Ein Leuchtturm im Sturm

 In FEATURED, Gesundheit/Psyche, Politik, Umwelt/Natur

Clemens G. Arvay, Foto: Lukas Beck, Lizenz Creative Commons

Der Biologe Clemens Arvay, der den Freitod gewählt hat, zeigte in der politischen Auseinandersetzung eine Fairness und Sachlichkeit, die seinen Gegnern leider nicht eigen war. Niemand wird je mit Sicherheit sagen können, was in Clemens Arvay in den Stunden und Tagen vor seinem Tod genau vorging. Wer ihn aber relativ gut kannte, wie der Autor, kann plausible Hypothesen darüber anstellen. Arvay war kein typischer Kämpfertyp, eher ein feinsinniger Wissenschaftler, Künstler und Naturfreund, der sich nicht ohne Grund gern von den Menschen zurückzog. Er glaubte an die heilsame Wirkung sachlicher Auseinandersetzung und gewaltfreier Kommunikation. Sein Unglück war, dass die Feinde, die er durch seine kritische Haltung in der Gesellschaftskrise der letzten Jahre auf sich gezogen hatte, dies ganz anders sahen. Die wollten ja nicht verstehen und einen Diskurs führen, sondern verletzen und diffamieren, um einen Gegner mundtot oder zumindest in der Öffentlichkeit unmöglich zu machen. Die gemeinsame Trauer kann uns diesem Menschen nahebringen, dem man am besten gerecht wird, indem man seine Erkenntnisse um- und sein Werk fortsetzt. Es bleibt die Erinnerung an ein in seiner Kürze reiches Leben, in dem wissenschaftliche Sorgfalt ebenso ihren Platz hatte wie der Klang der Blockflöte oder der Duft der Zirbelkiefer. Ein Nachruf zu Clemens Arvay. Dietrich Klein

 

Es sind dunkle Zeiten, tiefdunkle Zeiten inmitten der globalen gesellschaftlichen Krise, die im März 2020 begann. Die Menschen sind verwirrt, leiden unter einer Bedrohung, die ihre Gesundheit betreffen soll und die real aber auch zugleich abstrakt zu sein scheint. Alle suchen in dieser Zeit nach Orientierung, und die meisten entscheiden, sich den düsteren, aber wenigstens allgemein anerkannten Schreckensprognosen über eine rapide um sich greifende tödliche ansteckende Krankheit hinzugeben und auf die Erlösung zu hoffen, die eine moderne Gesellschaft mit ihrer Hochkultur der Wissenschaft und Technologie sicher bald bereitstellen würde.

Auf dieses Gedankennetz haben sich die meisten Menschen als allgemeingültigen Konsens geeinigt. Wenn es da nicht wenige vereinzelte Menschen gäbe, die mit einer diametral anderen Deutung der Krisensituation daherkommen und das sicher geglaubte Gedankengebäude zu verändern versuchen.

Zu genau diesen Personen zähle ich Clemens Arvay. Er tauchte plötzlich aus dem weitgehend homogen geknüpften Informationsnetz auf und fing an, einzelne Knoten zu lösen und die Knotenpunkte neu zu verbinden. Das Besondere dabei war, dass er sich genau der Methode des unangefochtenen Glaubensprinzips unserer modernen Gesellschaft — der Wissenschaft — bediente.

Ich selbst bin Ingenieur und komme daher aus einer Disziplin, die nur durch stringente Anwendung von Logik und Beachtung von Kausalketten überhaupt ansatzweise funktioniert. Kein Auto würde beim Anlassen auch nur einen Mucks von sich geben, kein Flugzeug nur einen Millimeter abheben, und keine Brücke würde stehen bleiben, wenn Ingenieure sich nicht knallhart an die Naturgesetze der Mechanik halten würden, die Gelehrte der Vergangenheit als wiederkehrend in der Natur erkannt haben. Mit diesem Denkmuster bin ich damals auch an die Analyse unserer Gesellschaftskrise herangegangen und war immer wieder überrascht und unbefriedigt, dass es zwar einen allgemeingültigen wissenschaftlichen Konsens über eine globale Gesundheitsbedrohung zu geben schien, die Herleitung der Kausalkette auf die zugrundeliegende Ursache jedoch nicht vollständig nachvollziehbar war.

Wer kann und will schon den Myriaden von Informationen und Studien im Detail auf den Grund gehen, um zu prüfen, ob das bereits als allgemeingültig anerkannte Paradigma wirklich auf soliden Füßen steht? Der Biologe Clemens Arvay. Er ist mir in der Verzweiflung, in der ich mich wegen der Deutung der globalen Krise befand, wie ein Leuchtturm im Sturm aufgefallen. Er hat seinen wissenschaftlichen Geist und Fleiß und seine Fähigkeit zum knallharten logischen Denken genutzt und messerscharfe Analysen medial und in Büchern für die wachsende Zahl ganzheitlich denkender Menschen aufbereitet. Es waren also durch ihn plötzlich sehr klare logische Zusammenhänge mit Tiefgang sichtbar, und die Gruppe der Menschen, die ihm folgten, konnten sich ein wesentlich besseres Bild von der Situation und den möglichen Auswegen daraus durch medizinische Maßnahmen machen.

Dabei hat er sich klug und undogmatisch verhalten und jedem Menschen immer die Freiheit gelassen, sich auf seine Erkenntnisse einzulassen oder eben nicht.

Seine Buchtitel waren in dieser kritischen Zeit eher mit einem Fragezeichen als mit einem Ausrufezeichen formuliert und positiv konnotiert. So wie eines seiner letzten Schlüsselbücher zu dem Thema: „Wir können es besser“. Darin vertritt er die Kernthese, eine gesündere Welt zu schaffen, durch den Ansatz, Medizin stärker ökologisch und nicht nur stofflich mechanistisch zu definieren.

Er fordert in dieser Hinsicht einen Umbruch und sieht den positiven Dialog, in dem wir körperlich und seelisch mit unserer Umwelt und der Natur stehen sollten, als den Schlüssel für eine nachhaltige Gesundheit des Individuums und der Gesellschaft. Er kämpfte unermüdlich, die Menschen für einen besseren Weg zu Gesundheit aufzuklären, an seinem Wissen teilhaben zu lassen, eben auch in einer Zeit, in der es sehr schwer geworden war, breitere Bevölkerungsgruppen noch medial zu erreichen.

Er wurde ob seiner alternativen Ansichten zum allgemeinen Konsens ausgesperrt aus dem medialen Betrieb der Mainstream-Meinung, in dem er sich in der Vergangenheit als respektabler Gast in Talkshows und mit wissenschaftlichen Büchern und Fachartikeln souverän bewegt hatte.

Seine Persönlichkeit und wissenschaftliche Karriere als Biologe wurde — und das muss man hier ganz deutlich sagen — auf maximal boshafte Weise über die allgemeingültigen „Wissensplattformen“ und durch sonderbare Gegenspieler in der Blogger- und Vlogger-Szene in den Dreck gezogen.

Hier zeigt sich plötzlich Clemens Arvays Verletzlichkeit. Seine Achillesferse. Er definierte seine Persönlichkeit stark über seine Karriere und Reputation und fängt an, sich zu wehren. Auf Menschen, die es wagten, ihn mit Unlogik und eben meist auch diffamierend zu konfrontieren, reagiert er konsequent. Neben seinen sonst sehr informativen Analysen über die Studienlage zur Bekämpfung der Gesundheitskrise gab es jetzt einen harten medialen Schlagabtausch vom Feinsten auf den sozialen Medienplattformen mit seinen Gegenspielern.

Er konnte die Dinge nicht so stehen lassen. Er hat sich aufgerieben, hat für sich nicht realisiert, dass er in dieser Hinsicht auf verlorenem Posten stand. Er hätte den übermächtigen Sturm vorüberziehen lassen müssen und nicht versuchen sollen, gegen ihn anzukämpfen und seine mentalen Reserven damit aufzubrauchen, die er noch für wichtigere Dinge gebraucht hätte. Er ist damals schon, wie wir heute durch seinen vermutlichen Freitod im Februar 2023 deuten können, bereits auf ein Märtyrertum zugesteuert. Er hat sich seelisch aufgebraucht. Soweit zumindest meine Analyse aus den leider nur fragmentarischen Einsichten in seine Persönlichkeit.

Dieser mediale Schlagabtausch, für den er so viel Energie aufwendete, war aber für Logiker durchaus ein Hochgenuss und fast mit derselben Spannung wie auf die wöchentlich erwartete Krimiserie herbeigesehnt, wenn er ein Reaktionsvideo auf einen Angriff seiner Person und Reputation im Internet veröffentlichte.

Diese Fähigkeit und Standhaftigkeit hat vielen seiner Follower, die sich selbst vielleicht nicht so klug und sachlich äußern und wehren konnten, ein Gefühl der Stärke und Sicherheit vermittelt. Er war für mich unangefochten einer der ganz großen Kämpfer für einen klares Denken in Zeiten großer Unsicherheit und Verwirrung. Es war aber auch deutlich zu sehen, dass dies ein riesiger Kraftakt war. Er wirkte sehr angefasst wegen der meist sehr unsachlichen und persönlichen Angriffe auf ihn. Ich kann mich an keinen Angriff auf ihn erinnern, bei dem über die Sache gefochten wurde. Es waren ausschließlich Diffamierungen persönlicher Natur. Er konnte sich schlecht abschotten.

Diese Angriffe sind direkt in seine Seele eingesickert, haben dort gewütet und begonnen, ein Zerstörungswerk anzurichten.

Ich kannte Clemens erst seit 2020, aber wenn man zurückschaut in seine Arbeit vor dieser Zeit, entdeckt man keinen knallharten Kämpfer für die Sache, sondern einen sensiblen, feinsinnigen Naturmenschen, Musiker, Gelehrten und bereits als Buchautor Prominenten, der von der Gesellschaft hätte getragen werden müssen, damit sie nachhaltig von seinem Genius profitieren kann. Allein die Titel der für sein kurzes Leben unerschöpflichen Anzahl and Büchern, die an anderer Stelle inhaltlich detaillierter besprochen werden sollten, wirken sensibel, ja fast poetisch: „Heilungscode der Natur“, „Mit den Bäumen wachsen wir in den Himmel“, und sein Bestseller, mit dem er am meisten Bekanntheit erlangt hat, zum Thema Heilung aus dem Wald: „Der Biophilia-Effekt“ (siehe Link auf ergänzenden Artikel zu dem Buch am Ende des Texts).
Die Traumreise mit einem wunderbaren Menschen

Ich möchte an dieser Stelle gerne noch eine persönliche Geschichte erzählen, in der ich Clemens persönlich kennen lernen durfte und auf drei große gefühlsmäßige Abenteuerreisen mit begleiten konnte. Clemens war Forscher mit einer bereits beachtlichen universitären Karriere. Er erforschte die Schnittstelle Mensch und Natur, und auf besonders gründliche Weise den Einfluss der Natur und vor allem des Waldes auf die Gesundheit des Menschen. Im Jahr 2021 suchte unsere Familie ein Schicksalsschlag heim und meine liebe Frau erhielt nach acht Jahren die erneute Diagnose eines fortgeschrittenen Brustkrebs-Rezidivs. Wir sind den Empfehlungen unseres Onkologen gefolgt, um eine Heilung voranzubringen.

Clemens hat in dieser Zeit seine Doktorarbeit vorbereitet, in der er über den Zusammenhang vom Aufenthalt in der Natur und im Wald auf die Gesundheit des Menschen forschte. Er suchte eine erste Gruppe von gesunden Frauen und Frauen mit Brustkrebsdiagnose als Probandinnen, die an einer Studie zum sogenannten Waldbaden teilnehmen sollten. Diese Teilnahme war verbunden mit zwei Blutabnahmen am Anfang und Ende des Aufenthaltes im alpinen Wald des Naturparks Zirbitzkogel in der österreichischen Nordsteiermark. Waldbaden unter dem stark nach terpenhaltigen Substanzen duftenden Harz, der dort heimischen Zirbelkiefer: Nichts Schöneres konnten sich meine erkrankte Frau und ich als Erholung und Ergänzung zu der bereits abgeschlossenen schulmedizinischen Krebsbehandlung als Weg zur Gesundwerdung vorstellen.

Die Frau des Autors beim Waldbaden unter einer alten Zirbelkiefer am Zirbitzkogel in der Steiermark, Österreich im Sommer 2021

Eine japanische Studie zum Waldbaden war wegweisend und vielversprechend, und Clemens Arvay konnte europäische Forschungsgelder über seine Universität in Graz sichern, um die positiven Ergebnisse der asiatischen Studie auch in den Wäldern Europas nachzuvollziehen. So schlimm uns das Schicksal mit der schweren Erkrankung meiner Frau erwischt hatte, so froh war ich doch, dass wir uns durch die Teilnahme an dieser wunderbaren Studie in der freien Natur aufhalten konnten, von einem Menschen geleitet, den ich durch seinen scharfen Geist bereits sehr bewunderte. Ich war neugierig, kannte Clemens ja nur aus Videos und über seine Buchbeiträge.

Er war für mich auf gewisse Weise eine ganz besonders große „Celebrity“ unserer Zeit. Die erste Begegnung in der Hotellobby. Wie ein Waldjunge mit feinem wehendem Zopf und kurzen Hosen stand er plötzlich im Raum und grüßte die Teilnehmer ruhig. Ich hatte von ihm eher den Eindruck eines scheuen Rehs als des toughen, schnell redenden Video-Blogger, den ich kannte. Er war verletzlicher und sensibler, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Höflich, feinfühlig, aber auch auf eine gewisse Art zunächst unnahbar und zurückgezogen.

Wir haben zwei wunderbare unvergessliche Tage gemeinsam mit ihm und seinem Team aus Helfern verbracht. Zu denen gehörte auch ein Vertrauter von Clemens Arvay, ein Arzt und Vertreter der Naturmedizin, der die Einrichtung und Nutzung von Gärten in Krankenhäusern zur schnelleren Genesung der Patienten vorschlägt und praktisch umsetzt. Er war für die regelmäßige gesundheitliche Überwachung der Probandinnen und für die Blutabnahmen vor Ort verantwortlich, und Clemens Arvay hat durch die gute Zusammenstellung eines so kompetenten Teams große Sorgfalt für die Sicherheit und das Wohlbefinden seiner Probandinnen verwendet.

Clemens hat die Gruppe wunderbar begleitet mit interessanten Vorträgen, die sehr akademisch am Flipchart, aber eben unter den wunderbaren Zirbelkiefern im Freien gehalten wurden. Jede Minute der Exposition der Probandinnen in der harzdurchtränkten Waldluft wurde genutzt. Wir sollten die Zirbelkiefernzapfen sammeln und uns zusätzlich ans Kopfende unseres Bettes legen, wir sollten die Bäume anfassen, direkt dem Harz exponiert sein. Noch heute liegen die schönen Zapfen an meinem Bett daheim.

Clemens war nahe bei der Gruppe, hat fotografiert und dokumentiert, regelmäßig Messungen der Umweltfaktoren wie Temperatur, Wind und Regen vorgenommen und diese in seinen Unterlagen notiert. Der Arzt und die Helfer waren angewiesen, regelmäßig Blutdruck und Blutsättigung der Probanden zu messen. Es wurde unter Clemens‘ Leitung also hochpräzise und wissenschaftlich gearbeitet und dokumentiert.

Clemens Arvay bei Messung und Dokumentation der Umweltparameter während der Kontrollgruppe der Waldbaden-Studie im Stadtpark von Wien im Sommer 2022.

Seine Genauigkeit im Denken, die in seinen Video-Blog-Beiträgen und Büchern zu erkennen ist, lebte er auch in jeder Pore während seiner Forschungsarbeit. Es war eine einmalige Erfahrung, so nah dran zu sein, wenn Menschen wie Clemens Wissen schaffen und präzise Wissenschaft betreiben. Er hat sich zwischendurch auch abgesondert und die Natur fotografiert oder still nachgedacht. Ich habe ihn aus der Entfernung beobachtet und einige wunderbare Bilder von ihm in der Natur ablichten können.

Ein kleines, spontan improvisiertes Konzert mit einigen Teilnehmerinnen brachte mich tief zum Nachdenken und zum Weinen. Es war sehr wehmütige und schöne, zugleich teils fröhliche Musik, die Clemens improvisierte. Er war immer mit verschiedenen Instrumenten ausgestattet, die er dann spontan parat hatte. In diesem Fall eine Gitarre. Die Musik war wie eine Trance, in der ich gedanklich in die schwere Erkrankung und den möglichen Tod meiner Frau eingehüllt war und getrauert habe.

Clemens konnte sich musikalisch so wunderschön und sensibel ausdrücken. Es war zauberhaft, aber hatte auch etwas von der Tiefe und Schwere in seiner Seele offenbart.

Clemens Arvay und sein Team bei der gesundheitlichen Überwachung und Dokumentation mit einer Probandin, der Frau des Autors, am Zirbitzkogel in der Steiermark, Österreich im Sommer 2021.

Die Traumreise war schon fast wieder vorbei, als ich mit Clemens, der am Anfang privat eher unnahbar wirkte, ein langes intensives Gespräch am letzten Abend im Restaurant des Kurhotels, in dem wir untergebracht waren, führen konnte. Ich befragte ihn darüber, wie er sich in der Zeit vor der Gesellschaftsrise bewegt hat, wie er in der jetzigen Situation auch mit den starken Angriffen auf seine Person klarkommt und was ihn privat bewegt.

Er berichtete von seinen Erfolgen als Spezialist zu biologischen Fragen in Talkshows im öffentlichen Fernsehen, die abrupt endeten, als er begann, eine andere wissenschaftliche Deutung der Dinge zu vertreten. Er litt unter dem mangelnden Diskurs, den er in der Wissenschaft bisher gewohnt war, machte auf mich zu diesem Zeitpunkt aber nicht den Eindruck, dass er daran zerbrechen könnte. Er war für mich der standhafte Clemens, wie viele von uns ihn aus seinen Vlog-Beiträgen kannten. Er sprach nur sehr am Rande über Privates, und ich habe erst nach mehreren Gesprächen und externen Quellen herausgefunden, dass er seinen kranken Sohn zuhause betreut. Darüber hat er kaum gesprochen, und der sonnige, etwas scheue und hochgeistige Mensch Clemens Arvay war der Mensch, den ich kennenlernen durfte.

Clemens Arvay, der Wissenschaftler im Wald, bei persönlichen Naturbeobachtungen am Zirbitzkogel in der Steiermark, Österreich im Sommer 2021.

Meine liebe Frau ist knapp ein Jahr nach dieser Traumreise auf den Zirbitzkogel doch an den Folgen ihrer schweren Krebserkrankung verstorben. Der Aufenthalt mit Clemens im Wald hat ihr letztes Lebensjahr zauberhaft begleitet, und ich denke, auch geholfen, ihr Leben zu verlängern. Mit Clemens bin ich in Kontakt geblieben, und kurz nach ihrem tragischen Tod hat er mich und meinen ältesten Sohn erneut zu einer Studiengruppe, dieses Mal mit Männern, auf den Zirbitzkogel und zu einer Kontrollgruppe in den Stadtpark nach Wien eingeladen.

