Eulenfeder: Back to the roots

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eulenfederwantedEulenfeder, unser Freund uns Stammkommentator, dieser aufrechte, etwas ruppige, immer herzliche Mensch – er verliert mit dem heutigen Tag (Sonntag) seine Wohnung in München, in der er 29 Jahre lang, lebte, aß, schlief, Bier trank, rauchte, HdS las, Rockmusik anhörte und auf seiner geliebten Gitarre Gertrud den Blues zupfte. Eulenfeder verlor aufgrund eines Willkürakts seinen Job, konnte die Miete nicht mehr aufbringen, geriet in Rückstand, wurde nach einem langen quälenden Prozess schließlich geräumt. Seine Psyche war bis zum Schluss, so weit ich sagen kann, stabil. Mut, Hoffnung und ein großes Freiheitsgefühl richtete ihn, den so viele krümmen wollten, immer wieder auf. Heute, vielleicht während Sie diesen Text lesen, tritt Eulenfeder seine große Reise in eine ungewisse Zukunft an: auf seinem Fahrrad, nur das Notwendigste in seinem Tagesrucksack verstaut, bewegt er sich – Fahrzeit ca. 6 Stunden – Richtung Süden. Dort gibt es eine Obdachlosenunterkunft, die Freunde ihm empfohlen haben, weil die Betreiber dort offenbar eine soziale Einstellung haben. Vielleicht lässt man ihn dort wenigstens für einige Monate bleiben in einem bescheidenen Zimmer, hilft ihm eine Wohnung auf dem Land zu finden, die seinen spärlich tröpfelnden „Einkünften“ entspricht, ohne ihn schon durch die Art der Unterkunft zu demütigen. Ohnehin wollte Eulenfeder lieber aufs Land, wo sich Eulen, Raben, Wölfe und Eichhörnchen gute Nacht sagen (naja, vielleicht sind nicht alle diese Tiere immer präsent). Er, der sich über einen Käfer am Wegesrand freuen kann und liebevoll die Rinden der Bäume berührt, aus denen er mit Schreinerkunst sehr charakteristische Möbel zu zimmern weiß. Ungewiss ist, wann Eulenfeder als Kommentator, Autor und Freund wieder auf dieser Seite sein machtvoll provokantes, zugleich verschmitztes Wort ergreifen kann. Vielleicht bald (vom Gemeinschaftscomputer eines Wohnheims aus), vielleicht auch erst viel später. HdS verliert (vorläufig) seinen inoffiziellen Revolutionsführer, sein anarchistisches Gewissen, unbestechlich durch die Lockrufe kompromisslerischen Sich-Abfindens mit diesem Unrechtssystem. Im Vorgriff auf seine möglichen Gefühle am Tag seiner Abreise hat uns Eulenfeder diesen Text zur Verfügung gestellt. Wir wünschen viel Glück auf seiner Reise durch fruchbare Landschaft und soziales Ödland, bleiben in Kontakt mit ihm, helfen, wo wir können und: „He’ll be back“. (Vorspann: Roland Rottenfußer, Artikel: Eulenfeder).

„back to the roots“… in einem ganz anderen sinne.

es ist schon ein seltsames gefühl! auf dem fahrrad richtung süden, übers land, eine liebgewonnene strecke zum ammersee und dann den wunderbaren ammer-amperweg richtung peissenberg, das nötigste nur im rucksack, manchmal der schlafsack hinten drauf für eine nacht am bach oder im wald, zu Freunden, zwei, drei tage. eine wunderbare und unvergleichlich erholsame zeit, weg von der furchtbaren stadt – gestärkt wieder zurück ins reservat stadt, ja – aber trotzdem auch meine wohnung dort, mein rückzugsort, mein zuhause trotz allem irgendwie.

doch diesmal ist es anders, ein seltsames gefühl wie gesagt. auch nur, wie sonst, den rucksack dabei – jedoch kann ich nicht mehr zurück. mit jedem tritt in die pedale wird es dir mehr bewusst, nach 29 jahren in meiner wohnung in München kann ich nicht mehr dorthin zurück – auch ist ausser meinem fahrrad und meinem rucksack ja nichts mehr vorhanden – zwangsgeräumt, hab und gut verloren, fremde übernehmen all das.

ich muss lachen – über diese situation, strange ist das, fahre in eine richtung und weiss nicht wirklich wie es weitergeht… aber muss ich das wissen? ist es nicht auch eine wunderbare erfahrung, ein glücksgefühl in diesem moment der ungewissheit!? ein warmes und erfüllendes gefühl der freiheit, diese war dir doch immer das wichtigste. also warum sich sorgen machen, wenn sie nun da ist?

irgendwo „unterkommen“ werde ich müssen, freilich, die kalten jahreszeiten sind nur sehr bedingt zu ertragen, man muss sich waschen können, sonst meidet andere dich wie die pest.

also ist das nächste ziel eine soziale einrichtung, die ich mit hilfe der freunde ansteuern kann. vielleicht kann ich vorerst mal dort ein bett finden. oder wird man mich wieder fremdbestimmt zurückschieben, weil in München gemeldet? nein! das werde ich nicht zulassen. lieber wieder einen ungewissen weg gehen. hauptsache draussen sein, auf dem land.

diese gedanken schiessen dir durch den kopf, aber sie sollen in keiner weise diesen moment der freiheit trüben. zuviel an schöner natur gibt es zu bestaunen. der weg ist das ziel, nicht wahr?

was für ein glück ich doch habe, dass ich nun endlich das leben wieder spüre…

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