Es geht um alles!
Ein klarer Appell für das Zusammenwirken der sozialen Bewegungen gegen die Zerstörung der Erde. Unser „Nein“ zu Kapitalismus und Gewalt entspringt einem „Ja“ zum Leben. Das gleichzeitige Auftreten großer Risiken macht die Gegenwart zur gefährlichsten Epoche der Menschheitsgeschichte. Das fordert von den Kräften der Veränderung eine Verstärkung ihrer Anstrengungen, gemeinsam und mutig einen Ausweg zu finden und ihn zu gehen. Den folgenden Appell haben drei Freunde geschrieben, die in der Friedensbewegung in Deutschland und in Israel aktiv sind. Es geht um nichts weniger als die Rettung des Lebensraumes Erde. Das wird nur mit Abrüstung, mit einer internationalen Friedensordnung, mit Verhandlungen statt Erpressung, Sanktionen und Krieg sowie mit einer Sozialpolitik und ökologischer Kooperation statt Konkurrenz möglich sein. Bernhard Trautvetter, Esther Bejarano, Sally Perel
Die Menschheit steht derzeit vor zahlreichen Gefahren, nicht nur vor der Gefahr eines ökologischen Absturzes. Auch die Gefahr eines Atomkrieges rückt näher. Spannungen und Rüstung verbreiten sich.
Die Nuklearforscher haben die Weltuntergangsuhr auf zwei vor Mitternacht gestellt.
Die Polarisierung der Gesellschaften steigert in Verbindung mit der zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich die Gefahren des Zerfalls. Egoismus zerstört Gemeinschaften. Wachstumswahn, De-Regulierung und Privatisierung zeigen, dass der neoliberal entfesselte Kapitalismus unfähig ist, den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden.
Die Konkurrenz um Standortvorteile, um Ressourcen, Märkte und Handelswege führt vermehrt — in Verbindung mit dem Aufstieg nationalistischer Kräfte — zur wachsenden Rücksichtslosigkeit im Unrecht des Stärkeren. Wirtschaftskriege steigern weltweite Spannungen.
In Krisenzeiten spielen rechte Populisten mit wohlwollender Unterstützung einflussreicher Medien die nationale Karte und spielen benachteiligte Menschengruppen gegeneinander aus. Sündenböcke, wie einst Juden und heute Flüchtlinge, werden zu Verantwortlichen für den Zerfall des Sozialstaats und der Sicherheit abgestempelt.
Um die alternativen Kräfte zu schwächen, betreiben die Herrschenden eine Kampagne zur Spaltung und De-Legitimierung der Bewegungen, die sich gegen die kapitalistische Ordnung stellen: Sie dehnen den Antisemitismus-Begriff so weit aus, dass schon die Kritik an der Politik der Regierung Israels als israelfeindlich und dadurch mit antisemitischen Mustern durchsetzt diskreditiert wird. Teilweise gelingt es ihnen, diese Position auch in linken Spektren hoffähig zu machen.
Auf der Grundlage unserer jahrzehntelangen Erfahrungen mit Unrecht, Gewalt, Faschismus und Krieg rufen wir alle alternativen Kräfte dazu auf, sich ihrer Gemeinsamkeiten zu besinnen und sich aktiv für die Rettung des Lebensraums Erde einzusetzen.
Dabei ist es wichtig, den Zusammenhang von ökologischen, friedenspolitischen, gewerkschaftlichen und demokratischen Forderungen zu sehen. Konkrete Forderungen wie die nach einer nuklearfreien Welt, nach bezahlbarem Wohnraum und einem Mindestlohn sowie nach einem Ausstieg aus fossilen Energieträgern und nach einer konsequenten Einhaltung der Menschenrechte gewinnen ihre nachhaltige Kraft, wenn sie mit dem Ziel der Überwindung der Ursachen, die im Kapitalismus liegen, verbunden werden.
Das Zeitfenster zur Überwindung der Gefährdungen unserer Zukunft ist vielleicht nicht mehr lange offen. Diese Erkenntnis erlegt uns die Verantwortung auf, gemeinsam Prioritäten zu setzen und miteinander beharrlich, konsequent und solidarisch in diesem Sinne zu wirken.
Bernhard Trautvetter, Jahrgang 1954, ehemaliger Berufsschullehrer, Friedensaktivist aus Essen, Organisator von Friedensaktivitäten, darunter Demonstrationen gegen Nato-Konferenzen in der Messe Essen, Mitglied in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN), Experte für Friedenspädagogik und Friedenspolitik in der GEW NRW, Referent zu Friedensfragen, u.a. auf der didacta für die GEW, bei Veranstaltungen der VVN, den Linken und den Grünen, dem bundesweiten Friedensratschlag in Kassel, von attac- und weiteren Friedens-Gruppen in mehreren Städten Deutschlands, Lyriker und Bildgestalter. Veröffentlichungen in Anthologien sowie u.a. in Neues Deutschland, Junge Welt, antifa, Marxistische Blätter, Weltbühne, KenFM, RUBIKON, Friedensforum; Träger des Düsseldorfer Friedenspreises 2018, Ausstellungen im In- und Ausland mit Fotografie, Lyrik und Collagen – ein Thema u.a. „Kriege enden nicht im Frieden“, www.fotolyrikart.eu.
Esther Bejarano, Jahrgang 1924, in Saarlouis als Esther Loewy geboren. Als Musikerin im „Mädchenorchester von Auschwitz“ überlebte sie Auschwitz, auch die darauf folgende Zwangsarbeit in Ravensbrück. Als sich im April 1945 die Rote Armee näherte, zwangen die Nazis sie zum „Todesmarsch“ nach Malchow, Mecklenburg, doch sie konnte entkommen. Allerdings hatte die Hitze sie krank gemacht. 1960 zog Esther mit Mann und zwei Kindern nach Deutschland. Sie berichtet als eine der letzten Zeitzeuginnen vor SchülerInnen, auf Veranstaltungen, in Funk und Fernsehen (darunter die „Anstalt“) über den Faschismus und tritt gemeinsam mit der Rapp-Gruppe „Microphone Mafia“ in vielen bewegenden Konzerten auf. In ihrem Engagement setzt sie sich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ein und für Respekt, Demokratie und Menschenrechte.
Sally Perel, 1925 in Peine als Salomon Perel geboren, überlebte die Nazi-Zeit als Jude in einer Elite-Schule der Hitlerjugend mit Hilfe einer Not-Lüge, auf die eine jahrelange Täuschung der Nazis folgte, da er seine Disziplin mit einem Überlebensmut verband, wobei ihm die Worte seiner Mutter („Du sollst leben!“) begleiteten, und mit Hilfe von Menschen, die für das andere Deutschland stehen. Seine Lebensgeschichte wurde verfilmt: Der Kinofilm „Ich war der Hitlerjunge Salomon“ war 1992 für den Oscar-Preis nominiert. 2000 verlieh Peine ihm den Ehrenring, diesem Beispiel folgte Oberhausen 2016, seit September 2018 trägt die Integrierte Gesamtschule Braunschweig seinen Namen. In Oberhausen findet alle zwei Jahre das „Sally Perel Filmfestival“ statt. Sally Perel ist in der Israelischen Friedensbewegung aktiv; regelmäßig klärt er in Veranstaltungen vor allem für junge Menschen über seine Erfahrungen mit dem Faschismus und dem Rassismus auf, um einen Beitrag zur Stärkung des demokratische Bewusstseins zu leisten.
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Dank an den Rubikon, www.rubikon.news, wo dieser Artikel zuvor erschienen ist.