Die Essensfälscher: Gewinnmaximierung in der Lebensmittelindustrie

 In FEATURED, Wirtschaft

Was dem Verbraucher nützt, schadet der Lebensmittelindustrie – und umgekehrt. Diese Erkenntnis ist bitter, aber wir sollten uns ihr stellen. Alles, was den Gesetzen des Profits unterworfen wird, unterliegt einem fortschreitenden Prozess der Verzerrung und Vergiftung. Konkret: gesunde, wertvolle Lebensmittel sind gut und schön – aber sie rechnen sich für die Herstellerfirmen einfach nicht. Weißmehlpampe, Zucker-Overload, Geschmacksverstärker, Zusatzstoffe – alles garniert mit irreführenden Werbebotschaften und Mogelpackungen: das wollen uns die Essensfälscher andrehen. Und wir schlucken’s, wenn wir nicht aufpassen. Wenn es für „die Wirtschaft“ gut läuft, profitiert dann hinterher auch noch die Gesundheitsindustrie von den Folgen der Fehl- und Mangelernährung. Auszug aus dem Buch „Blenden, Wuchern, Lamentieren“.  Christian Kreiß, Heinz Siebenbrock

 

»Um die Umsätze hochzufahren, ist so ziemlich alles erlaubt – Falschdarstellung, Täuschung, Lügen –, außer es ist strafbar. Diese Einstellung führt unweigerlich zur erlaubten Lüge (…) beim Planen von Werbeanzeigen und Verkaufen von Produkten.« Verkaufen um jeden Preis, auch wenn es noch so gesundheitsschädigend, irreführend und betrügerisch ist: So könnte man das Hauptmotto der Lebensmittelkonzerne nennen. Thilo Bode, der wohl renommierteste Kritiker der Lebensmittelbranche, spricht vom »irren Diktat zu unbegrenztem Wachstum«, vom Profit- und Rendite-Ziel, von dem die Lebensmittelbranche getrieben ist. Wenn Wachstums- und Gewinndiktat die treibenden Motive der Lebensmittelkonzerne sind, dann folgen daraus automatisch Verbrauchertäuschung und Kundenbetrug.

Denn dann geht es ja logischerweise nicht mehr um die Befriedigung von Kundenbedürfnissen und Verbraucherwünschen, sondern darum, die Umsätze um jeden Preis hochzufahren. Wenn die Anreize für den einfachen Beschäftigten von der Konzernspitze so gesetzt werden, dass Mehrabsatz, Umsatzsteigerung und Gewinnerhöhung um jeden Preis belohnt werden, dann werden die Handlungsweisen auch selbstverständlich danach eingerichtet und nicht danach, was das Beste für die Verbraucher ist. Die Folgen daraus für die Qualität der Lebensmittel können wir fast täglich in den Zeitungen nachlesen. Was Verbrauchertäuschung und Kundenbetrug angeht, stehen die großen Lebensmittelkonzerne ganz weit vorne. Die Verbraucherzentrale Nordrhein- Westfalen hat im August 2013 ein Buch herausgebracht, das sich ausschließlich mit Lebensmittellügen beschäftigt. Schon ein Blick in das Inhaltsverzeichnis des Buches spricht Bände: 1. Wie funktionieren die Werbetricks des Lebensmittelhandels? 2. Wie können Produktnamen täuschen? 3. Wie wird mit dem Begriff »Geschmack« getrickst? 4. Große Verpackung, wenig Inhalt? Wie mit der Füllmenge getrickst wird. 5. »Gesund, schlank, fit« – wie mit falschen Gesundheitsversprechen geworben wird. 6. Reingefallen beim Einkauf? So können Sie sich wehren.

Tricksereien, Lug und Trug sind demnach an der Tagesordnung. In seinem Spiegel-Bestseller mit dem bezeichnenden Titel »Die Essensfälscher – Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen« schildert Thilo Bode ausführlich die zahllosen Praktiken im Lügen und Fälschen, die systematisch begangen werden. Wichtig ist, dass die Vorgehensweise System hat, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern um eine zugrunde liegende Struktur bei der Vermarktung von Lebensmitteln zulasten der Verbraucher und zugunsten der Unternehmensgewinne.

Wie kommt es zu diesen von fast allen Medien ständig bestätigten Fehlleistungen der Marktwirtschaft? Vertreter der Lebensmittelindustrie argumentieren, man erfülle lediglich die Wünsche der Verbraucher, man sei der Diener der Kunden, befinde sich in knallhartem Wettbewerb und könne sich daher, bis auf wenige kriminelle Ausnahmen, Kundenbetrug, Übervorteilung und Irreführung gar nicht leisten, sonst verliere man die Kunden an die Konkurrenz. Die Argumente der Lebensmittellobby stimmen aber nicht. Das sind in der Regel reine Werbebotschaften oder PR-Statements, denn in den meisten Fällen sind Produkte, die für die Verbraucher gut sind, für die Unternehmensgewinne schlecht – und umgekehrt.

Ein paar Beispiele: Weißer Zucker, industriell hergestelltes Fett und ausgemahlenes Mehl sind besonders billige Zutaten. Außerdem schmecken sie gut. Leider sind sie aber, in größeren Mengen konsumiert, besonders ungesund. Die Lebensmittelkonzerne versuchen daher aus Kosten- und Absatzgründen, möglichst viel davon in die Produktrezepte hineinzustecken, um die Gewinne hochzufahren. Bekannteste Beispiele dafür sind Cola, Limonaden oder stark gezuckerte Süßgetränke, Schokolade, Eis, Kekse, allgemein Süßwaren, aber selbst Müsli-Rezepturen werden so zusammengestellt: möglichst süß, möglichst fett. In der Werbung, auf den Verpackungen und durch gekaufte wissenschaftliche Studien wird dann normalerweise der Anschein erweckt, als seien die Lebensmittel gar nicht so ungesund. Dabei wird systematisch mit Fehldarstellungen und Verbrauchertäuschung gearbeitet – im Dienste der Gewinne. Im Gegensatz dazu sind viele besonders gesunde Grundnahrungsmittel wie unverarbeitetes Obst, Gemüse, Milch, Vollkornbrot usw. für die Lebensmittelkonzerne überhaupt nicht lukrativ, weil sie nicht oder wenig verarbeitet und als Zutaten vergleichsweise teuer sind. An ihnen verdienen die Konzerne daher schlecht.

Noch schlimmer: Dafür bräuchte man eigentlich gar keine Lebensmittelverarbeiter wie Nestlé, Coca Cola, Unilever, PepsiCo, The Kraft Heinz Company, Mondelez International und Danone, die sieben größten Lebensmittelkonzerne. Die gewinngetriebenen Großunternehmen unternehmen daher alle erdenklichen Marketing-Anstrengungen, um möglichst stark raffinierte und möglichst ungesunde Lebensmittel in den Markt zu drücken. Die Werbeetats für wirklich gesunde Lebensmittel und Grundnahrungsmittel machen nur einen winzigen Bruchteil der gesamten Marketing-Ausgaben aus.

Ein drittes Beispiel sind Additive, Zusatzstoffe wie Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Antioxidanzien, Emulgatoren, Stabilisatoren, Verdickungsmittel, Geliermittel, Rieselhilfen, Säureregulatoren, Schaumverhüter, Mehlbehandlungshilfen, Feuchthaltemittel, Treibgase, Schutzgase, Packgase, Kaumassen, Backtriebmittel, Komplexbildner, Festigungsmittel, Farbstabilisatoren, Mineralstoffe, Schmelzsalz, Trägerstoffe, Füllstoffe und Trennmittel.

Insgesamt sind knapp 400 solcher Zusatzstoffe in Lebensmitteln offiziell erlaubt. Manche Lebensmittel enthalten riesige Chemie-Cocktails. Viele davon sind sehr ungesund, führen zu Allergien, Lebensmittelunverträglichkeiten, Hyperaktivität usw. Die Ausrede der Lebensmittelkonzerne, die Mittel seien ja alle gesetzlich erlaubt und daher gesundheitlich unbedenklich, ist reine PR. Die Großkonzerne unternehmen – mit Erfolg – alles, um gesetzliche Einschränkungen durch Zulassungsbehörden zu verhindern oder hinauszuzögern. Die Zulassungsbehörde für Europa, die EFSA, ist bekannt für ihre starke Lobbyinfiltrierung. Sie macht oft den Eindruck, reine Handlangerin der Großindustrie zu sein – zugunsten der Konzerngewinne, von denen auch viele EFSA-Mitarbeiter profitieren, und zulasten der Gesundheit der Bevölkerung. Dass es auch anders geht, zeigt die Bio-Branche: Dort ist nur etwa ein Zehntel dieser Zusatzstoffe erlaubt.

 

Nächste Woche lesen Sie auf „Hinter den Schlagzeilen“ von Christian Kreiß und Heinz Siebenbrock: Gewinnmaximierung im Gesundheitswesen.

 

 

Christian Kreiß, Heinz Siebenbrock:

Blenden, Wuchern, Lamentieren.

Wie die Betriebswirtschaftslehre zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt

Europa Verlag

272 Seiten, € 22,-

 

Anzeigen von 5 Kommentaren
  • Die Erde lebt...(e)
    Antworten
    Ob die Lebensmittelindustrie, die Modeindustrie oder die Verpackungsindustrie, ob ob ob, et cetera et cetera et cetera…

    Mein (T)TIP(P) an alle sogenannten Verbraucher, die sich vor dieser Wirtschaftmafia mitsamt ihren sich selbst gerne als VolksvertreterInnen bezeichnenden Vasallen aus dem Reich der Politik schützen und dazu noch Gesund und Umweltfreundlich leben möchten…

    .

    Alle Naturwissenschaftliche Studiengängen ab der Geburt mit Auszeichnung absolvieren. Und zur Krönung ein Studienabschluss in eines von der globalisierten Wirtschaftsmafia praktizierten „NICHT NATURIDENTISCHEN WISSENSCHAFTEN“.

    Anschließend dann schnell noch eine Erkundungsreise um den GLOBUS ERDE, zur Inspektion aller für den Verbraucher unzureichend bekannten „UMWELTZERSTÖRUNG DER WIRTSCHAFTMAFIA“. Aber bitte möglichst schnell, ist das Leben ansonsten zu kurz, um es selbstbewusst wahrzunehmen.

  • Piranha
    Antworten
    Ich habe mir heute ausnahmsweise mal die Sendung mit Lanz angeschaut.

    Besonders positiv ist mir Maja Göpel aufgefallen. „Sie erklärt, warum Nachhaltigkeit zum zentralen Thema der Gesellschaft werden muss.“ (ZDF)

    Ich meine es lohnt sich, ihr genau zuzuhören.

    https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-26-februar-2020-100.html

    Und nebenbei: Lanz hat es einmal geschafft, nicht ständig dazwischen zu plappern.

  • So tickt Wirtschaft
    Antworten
    MIT FREUNDLICHKEIT IST IHR KEINE LÄUTERUNG ZU VERMITTELN

    .

    Nur kleine Beispiele…

    Die Plastik-Invasion – Coca-Cola und der vermüllte Planet
    (T)TIP(P): https://www.youtube.com/watch?v=NNRmyUpUzb4

    .

    Grüne Versprechen
    (T)TIP(P): https://www.youtube.com/results?search_query=grüne+versprechen+-+wie+verbraucher+getäuscht+werden

    .

    Alles für die Tonne
    (T)TIP(P): https://www.youtube.com/watch?v=UMuypSo5iE8

  • ert_ertrus
    Antworten

    „NICHT NATURIDENTISCHEN WISSENSCHAFTEN“

    Oder Private Equity (STEM = MINT im Deutschen)

    Fast wünscht man sich die drakonischen Strafen des Mittelalters und einiger früherer afrikanischen Stämme zurück (in einen Sack mit drei bösartigen Tieren eingenäht ertränkt zu werden, in eine Grube voll mit Ratten, Schlangen und Skorpionen geworfen zu werden) – aber was an Einzeltätern exerziert werden konnte – funktioniert leider nicht mit mächtigen globalen Konzernen und ihren Lobbyistenarmeen …

    • NACHARMUTSWERT
      Antworten
       

      Smiley, Emoticon, Emoji, Gelb, FreudeNäääää…ich bleib bei

      .

      „NICHT NATURIDENTISCHEN WISSENSCHAFTEN“.

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      Aber Private Equity (STEM = MINT im Deutschen) geht auch.

      .

      Ich weiß leider nicht mehr, ob in einem Bericht der ZWANGSGEBÜHREN-Nachrichten oder in einer (wohl eher nicht) Dokumentation, als man ein Amazonas-Volk mit der MARKT-PROPAGANDA zeigte, sie wollten aus ihrer Armut raus.

      Das traurig lustige daran war, sie trugen MODERNE PULLIS der Wertegemeinschaft.

      So sindse, die PARASITÄRE DEKADENZ der Wertegemeinschaft. Selbst für die von ihnen als Arm erkannten Naturvölker im tiefsten von ihnen noch nicht zerstörten Dschungel haben sie ein Pulli übrig. Natürlich nicht umsonst. Aber das versteht sich ja von selbst.

      Ob sich diese von ihnen als arm erkannten (noch?) Naturvölker wohl vor den Raubbau der PARASITÄREN DEKADENZ sich so auch fühlten?

      Und der Wunsch nach einen Pulli und andere Produkte der Wertegemeinschaft, die sie vor lauter Unkenntnis aus dem NICHTS sich wünschten…, naja, die brauchte wohl ein wenig NACHHILFE.

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