nicht sein Krieg …

In diesem Antiwarsong kommt das Wort „Frieden“ kein einziges Mal vor, das Wort „Krieg“ nur zweimal. „Generale“ ist kein flammendes Plädoyer für „Ein bisschen Frieden“, es ist kein empörter Aufschrei „Nie wieder Krieg!“. Angesprochen wird ein General — der vermutlich im gleichen Zugabteil sitzt wie der einfache Soldat, aus dessen Blickwinkel de Gregori beobachtet — in einem Monolog, der rastlos von einem Bild zum nächsten gleitet; passend dazu hat das Lied auch keinen Refrain. Dies sind keine „Bilder einer Ausstellung“, die man ausgiebig betrachten kann. Es sind Blicke aus einem fahrenden Zug, vermischt mit Flashbacks und den Assoziationen dessen, der sich gerade auf dem Weg in die Heimat weiß — denn der Krieg ist aus, der Feind geflohen oder geschlagen. Die Musik, speziell der wiederkehrende Riff, unterstreicht dieses unaufhaltsame Dahinrollen des Zuges, der nicht mehr anhält, nicht einmal zum Pinkeln, man fährt direkt nach Hause, ohne weiter zu denken — wie es einem immer gesagt wurde —, dass der Krieg schön ist, auch wenn er weh tut. Jetzt will man nur noch wieder zurückkehren, um zu singen und um uns lieben zu lassen, und wenn es nur die Liebe der Krankenschwestern ist.

Inmitten einer Weide steht eine Bäuerin, gekrümmt im Sonnenuntergang erscheint sie wie ein Kind von fünfzig Jahren, mit fünf Söhnen, die zur Welt kamen wie die Karnickel, in die Welt zogen als Soldaten und noch nicht zurück kehrten.

Noch wirkt hinter dem Hügel die Nacht dunkel und mörderisch, aber klar, dort ist jetzt niemand mehr, nur Piniennadeln und Stille und Pilze, die gut zu essen und gut zu trocknen sind — und weiter springen die Assoziationen zurück in die alte Normalität: um sich die Soße zu machen, wenn es Weihnachten wird — und weiter zu einer mit Weihnachten verknüpften Erinnerung: wenn die Kinder weinen und nicht schlafen gehen wollen.

General, diese fünf Sterne; diese fünf Tränen auf meiner Haut — welchen Sinn haben sie im Lärm dieses Zuges, der halb leer ist und halb voll — einerseits sind viele gefallen, andererseits haben welche überlebt —, und der schnell der Rückkehr entgegenfährt — in zwei Minuten ist es quasi Tag und quasi Zuhause und quasi Liebe. Krieg macht alles andere relativ — quasi …

Das Lied „Generale“ ist wohl jedem Italiener geläufig. Das wurde auch deutlich, als Italiens größter Rockstar Vasco Rossi sein Konzert „Rock sotto l´assedio“ (Rock während der Belagerung, San Siro/Milano, 1995) mit „Generale“ begann — da sang das ganze Stadion mit. Vasco Rossi damals: „Es ist ein Lied gegen den Krieg — gegen ALLE Kriege!“ Mit diesem Konzert wollte er seinen Respekt für die Musiker ausdrücken, die während der fast 4-jährigen Belagerung Sarajewos ein Konzert organisierten, aus dem Bedürfnis nach ein wenig Normalität im Wahnsinn des Krieges.


 


Medienpartner

Nacktes Niveau (Paul Brandenburg), Punkt.preradovic, Kaiser TV,
Hinter den Schlagzeilen, Demokratischer Widerstand,
Eugen Zentner (Kulturzentner), rationalgalerie (Uli Gellermann), Protestnoten, Radio München (Eva Schmidt), Basta Berlin, Kontrafunk und Ständige Publikumskonferenz.

Weitere können folgen.

 


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.manova.news/artikel/willkommen-im-faschutzmus

 

Weitere italienische Lieder, die sich mit dem Krieg beschäftigen, sind:

  • Enrico Ruggeri: Lettera del Fronte (ein Soldat schreibt an Weihnachten im Schützengraben einen Brief nach Hause)
  • Vasco Rossi: Faccio il Militare (Vasco macht sich über den Militärdienst = Kriegsspielerei lustig, was zu einem Boykott durch alle Radiosender führte)
  • Francesco Guccini: Auschwitz (Was passierte mit den Insassen? Sie endeten „im Wind“!)

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen