Die Diskurs-Vergifter

 In FEATURED, Medien, Politik (Inland)

Eine Journalistenkaste, die auch nur einen Hauch von Schamgefühl oder Anstand besäße, würde nach der #allesaufdentisch-Aktion innehalten und sich öffentlich entschuldigen. Zahlreiche Schauspieler und weitere Kulturschaffende haben Interviews (1) mit Experten zur Coronapandemie geführt — Medien reagieren darauf mit einem Kübel Dreck. Die Aktion #allesaufdentisch (2) zeigt auf, dass so manchen Journalisten und Medien Argumente und Sachlichkeit egal sind. Was sie tun, ist das, was sie permanent anderen vorwerfen: Stimmung schüren und den Diskurs vergiften. Die Videointerviews machen eindrucksvoll sichtbar: Ja, das Problem in unseren Medien ist groß (3). Kritische Stimmen, wie sie in den Videos zu hören sind, finden dort gar nicht oder nur marginal Gehör. Eine dicke Entschuldigung wäre insofern angebracht gewesen. Stattdessen setzt sich die Sabotage eines offenen Dialogs fort. Ein Kommentar von Marcus Klöckner, Autor des im Rubikon-Verlag erschienenen Buches „Zombie-Journalismus: Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?“. Marcus Klöckner

 

Fast 1.200 Minuten Videomaterial sind es, die derzeit auf der YouTube-Seite von #allesaufdentisch zu finden sind. Fast 1.200 Minuten, die im Grunde genommen aufzeigen, was Vertreter großer Medien auf Biegen und Brechen leugnen und nicht wahrhaben wollen: Die Vorwürfe gegen sie sind angebracht. Journalisten stellen viel zu oft keine Öffentlichkeit her, sondern unterdrücken sie. In der Pandemie wurde so deutlich wie wohl noch nie zuvor, was Medien bedeuten, die sich ignorant gegenüber kritischen Stimmen zeigen. Die Konsequenzen für unsere Gesellschaft könnten kaum weitreichender sein.

Wenn es darum geht, ob Ausgangssperren berechtigt sind, wenn es darum geht, ob Kinder in der Schule Masken tragen müssen, wenn es darum geht, wie Zahlen vom Robert Koch-Institut (RKI), wie das Testgeschehen und wie die schwersten Grundrechtseinschränkungen seit Bestehen der Republik zu bewerten sind, dann gilt: #allesaufdentisch. Doch viele Journalisten haben anstelle von alles auf den Tisch zu legen nur eines auf den Tisch gelegt: ihren eigenen Kopf, aus Trotz! Was außerhalb ihrer Filterblase liegt, soll nicht angefasst werden.

Zum Glück gibt es Kulturschaffende in unserem Land, die über einen klaren Verstand verfügen.

Bereits durch die Aktion #allesdichtmachen haben Schauspieler und Regisseure verdeutlicht, dass dringend etwas gegen die einseitige „Berichterstattung“ in den Medien zu unternehmen ist. Sie haben — teils unter weitreichenden Konsequenzen für sie selbst und ihre Arbeit — den Mund aufgemacht, sich in kurzen, mit beißender Ironie und Sarkasmus versehenen Videos zu Wort gemeldet — und wurden dafür von sogenannten Qualitätsmedien mit Dreck beworfen.

Jetzt haben sie nachgelegt und sind selbst quasi in die Rolle von Journalisten geschlüpft. Sie haben Experten und kritische Geister ausfindig gemacht und haben diese interviewt — vor laufender Kamera, teils 20, 30 Minuten.

Mit anderen Worten:

Personen, die eigentlich mit Journalismus nichts am Hut haben, müssen als Journalisten und Moderatoren agieren und selbst dafür sorgen, dass eine der Realität und Meinungsvielfalt angemessene Öffentlichkeit hergestellt wird.

Eine Medienlandschaft, die auch nur noch den Hauch von Schamgefühl und Selbstreflexion besitzt, müsste nach Veröffentlichung dieser Videos innehalten, tief in sich gehen und dann endlich tun, was angebracht ist: sich entschuldigen.

Angebracht wäre es, wenn so manche Vertreter großer Medien sagten: Wir entschuldigen uns. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir uns zum verlängerten Arm der Pandemie-Politik gemacht haben. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir Angst und Panik geschürt haben. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir Todeszahlen, Infektionszahlen, Testzahlen über einen viel zu langen Zeitraum nicht kritisch hinterfragt haben, während diese Hinterfragung in alternativen Medien eine Selbstverständlichkeit war. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir die schwersten Grundrechtseingriffe hingenommen haben, als handele es sich dabei um die Änderung eines Halbsatzes in der Satzung eines Kaninchenzüchtervereins.

Wir entschuldigen uns dafür, dass wir Lockdowns geradezu herbeigesehnt haben. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir Bürger, die von ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung auf Demonstrationen Gebrauch gemacht haben, als Verschwörungstheoretiker und Rechte diskreditiert haben. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir schier unzählige Male in der ach so „objektiven Berichterstattung“ den Begriff „Schwurbler“ verwendet und somit den Diskurs vergiftet haben.

Wir entschuldigen uns dafür, dass wir uns gegenüber kritischen Zusammenhängen, die im Hinblick auf die Pandemie nicht unwichtig sind, ignorant verhalten haben. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir die Separierung von Geimpften und Ungeimpften im öffentlichen Leben nicht nur hingenommen, sondern teilweise auch noch gutgeheißen haben. Wir entschuldigen uns dafür, wie abschätzig und diskriminierend wir mit Bürgern, die gegen die Corona-Impfung Bedenken haben, umgegangen sind. Wir entschuldigen uns für den verbalen Dreck, den wir Kulturschaffenden und Wissenschaftlern, die sich an den Aktionen #allesdichtmachen und #allesaufdentisch beteiligten, entgegengeschleudert haben.
Die Entschuldigungsliste ließe sich gewiss leicht verlängern.

So in etwa hätten Medien jedenfalls reagieren müssen — eigentlich. Stattdessen maximale Ignoranz und Arroganz.

Gleich drei Redakteure der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisieren die Aktion unter der Überschrift: „Ein Kessel Hetze“, Katja Thorwart von der Frankfurter Rundschau findet, die Schauspielerin Isabell Barth lasse sich als „Corona-Medien-Naivchen“ inszenieren, der SWR fragt vorgeblich unwissend in die Runde: „Berechtigte Kritik oder gefährliche Schwurbelei?“, Arno Frank bezeichnet die Interviews im Freitag in der Überschrift als „assistierte Selbstgespräche“, und der DLF zitiert einen Experten für Verschwörungsideologie, der überzeugt ist, die Aktion befeure ein „schädliches Narrativ“. Zur Krönung meint dann auch noch Claus Leggewie in der taz, die Schauspieler seien allesamt „schlechte Interviewer und Moderatoren“.

Wenn die Schauspieler, die wohlgemerkt sehr viel Inhalt und Wissen aus ihren Interviewpartnern hervorgefragt haben, „schlechte Interviewer und Moderatoren“ sind, dann drängt sich die folgende Frage auf:

Was sind denn dann erst jene „Journalisten“, die im Auftrage des sogenannten Qualitätsjournalismus Politiker interviewen oder Talkrunden moderieren und dabei gefühlt eine Myriade an kritischen Fragen nicht stellen?

Anders gefragt: Was sind diejenigen „professionellen“ Journalisten, die dem kritischen Beobachter dadurch auffallen, dass sie Politiker in der Pandemie, aber auch generell immer wieder mit Glacéhandschuhen anfassen? Was sind Journalisten, die vom Leid der Kinder in der Pandemie nichts hören wollten? Was sind Journalisten, die durch ihr herrschaftsnahes Verhalten ihre Profession und ihren journalistischen Auftrag verraten haben?

Wollte man dem Niveau folgen, das bisweilen im Medienmainstream vorherrscht, müsste man wohl jetzt reflexartig den Begriff „Menschenfeinde“ einwerfen. Aber lassen wir das.

Jedenfalls lassen sich auf die gestellten Fragen die Antworten derjenigen, die gegen #allesaufdentisch agitieren, leicht ausmalen, nämlich: Die Schauspieler sind schlechte Interviewer und Moderatoren, die Journalisten, die Merkel und Co interviewen, agieren hochgradig professionell, journalistisch über jeden Zweifel erhaben und blablabla.

Uff! Die eigene Wahrnehmung der Realität sei diesen Medienleuten gewiss zugestanden. Im Sinnkosmos des „juste milieu“ vollzieht sich die Wahrnehmung der Realität ohnehin nach eigenen Gesetzlichkeiten. Im „real life“, in der realen Welt, hat sich dummerweise bei zentralen Themen der „Qualitätsjournalismus“ zum Zombiejournalismus verwandelt.

Die vielen alternativen Medien und Formate verweisen seit über zwei Jahrzehnten darauf, dass in unseren Medien etwas Grundlegendes nicht stimmt. Chronisten, die irgendwann einmal mit klarem Verstand auf die Aktionen #allesdichtmachen und #allesaufdentisch blicken, dürften zu dem Schluss kommen, dass die Lücke zwischen Anspruch und Realität im Qualitätsjournalismus noch nie so groß war wie heute.

Übrigens: Während diese Zeilen entstehen, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen wohl wegweisenden Beschluss gefasst. Die von der bayerischen Regierung beschlossene Ausgangssperre ist laut dem Gericht nicht rechtens. Und: Selbst der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier sprach im Hinblick auf die Coronamaßnahmen davon, dass längst nicht jeder Zweck die Mittel heilige, außerdem seien manche Entscheidungen der Regierungen „fast absurd“ gewesen.

Für wache Bürger, denen Demokratie und Rechtsstaat am Herzen liegen, ist das nichts Neues. Deshalb sind viele von ihnen auf die Straße gegangen, während Medienvertreter schambefreit davon sprachen, dass sie sich als „Lauterbach-Ultras“ verstehen oder wünschten, dass „die gesamte Republik mit dem Finger“ auf die Ungeimpften zeigen möge.

Gut, dass es #allesaufdentisch gibt!

 

 

 

Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.youtube.com/hashtag/allesaufdentisch
(2) https://www.youtube.com/watch?v=bJaKy2ZvQGk
(3) https://www.nachdenkseiten.de/?p=55866

 

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