Die Zerbrechlichkeit der Erde und unser Spiel mit dem Feuer
Pünktlich zum “Fest der Liebe” erfreuen uns unsere Politiker mit einem neuen Krieg. Man versucht das Feuer im Nahen Osten zu löschen, indem man weiter Öl hinzugießt. Dieses brandgefährliche “Spiel” könnte in uns – mit vielen weiteren schlechten Nachrichten – in Verzweiflung und Resignation treiben. Dabei drückt sich in unserer Empfindsamkeit gegenüber der Zerstörung des Friedens und unserer Biosphäre gerade die Liebe zu dem aus, was zerstört werden soll. Können wir trotzdem unser seelisches Gleichgewicht aufrecht erhalten? Und können wir vielleicht sogar etwas tun, um das Schlimmste zu verhindern? (Bernhard Fricke)
Ein wieder einmal verspäteter Zug führte mich gestern Abend in die Bahnhofsbuchhandlung, wo mir das GEO-Extraheft „Überirdisch“, in dem der deutsche Astronaut Alexander Gerst – inzwischen medial auch als „Astro-Alex“ bekannt – die besten Fotos aus dem All und seine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen zusammen gefasst hat:
„Unsere Erde ist verletzlich, einzigartig und wunderschön. Ich wünschte, jeder Mensch hätte einmal im Leben die Chance, die Erde von außen zu sehen. Jeder von uns sucht am Fenster nach seiner Heimat, aber gerade Europa ist schwierig zu überblicken, es sind keine Grenzen zu sehen. Aus der Ferne wirkt es verrückt, wie wir mit der kleinen Welt umgehen.“
Ähnliche Eindrücke über die Schönheit und Zerbrechlichkeit unseres Heimatplaneten Erde hatte mir der IMAX-Film „Blue Planet“ geschenkt, den ich schon vor Jahren gesehen hatte. Umso schmerzlicher ist es, immer wieder festzustellen, wie wenige Konsequenzen wir aus diesen Erkenntnissen gezogen haben: Wir handeln so, als ob wir eine Ersatz-Erde zur Verfügung haben, auf die wir einfach überwechseln können, wenn wir unseren Heimatplaneten Erde endgültig ruiniert haben. Durch unseren verschwenderischen Lebensstil zündeln wir ununterbrochen an unserem zerbrechlichen Erd-Haus. Es ist absehbar, dass der letzte Urwaldbaum bald abgeholzt und die letzte Eis-Scholle abgeschmolzen sein wird. Aber statt abzubremsen beschleunigen wir die Fahrt in den Abgrund: Wir erleben den Staatskonzern VW als kriminelle Vereinigung, den ADAC und den Deutschen Fußballverband, den größten der Welt, als Horte der Korruption, die Ölpreise liegen als ökologisches Desaster am Boden, die deutsche Solar-Industrie ist vorsätzlich zerstört worden, das deutsche Militär-Abenteuer in Afghanistan hat sich zu einem absehbaren Desaster entwickelt, für die in großer Zahl bei uns ankommenden Flüchtlinge gibt es kein realistisches Integrationskonzept.
Jetzt wollen wir auch noch mit Tornados in den Syrienkrieg eingreifen. Das ist ein völlig falsches Signal, was vermutlich nur die bei uns „schlafenden Terroristen“ aufwecken, aber mit Sicherheit keinen Frieden bringen wird. Wenn wenigstens diese martialische Ankündigung mit einem Hinweis verbunden gewesen wäre, dass die humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge, vor allem in den Nachbarländern wie Libanon und Jordanien, deutlich aufgestockt und ein Millionenprogramm für ausstiegswillige Dschihadisten aufgelegt werden soll, hätte dies zu einer gewissen Balance führen können, aber dies ist leider nicht geschehen.
Diese Entwicklung hat in mir ein tiefes Unbehagen ausgelöst. Es ist ein brandgefährliches Spiel mit dem Feuer, das durch einen einzigen, jetzt provozierten Anschlag, unseren fragilen Weihnachtsfrieden nachhaltig stören kann. Wir können und müssen in dieser kritischen Situation das uns und allen Menschen innewohnende Liebes- und Friedenspotenzial aktivieren und unsere Gedanken und Gefühle mit Friedensvisionen durchtränken, um gemeinsam ein Feld des Friedens aufzubauen. Beten, meditieren und hoffen wir wie nie, damit der Kelch nochmals an uns vorüber geht und die Saat der Gewalt in unserer extrem verwundbaren Gesellschaft nicht aufgehen möge.
Ich denke, was in dieser Situation, kurz vor dem 30. Tschernobyl-Jahrestag, helfen könnte, ist Folgendes: Jeder Einzelne muss sich endlich wieder für sich selbst, seine Familie, seine Freunde, sein Land, seinen Kontinent und schließlich für seinen Heimatplaneten Erde insgesamt verantwortlich fühlen. Damit werden wir fähig, uns überall dort einzumischen, wo die Menschenwürde bedroht, wo Wahrheit und Gerechtigkeit mit Füßen getreten, wo unsere natürlichen Lebensgrundlagen weiter zerstört und Tiere gequält werden.
Ich möchte Mut machen, den „Davids-Weg der kleinen Schritte mit großer Perspektive“ gemeinsam zu gehen. Das sind meine Tipps:
• Abschalten: nicht nur die Atomanlagen, sondern so oft wie möglich auch Computer und Fernsehen, um Reizüberflutung und Ablenkung vom Wesentlichen einzuschränken
• Verlangsamen, Innehalten, zur Besinnung kommen, Entscheidungsspielräume gewinnen
• Zentrieren: in der Stille zur eigenen Mitte, Kraft und Urteilsfähigkeit finden
• Einmischen: Widerstand macht gesund, Gleichgültigkeit macht krank
• Genießen: die Kostbarkeit des Augenblicks, des JETZT
• Annehmen: Ja sagen zu allem, auch zu jedem Schmerz, zu jedem Leid, das zu uns kommen will, und dann einen Neubeginn wagen
• Entscheiden: Wir treffen jeden Tag an der Ladenkasse eine Entscheidung für oder gegen die Umwelt. Kaufen wir Bio-Produkte aus regionaler Produktion? Legen wir unser Geld in ethischen Fonds oder bei der GLS oder Umweltbank an
• Verlangsamen: .Innehalten, zur Besinnung kommen. .Entscheidungsspielräume gewinnen
• Zentrieren: in der Stille zur eigenen Mitte, Kraft und Urteilsfähigkeit finden
Zum Schluss möchte ich an die Mut machenden Worte des persischen Sufi Mystikers Mevlana Rumi erinnern: „Du bist nicht zum Kriechen geboren, also krieche nicht. Du hast Flügel. Lerne sie zu gebrauchen und fliege.“ Wer will uns aufhalten: Fliegen wir.