Es darf gelacht werden II

 In FEATURED, Kultur, Politik (Ausland)

© Pe Tee

Aus dem Lachen kommt man gerade kaum mehr raus und immer mehr Witzfiguren bewerben sich weltweit um höchste Ämter. Aktuell der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson. Genügend Grund um im zweiten Teil der skug-Serie zur Humorkritik zu zeigen, warum Reaktionäre niemals lustig sind. (Frank Jödicke, www.skug.at)

Bei seiner Inauguration ins Amt des US-Präsidenten wollte Donald Trump nicht auf die Bibel schwören, sondern lieber auf sein eigenes Buch »The Art of the Deal«. Als man ihm zu erklären versuchte, dass dies nicht möglich sei, meinte Trump, warum denn nicht, schließlich sei sein Buch auch ein Bestseller. Grundgütiger. In Momenten wie diesen kann man entweder sehr viele Worte bemühen und versuchen zu erklären, warum Don Trump irgendwie nicht der Richtige für das Amt ist, warum die Institutionen ausgehöhlt werden und dergleichen, oder man lässt das einfach mal so stehen.

Ihre Wirkung verfehlt die Episode nicht, weil sie kaum ohne ein gewisses, leicht konvulsives Lachen erzählt werden kann. Präsident Trump mag ja ein bisschen schlicht in der Birne sein, aber diesen Lach-Effekt begreift er wiederum sicherlich sehr gut und er weiß, dass der ihm nützt. Seine Fans werden ihn nämlich für solche Eskapaden lieben, weil sie goutieren, wie Trump sich über alle Usancen und geltendes Recht hinwegsetzt. Sich auf die Auswirkungen dieses Verhaltens einen Reim zu machen ist nicht ganz einfach.

David Lynch kam beispielsweise in seiner Bewertung der Trump-Präsidentschaft nicht umhin anzuerkennen, wie sehr Trump die Dinge umzukrempeln verstehe. Aber an dieser Stelle ist es wichtig etwas zu unterscheiden. Keine Frage, unkonventionelles Verhalten und insbesondere Witze sind subversiv und können bestehende Kräfteverhältnisse sprengen. Aber genau das passiert eben nicht bei Trump (und seinen Epigonen). Der von ihm gelebte frei- und unfreiwillige Humor hat eine andere Bedeutung.

Kaiserliches Lachen

Ein gewisser J. W. Goethe wohnte im Jahr 1764 einer anderen Inauguration bei, jener von Kaiser Joseph II in Frankfurt. Der Dichterfürst und Geheimrat in spe beobachtete hierbei etwas Faszinierendes: der Österreichische Imperator Joseph konnte während der Zeremonie sein Lachen nicht unterdrücken. Es war das Lachen der Moderne. Männer im Hermelin, die ein altes Schwert, eine Krone in der sich ein Nagel vom Kreuz Christi befinden soll herbeitrugen und archaisches Gewäsch runterbeteten, das war einfach unfreiwillig komisch.

Ein Mensch des 18. Jahrhunderts, der noch ganz bei Trost war, konnte über diese Mittelalterinszenierung nur lachen. Die Aristokratie war erledigt, aus der Zeit gefallen und nur mehr des Spotts würdig. Das Lachen des »Kaisers der Römer« war jenes eines Menschen, vor dem der Vorhang zerreißt und den Blick freigibt auf die nackten Knallchargen die dahinter stehen. Das passiert nicht bei Trump. Der Präsident kann nicht über die Situation in der er sich befindet lachen, weil er diese gar nicht begreift. Dabei ist die kurios: Er soll ausnahmsweise einmal nicht lügen, weil er die Hand auf ein heiliges Buch gelegt hat? Das ist tatsächlich absurd. Er soll sich bei seinem Schwur bewusstwerden, welche Verantwortung er mit seinem Amt übernimmt? Aber doch nicht »The Donald«.

Trump nutzte vielmehr seine Amtseinführung um eine Rede zu halten, die sein Vorgänger, der Geistesriese George W. Bush treffend zusammenfasste: »This is crazy stuff.« Trump hat keinerlei Verständnis für die Situation in der er sich befindet und kann deswegen auch nicht über diese lachen. Im Blick hat Trump nämlich immer nur ein Ziel, möglichst viele Hindernisse aus dem Weg räumen, die seine persönlichen Zwecke gefährden. Ein Mittel hierzu ist das Lächerlichmachen von Institutionen und Gegnern.

Trump selbst lacht bezeichnenderweise nie, wohl weil er im eigentlichen Sinn keinen Humor hat. Was er einzig beherrscht ist Gehässigkeit. Diese nutzt er ausnahmslos zur Aufrechterhaltung einer Hierarchie an deren Spitze er selbst steht. Alle Rechtskundigen im Weißen Haus müssen sich vor dem nächsten Ausritt Trumps fürchten und verbringen ihre Zeit damit seine Tweets diametral auszulegen. Während sie versuchen zu erklären warum Trump eigentlich »Nein« meinte, als er »Ja« sagte, werden sie von Trump beherrscht, der im Hintergrund seine Deals durchzieht.

Diese neue Schule der Herrschaft wird gerade von Boris Johnson in Großbritannien kopiert. Johnson hat sich bereits einen Namen gemacht mit kuriosen Ausbrüchen und kessen Sprüchen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Außenamt wurde er Kolumnist in den Revolverblatt The Telegraph und betreibt von dort aus seine weitere Karriere. Er weiß, dass der Kampf um Herz und Hirne der Britten mit »Humor« geführt wird und gibt dem Publikum wonach es verlangt. Muslimische Frauen die Schleier tragen, würden ihn an Bankräuber erinnern und sähen mit ihren Sehschlitzen aus wie Briefkästen.

Köstlich. Clown BoJo wie er leibt und lebt. Er mag halt keine Frauen und Moslems sowieso nicht und er wird aus seinem Herzen keine Mördergrube machen. Außerdem weiß er, wie diese Art von skandalöser Hetze insgeheim von vielen Wähler*innen geschätzt wird und seiner Karriere förderlich sein dürfte. Johnson verfestigt mit seinen Sprüchen bestehende Hierarchien. Weiße Männer, Christen und Britten gehören nach oben, Frauen, Moslems und Fremde nach unten. Wer oben ist, darf die die unten sind verspotten. Der Erfolg dieses Verhaltens ist leider evident, Trump ist Präsident und Johnson ist der Tory mit der meisten Zustimmung und liegt weit vor der Premierministerin.

Mr. Beans Hose

Johnsons »Humorleistung« besitzt keinerlei subversive Kraft. Er bestätigt – ebenso wie Trump – die immergleichen Vorurteile und rührt in der ohnehin bereits heißkochenden Suppe aus Religion, Rasse und Hass herum. Seine Posse schützen ihn aber durch die widersprüchliche Natur des Scherzes, der ja immer »nur« ein Scherz ist und keine ernstgemeinte Aussage. Dadurch können die Possenreißer ihre Position festigen, weil es die Fans freut und den Gegner*innen keine echte Angriffsfläche bietet. Bei allen Skandalen dieser Art ist eine eindeutige Ablehnung der Invektive kaum möglich und die Kritiker*innen können bezichtigt werden den Sager »zu ernst« zu nehmen.

Außerdem wird im Diskurs jede mögliche Position zumindest von einigen Beteiligten eingenommen. Den Beweis dafür lieferte bei Johnsons »Skandal« Mr. Bean. Roman Atkinson – so heißt Bean mit bürgerlichem Namen – meinte, man müsse sich nur für schlechte Scherze entschuldigen, dieser sei aber gut und bei Religion hätten sich die Leute halt immer so komisch. Gut, reden wir einmal über gute und schlechte Scherze, allein weil diese tief blicken lassen.

Roman Atkinson ist Mitglied des »Most Excellent Order of the British Empire« und geht gerne fein gestriegelt zu den Einladungen der Queen, um ihr dort in den Popsch zu kriechen. Dies sieht er nicht als schlechten Scherz, sondern wohl als seinen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Aristokratie, deren unermesslicher Segen für die britische Bevölkerung kaum in einem Satz zu beschreiben ist. Im Alltag, wie in der Kunst zeigt sich, Bean’sche Witze haben in ihrem Kern immer den Fauxpas, das gesellschaftliche Fehlverhalten, das nicht als Befreiung und Sprengung verstanden wird, sondern als schmerzhafter Fehler der verspottet gehört.

So sieht man das eben bei Hof. Beispielsweise springt in einem Sketch der liebenswerte Trottel Mr. Bean vom Dreimeterbrett und verliert dabei seine Badehose. Oh Jegerl, jetzt kann er nicht mehr aus dem Wasser steigen. Statt kurz seine Eier in den Wind zu hängen und in die Badekabine zu fliehen, durchlebt er die unmöglichsten Episoden. Alles nur um den »Anstand« zu wahren.

Dies ist eine Art von Anstand die im Grunde niemand braucht. Ein gerüttelt Maß an Verhüllung im Schwimmbad mag durchaus angemessen sein und alles andere Geschmackssache für Freund*innen der Freikörperkultur – nur, hier ist Gesellschaft bloße Konvention. Verachtung und Hass zu säen, indem über Arme, Notleidende, Frauen, Moslems, Ausländer*innen oder körperlich beeinträchtigte Menschen gespottet wird (die Beispiele hierfür sind bei Trump und Johnson Legion) ist schwerwiegender als eine Anstandsverletzung. Es wird hierbei der Versuch unternommen Gruppen auszuschließen, anzuprangern, um diese dann von der angeblichen Mehrheitskultur unterdrücken zu können. Das ist nichts weniger als die verbale Vorbereitung einer faschistischen Herrschaft und somit ein Verbrechen. Wenn Atkinson dies nicht bemerkt, dann ist er wirklich ein bedauernswerter und unlustiger Trottel.

Gute Witze und schlechte

Mr. Bean hat mit seiner Aussage teilweise Recht, es gibt gute und es gibt schlechte Witze. Nur kann Bean sie leider nicht unterscheiden. Die guten Witze befreien, sie lassen den Deckel vom Topf fliegen, sie zerstören Hierarchien, heben Unterdrückungssysteme aus den Angeln oder machen sie zumindest lächerlich. So sehr, dass selbst ein österreichischer Kaiser über den Mummenschanz jener Aristokratie lachen musste, die er am Leben halten sollte.

Für gute Witze muss tatsächlich niemand um Entschuldigung bitten und sie dürfen alles und jede/n zum Gegenstand haben. Gerne auch Gott (aka Allah), die/der wird das schon aushalten. Wer das aber nicht aushält sind die kleingeistigen und auf ihren eigenen Vorteil bedachten Knattermimen Trump und BoJo. Bezeichnenderweise können die nur austeilen und haben beim Einstecken ein Glaskinn. Für sie sind ihre grausamen Scherze ein Mittel der Unterdrückung, des Säens von Hass und somit ganz sicher schlechte Witze. Die Hoffnung, dass sie je dafür für um Entschuldigung bitten würden, brauch niemand hegen. Es gehört zu diesen Erscheinungen dazu, dass sie dies nicht können.

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