Die These, die es im Rahmen seiner Doktorarbeit zu untersuchen galt, war, den Effekt der phenolharzigen Ausdünstungen des in dieser Hinsicht sehr reichhaltigen Gewächses der Zirbelkiefer für einen heilenden Effekt bei Menschen nachzuweisen. Dieser Gesundheitseffekt sollte über verschiedene Blutmarker dann wissenschaftlich erhärtet werden. Aus diesem Grund die Kontrollgruppe im Stadtpark Wien unter ähnlichen äußeren Bedingungen, aber ohne den Einfluss der Zirbelkiefer.

Clemens Arvay motiviert die zweite Gruppe der Probanden von Männern zu Studienzwecken, regelmäßig den Duft der Zapfen der Zirbekiefer zu inhalieren. Zirbitzkogel Österreich im Sommer 2022.

Auch diese beiden wunderbaren Ausflüge ins Grüne zum Wohle der Wissenschaft waren zauberhaft, und Clemens, durch den Tod meiner Frau berührt, war noch offener und persönlicher als vorher. Wir waren im Gebirge am Zirbitzkogel in einem großen Stiftkloster untergebracht, in deren Kapelle Clemens uns zum Gedenken an meine verstorbene Frau ein kleines Gedenkkonzert auf einer Bass-Blockflöte improvisiert hat. Anwesend waren in der späten Nacht nur noch sein Begleiter, der befreundete Naturarzt.

Clemens‘ Spiel auf zwei verschiedenen Flöten, eine aus Plastik, die er für seine Ausflüge ins Freie besorgt hatte, und noch wunderbarer auf der aus Holz, war verzaubernd. Ich will gerne diese stillen Momente der Trauer und Besinnung, in die uns Clemens in der kleinen Kapelle versetzt hat, als kleines Vermächtnis mit allen teilen, die um ihn trauern. Die Improvisation galt meiner Frau, und ich sehe sie im Nachgang auch als eine vorgezogene Trauer um Clemens und seine Seele, die so fein und verletzt war, was ich zu diesem Zeitpunkt in dieser Tragweite noch nicht wahrgenommen habe.

Ein ganz privater, sensibler Clemens Arvay, der ein Kraftbad und Powernap in der Sonne abseits der Probandengruppe am Zirbitzkogel nimmt. Zirbitzkogel Österreich im Sommer 2022.

Wir alle sind immer wieder vom Tod betroffen und berührt.

Und wenn uns besonders nahe Menschen oder große Menschen, die uns inspiriert und getragen haben, verlassen, können wir besonders tief in die Trauer eindringen. Der Mensch, um den wir trauern, schwingt dann in uns weiter. Und wenn es uns gelingt, durch diese Trauer die Resonanz dieser Menschen in uns und um uns am Leben zu halten, dürfen wir auch lebenslang trauern, ohne uns zu verzehren.

Meine Frau, die kein Jahr vor Clemens gegangen ist, und Clemens waren beide noch sehr jung, und mit Mitte 40 fast gleich alt. Sie schwingen in uns weiter und ermutigen uns, zu leben und das Leben in vollen Zügen bewusst zu erfahren und auszukosten. Das ist unsere Aufgabe, und mit dieser Haltung werden wir es auch schaffen, die dunklen Zeiten gut zu überstehen und immer wieder Licht in unsere Seele und die unserer Mitmenschen in unserer globalen Gesellschaftsfamilie zu tragen.

Quellen und Anmerkungen:

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Dank an den Rubikon, www.rubikon.news, wo dieser Artikel zuerst erschienen ist.

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