Den Optimismus von Wolfgang Michal kann ich leider nicht teilen. Mögen Progressive auch von einer Wahl Friedrich Merz profitieren, so geschähe, was immer geschah: Sie zerfleischen sich selbst, noch bevor ihr Engagement gegen Rechts und für ein gerechtes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem Wirkung entfalten würde.

Die positiven Charakterzüge, die progressive Linke haben oder sich bemühen zu entwickeln und zu wahren, wenden sich gegen sie: Der notwendige differenziert laufende Diskurs geht allein schon in seiner Sprache am Ottonormalverbraucher vorbei und erreicht ihn kaum. Der notwendige Kampf gegen das Führerprinzip endet in zerstrittener Führungslosigkeit in den eigenen Reihen. Die massive Forderung eines gerechten Wirtschaftssystems und damit die Abschaffung des bestehenden zugunsten eines am Gemeinwohl und an der Gerechtigkeit orientierten Systems rückt die Linke stets in die Nähe des Kommunismus und Sozialismus und macht sie verdächtig, ja angreifbar für alle, die, um zu diffamieren, den existierenden und bisher erlebten Kommunismus gleichsetzen mit der Utopie von einer gerechten Welt.

Anders als CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne haben progressive Linke das Problem, sich permanent wegen manchmal tatsächlicher oder ihnen häufig massiv unterstellter staats- und gesellschaftsfeindlicher Gesinnungen rechtfertigen zu müssen. Wer aber kennt nicht die negativen Folgen stetiger Verteidigung seiner selbst? Die Schärfe im Diskurs lässt nach, die Forderungen werden kleinlauter, ein Makel bleibt immer, die aufsteigende Aggression wendet sich nicht gegen die Angreifer, sondern gegen seinesgleichen.

Es wird wie immer laufen mit den Progressiven, Herr Michal: Im Nest wird gekämpft, die Nestbeschmutzer lachen sich ins Fäustchen.