Elmau 2015, eine Ode und vier Esel

 In Monika Herz, Politik (Inland)

Eselfarm2Die Kunst ist frei – kein Wunschdenken von ein paar Naivlingen, sondern Inhalt unseres Grundgesetzes. Frei muss daher auch der Ort und Zeitpunkt der Aufführung sein. Das brachte Monika Herz auf den grandiosen Einfall, den hohen HerrInnen des Gipfels von Schloss Elmau (7./8. Juni) zu ihrer Belehrung und Erbauung eine Ode vorzutragen. Schon einmal machte eine Ode Furore, jene des bekannten Schriftstellers Schiller, eines Kollegen Monikas. Ihre Ode nun würde gewiss vor allem von einem Thema handeln: Frieden. Da gibt es für die edlen KongressteilnehmerInnen auch kein Entrinnen, wollen sie nicht ihren eigenen demokratischen Idealen untreu werden …

Liebe Frau Kanzlerin, lieber Herr Innenminister,

tut mir wirklich sehr leid, dass ich mich erst heute bei Ihnen melde. Beinahe hätte ich sie nämlich vergessen: Also nicht Sie beide, sondern DIE ODE!

Die Weltpremiere der Ode
Inklusive Weltfriedensvertrag
Gelesen auf den verbotenen Pfaden
Anno Schloß Elmau.

Bestimmt können Sie mir folgen. Die G7! Und Artikel 5. GG. Wissen Sie, Sie machen mir echt Sorgen! Erstens haben Sie den Herrn Putin nicht eingeladen und die G8 heißt jetzt G7. Jetzt reimt sich meine Ode nicht mehr. Auf 8 hat sich leicht was gereimt: sacht, lacht, Macht, kracht, Fracht … Ich weiß gar nicht, was ich jetzt tun soll. Soll ich etwa Rüben, lügen, betrügen auf die G-Sieben dichten? Am Besten tu ich gar nichts. Also an der Ode mach ich jetzt nichts mehr rum. Sie ist fertig. Glaub ich jedenfalls. Sie kann verlesen werden.

Weitaus größere Sorgen macht mir, dass ich die wunderbare, geradezu göttliche Ode womöglich nicht zu dem Zeitpunkt und an dem Ort werde verlesen können, der von mir, der Künstlerin, vorgesehen ist. Das heißt, eigentlich hat die Kunst selbst Raum und Zeit präzise in ihr Kunstwerk eingefügt. Sie sagte heute knapp und klar: zur richtigen Zeit! Wenn die richtigen Leute da sind. Als Künstlerin kann man in so einem Fall nur eins tun: gehorchen. Und tun, was die Kunst sagt.

Leider hab ich ganz vergessen, wie schwierig es unter Umständen sein könnte, an einem vorgesehenen Ort zur vorgesehenen Stunde zu erscheinen, wenn die Kunst es so befiehlt.

Deshalb habe ich gleich mit vergessen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Das möcht ich jetzt gern nachholen. Formlos, versteht sich.

Antrag auf Erfüllung des Grundgesetzes, Artikel 5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Ich verstehe diesen Artikel so, dass ich meine Worte tatsächlich FREI äußern und verbreiten kann. Weil die Einschränkungen der Freiheit für mich nicht gelten, weil ich eine freie Künstlerin bin. Einen philosophischen Disput zum Begriff der „Freiheit“ erspare ich uns im Moment in diesem Zusammenhang. Nur meine Treue zur Verfassung will ich Ihnen hiermit schriftlich erneut versichern.

Die Ode soll vor den einflussreichsten und bedeutendsten Gästen des Gipfels verlesen werden. Und zwar draußen, unter freiem Himmel. Die Schauspielgruppe, die mich begleiten wird zur Verlesung der Ode, muss natürlich freien Zugang zu den „verbotenen Gebieten“ rund um Schloß Elmau haben. Außerdem ein paar Esel. Die Inszenierung stelle ich mir ungefähr so vor:

Der Künstlergruppe wird mitsamt dem Esel-Transportwagen freie Zufahrt bis zu dem Ort gewährt, von dem aus die Eselwanderung nach Schloß Elmau beginnen soll. Wo genau das am Besten ist, kann uns bestimmt jemand von Ihren Leuten vorschlagen. Nachdem die Esel die Fahrt hoffentlich gut überstanden haben, müssen sie sich erstmal mit der neuen Umgebung vertraut machen. Außerdem müssen die Esel mit der Gruppe vertraut gemacht werden.

Als Gruppe stelle ich mir auch so 7 bis 8 Teilnehmer vor. Das ist dann „Die alternativlose G7 oder G8“. Die Esel nicht mitgezählt. Wir brauchen wohl vier Esel. Und zwei Esel-Trainerinnen extra. Sonst tun die Esel nämlich, was sie wollen, und nicht, was wir wollen. Ich hab einmal eine Eselwanderung mitgemacht und hab sogar einen Esel- Führerschein erworben. Aber ob die Esel gehen, wohin ich will, das ist trotzdem fraglich. Deshalb müssen als außerordentliche Mitglieder der Truppe 2 Esel-Pflegerinnen mitgehen.

Zur Gruppe gehören neben mir, der grandiosen Hauptperson, ein Vertreter der freien Presse, ein oder zwei Päpste (alternativ Papst-Darsteller) und mindestens noch 4 Freigeister. Als Ausgleich zu den Päpsten. Obwohl man ja nie ganz genau wissen kann, ob jemand im tiefsten Herzen nicht doch ein Freigeist ist, oder eben nicht. Das wären jetzt schon 10 Personen und 4 Esel. Ich würde auch um Begleitschutz bitten. Wegen der beiden Päpste. Danke. Das wäre sehr freundlich.

Nachdem die Esel von der Truppe – halt umgekehrt: nachdem die Truppe von den Eseln akzeptiert wurde, geht’s los. Die Mitglieder der Truppe unterhalten sich zwanglos über den Weltfrieden. Wir laufen jeweils zu zweit, in der Mitte ein Esel. Wir müssen mit dem Esel Schritt halten und uns nebenher geistreich unterhalten. Das ist wahrscheinlich gar nicht so einfach. Aber wir werden das schon hinkriegen.

In der Zwischenzeit haben sich auch Ihre werten Gäste des Gipfeltreffens mit dem Text des Welt-Friedensvertrages befasst und sind bereit, zu unterzeichnen. Ihre bedeutendsten Gäste kommen uns unter freiem Himmel entgegen. Sehr schöne Szene!

Die Unterzeichnung gehört nämlich zwingend zum Kunstwerk dazu. Das verstehen Sie schon, oder? Zu diesem Zweck muss ich mit meiner Theatergruppe in direkten Kontakt mit den bedeutendsten Gästen des Gipfels treten können. Sonst weiß ich ja nicht, ob die Unterzeichnung echt war oder eine Täuschung. Also Augenzeugin von meinem eigenen Kunstwerk möchte ich dann schon gerne sein. Das verstehen Sie schon, oder?

Die offizielle Verlesung der Ode und des Weltfriedensvertrages wird, hm, vielleicht 30 Minuten in Anspruch nehmen. Naja, in Anbetracht der Feierlichkeit, um nicht zu sagen, Würde, die mit dem Vortragen dieser Ode einhergehen sollte, wäre es freundlich, wenn uns genügend Zeit zur Verfügung gestellt wird. Allzu lang darf es aber auch wieder nicht dauern. Außerdem müssen am Ort der Unterzeichnung von Ihnen Tische und gut funktionierende Kugelschreiber bereit gestellt werden. Wenn das ganze zu lang dauert, weil keiner einen Kugelschreiber dabei hat, oder weil erst ein Tisch vom Schloß geholt werden muss, dann langweilt sich womöglich noch das weltweite Publikum. Wenn die Verlesung der Ode und des Weltfriedensvertrages übertragen wird. Freedom, made in Germany! Dazu könnte ich mir evtl. ein altes Lied von Richie Havens vorstellen. “Freedom!” Hoffentlich gefällt das dann den Päpsten auch… ich sag Ihnen: Es ist gar nicht so einfach, es allen Recht zu machen. Hier das Lied. Was meinen Sie dazu?

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=rynxqdNMry4[/youtube]

Das heißt, für unseren Auftritt brauchen wir auch eine Leinwand und Internet-Zugang, damit wir den Gästen zur Einstimmung ein paar Lieder vorspielen können. Alternativ müssten wir selber singen und musizieren. Diese Alternative würde ich Ihnen nicht raten. Wir singen schauderhaft!

Also so viel mal zur Inszenierung. Dass Ihre Gäste uns entgegenkommen sollen, gehört zum Kunstwerk dazu. Ich habe damit nur das Beste für Ihre Gäste im Sinn. Ein kleiner Spaziergang in den bayrischen Wäldern tut ihnen bestimmt gut. Ich schätze zwar die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch ein, dass es dazu kommen wird – und falls ja, dass der Weltfriedensvertrag dann auch sofort und für immer von den UnterzeichnerInnen eingehalten wird –, aber wie heißt es doch so schön: Probieren geht über Studieren.

Deshalb bitte ich um Genehmigung meines Antrags zur Aufführung der Weltpremiere der Ode, die an Originalität und Einzigartigkeit kaum zu übertreffen ist, wie Sie unschwer diesem Schreiben entnehmen können, meine lieben und hochgeschätzten Damen und Herren Kanzlerin und Innenminister.

Mit freundlichen Grüßen

PS: Übrigens hab ich schon mal einen Antrag gestellt, in der Form eines offenen Briefes. Leider haben Sie mir nie darauf geantwortet. Vielleicht haben Sie ihn nicht erhalten? Bitte betrachten Sie meinen ersten Brief mit diesem link hier als zugestellt. Ich hoffe, das geht dann so in Ordnung.
https://hinter-den-schlagzeilen.de/2014/07/23/schloss-elmau-2015-eine-kuenstlerin-auf-dem-weg-zum-gipfel/

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen