Gegen die Verrohung kämpfen

 In Holdger Platta, Über diese Seite

GriechenlandhilfeLogo-300x19425. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland“. „Katastrophen rütteln auf, Krisen ermüden demgegenüber“, schreibt Holdger Platta treffend in seinem heutigen Bericht. So ist es – für die Spender wie für die Akteure – oft schwierig, gegen alle Widerstände dabei zu bleiben, während sich das Elend in Griechenland weiterschleppt und verschlimmert von Monat zu Monat. Die Aufmerksamkeit von Beobachtern der Medien verlangt nach immer neuem „Stoff“, und wenn ein Thema im Mainstream ganz bewusst unterdrückt wird, ist es schwer, sich dessen Dringlichkeit immer wieder vor Augen zu führen. Das ist so beim Thema „TTIP und CETA“ wie auch beim Ausbau der Überwachung und bei Hartz IV. Es ist natürlich auch so beim Thema Griechenland. Tassos Chatzatoglou berichtet heute von einem besonders erschütternden Fall einer Kranken, die von den griechischen wie europäischen „Systemen“ komplett im Stich gelassen, sprich: wenn nichts geschieht, dem Tod ausgeliefert wird. Das Schlimme ist: Wir können nicht einmal sicher sein, ob unsere Mittel reichen, um zu helfen. Aber wir versuchen es. (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

zunächst einmal die erfreuliche Nachricht vorweg: in der letzten Woche ist der Spendenbetrag wieder etwas stärker angestiegen als in den sieben Tagen davor, und zwar gegenüber der Vorwoche (= 2 Spenden bzw. 60,- Euro Spendeneingang) auf 292,50 Euro Neuspenden, überwiesen an uns von 7 SpenderInnen. Wir OrganisatorInnen der „GriechInnenhilfe“ haben uns sehr darüber gefreut und danken allen SpenderInnen sehr.

Wir werden also weiterhin die von uns betreuten Griechinnen und Griechen unterstützen können. Wir fahnden allerdings auch weiterhin nach neuen Möglichkeiten, finanzielle Helferinnen und Helfer für unsere Spendenaktion ausfindig zu machen. Konstantin Wecker hat bereits mit einem eigenen Aufruf reagiert, nachzulesen auf seiner Facebook-Seite unter dem Titel „Wir würden uns auch über Eure Hilfe sehr freuen“. Und Alexander Kinsky hat erneut das Werbevideo für unsere Spendenaktion auf www.wecker.de publiziert. Mit Sicherheit wird das frische Impulse auslösen, mit Sicherheit auch neue SpenderInnen hinzugewinnen. Wobei wir alle verstehen sollten: es dürfte ein Unterschied sein, ob man auf große aktuelle Katastrophen reagiert, zumeist mit riesiger Hilfsbereitschaft (vor allem, wenn diese Katastrophen tagelang Hauptthema für fast alle Massenmedien sind!), oder ob man es mit einer langandauernden Krise zu tun hat (die überdies völlig aus den Schlagzeilen verschwunden ist – sofern überhaupt von dieser Krise zu lesen und zu hören war!). Katastrophen rütteln auf, Krisen ermüden demgegenüber, und deren Dauer löst allmählich auch die beharrlichste Hilfsbereitschaft auf.

Dieses stellt selbst uns OrganisatorInnen und Akteure vor ein Problem, allmählich zumindest, und an einem ganz besonders schwerwiegenden Fall möchte ich das heute darzustellen versuchen.

Wie bereits mehrfach mitgeteilt und – wie ich denke – mit menschlich wie sachlich einleuchtender Begründung haben wir Akteure uns dazu entschlossen, denjenigen notleidenden Menschen, die zum Kreis der von uns Betreuten zählen, so lange zu helfen, wie es erforderlich ist und so lange dieses uns auch möglich ist. Das trifft für nahezu alle Hilfsbedürftigen zu, deren Schicksal ich Euch in den letzten Monaten vorgestellt habe, unter Mithilfe von Evelin und Tassos Chatzatoglou aus Graz sowie von Karl-Heinz Apel, unserem Medizin-Experten aus dem norddeutschen Rosche. Wir alle aus dem HelferInnenkreis sind uns bewusst:

Neben der Hilfe, die wir zu leisten vermochten (und immer noch zu leisten vermögen), lauert für jeden Hilfsbedürftigen auch noch etwas anderes: Angst – die Angst, daß schlagartig Schluß sein könnte mit diesem Geschütztsein vor neuerlicher Not! Dann nämlich, wenn der Dauer der permanent drohenden Existenzgefährdung nicht die Dauer unserer Hilfemöglichkeiten entspricht.

Wie gesagt: wir haben uns für das beharrliche Helfen entschieden und gegen das Willkürprinzip eines Helfens mal dort und mal da. Aber was tun, wie reagieren, wenn uns dann doch ein neuer, ein besonders lebensgefährdender Notfall zu Ohren kommt? – Genau dieses ist aber in der letzten Woche geschehen! Ich folge hier weitestgehend der Darstellung von Tassos Chatzatoglou, die mich vor einigen Tagen erreichte, und gebe sie in dessen Worten wieder, ergänzt um einige Worterklärungen von meiner Seite aus:

„Am Samstag erhielt ich den Anruf von einer Grazer Griechin, die ursprünglich von Ikaria stammt, einer Insel in der Ostägäis vor der Küste der Türkei. Chrisoula T. war früher Lehrerin an der griechischen Schule in Graz. Sie berichtete mir von einem Fall, der so typisch für das Griechenland in der Krise ist und eine Schande für das Gesundheitssystem in einem europäischen Mitgliedsstaat im 21. Jahrhundert.

Es handelt es sich um Frau Evdoxia A., 46 Jahre alt, verheiratet mit Panagiotis K. und Mutter des gemeinsamen Sohnes Konstantinos, dreieinhalb Jahre alt. Evdoxia arbeitete als Verkäuferin, ihr Mann als Busfahrer auf der Insel.

Am 12. Februar bekam Evdoxia plötzlich mehrere epileptische Anfälle. Sie wurde im Insel-Krankenhaus behandelt.

Nach zwei Tagen schickten die Ärzte Evdoxia nach Athen ins Genimatas-Krankenhaus. Dort wurde ein Schlaganfall diagnostiziert, ein Krankenhausaufenthalt aber nicht für notwendig gehalten. Die leitende Ärztin der Neurochirurgie, Frau Tsara, sowie die Dozentin Eleni Papageorgiou, verlangten zuvor eine Reihe von Untersuchungen, welche nur in einer privaten medizinischen Einrichtung möglich sind. Die Untersuchungen dauerten, es vergingen zwei Monate. Am 14. April wurde im Genimatas-Krankenhaus erneut eine Computer-Tomographie durchgeführt – und eine neue Diagnose erstellt: Diffuse Gliose des Gehirns. Darunter ist, laut Wikipedia, „eine erhöhte Anzahl von Gliazellen in einem geschädigten Bereich des Zentralnervensystems oder des Gehirns“, zu verstehen, „die unspezifische neuropathologische Reaktion auf verschiedene neurologische Erkrankungen. Die Gliazellen nehmen hier den Raum, aber nicht die Funktion der zerstörten Nervenzellen ein.“

Eine neue Untersuchung wurde angeordnet, diesmal im privaten Zentrum Engefalos. Die Spektroskopie bestätigte die Diagnose „diffuse Gliose des Gehirns“.

Draufhin wurde Evdoxia mit den Worten „Gehen Sie, wohin sie wollen, wir können für sie nichts mehr tun!“ aus dem Genimatas-Krankenhaus entlassen.

In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an das Krankenhaus Agios Savvas, bekannt für Bestrahlungstherapien, da in ihrem Fall ist ein chirurgischer Eingriff angeblich unmöglich war. Die Bestrahlungstherapie fand nicht statt. Der behandelnde Arzt befand sich nämlich auf Urlaub, aufgrund der Sparmaßnahmen gab es keine Vertretung.

Deshalb suchte Evdoxia Hilfe im Evangelismos-Krankenhaus in Athen. Dort wurde von sie vom Direktor der Onkologie (= Krebsheilkunde), Herrn Stathopoulos, untersucht. Er meinte, er müsse über ihren Fall erstmal nachlesen!

Evdoxia wandte sich daraufhin an die Ärzte im Metaxas-Krankenhaus. Dort bekam sie einen Termin zwei Monaten später.

Nächstes Krankenhaus: das 251. Allgemeine Krankenhaus in Athen. Herr Koutsoumpelis, Direktor der neurochirurgischen Abteilung, empfiehlt Evdoxia das Allgemeine Krankenhaus in Wien, da die Ärzte im AKH Wien Erfahrung und die Instrumente für eine Operation haben. Am 7. Juni wurde Evdoxia im AKH aufgenommen, am 8. Juni operiert. Ergebnis der Voruntersuchungen: „anaplastisches Astrozytom Grad 3“, also das Vorhandensein eines bösartigen Tumors im Gehirn!!!!

Eine Bestrahlungstherapie ist notwendig. Sie beginnt am 7. Juli und wir bis Ende August dauern. Bis dahin muss Evdoxia in Wien bleiben. Zu diesem Zwecke mietete Evdoxia eine kleine Wohnung in der A…strasse 14, damit sie zu Fuß ins AKH gehen kann. Kostenpunkt: 1.400,00 Euro pro Monat!

Evdoxia ist, weil bereits länger arbeitslos, nicht mehr versichert. Finanziert wurde die Operation im AKH in Wien – und auch das ist typisch für Griechenland – ausschließlich durch Spenden der Ikarioten! Ikaria ist keine typische Touristeninsel und weist eine hohe Arbeitslosenrate auf. Die Bevölkerung lebt in relativ ärmlichen Verhältnissen. Trotzdem sammelten die Ikarioten 33.000 Euro!!! Sogar die Fischer veranstalteten ein Fisch-Fest und stellten die Einnahmen Evdoxia zu Verfügung.

Dieses Zeichen der Solidarität macht mich als Griechen überaus stolz.

Zu den OP-Kosten in Höhe von 28.000 Euro und der hohen Miete kommen nun Therapiekosten in Höhe von 9.000 Euro im AKH.

Es fehlen somit rund 7.000 Euro für die lebensnotwendigen Therapien.

Chrisoula T. bittet uns – weil kein Geld mehr zu erwarten ist – um finanzielle Hilfe für Evdoxia, damit diese als gesunde Mutter zu Ihrem Sohn nach Ikaria zurückkehren kann.“

Liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, ganz gewiß glaubt Ihr uns das: selbstverständlich wollen wir Evdoxia helfen, selbstverständlich werden wir die uns derzeit noch verbliebenen Hilfsmöglichkeiten überprüfen, ob der Betrag von 7.000,- Euro aufgebracht werden kann ohne Nachteil für andere, von uns betreute, Menschen in Griechenland. Doch ich bitte zugleich um Verständnis dafür, daß ich Euch das Ergebnis dieser Überprüfung noch nicht mitteilen kann. Zwar bin ich zuversichtlich, doch leichtfertig ein Versprechen abgeben kann ich heute noch nicht. So oder so aber zeigen die Geschehnisse, die uns Tassos Chatatzoglou in seinem Bericht mitgeteilt hat:

Nicht mal im Bereich von Lebensrettung im Krankheitsfall herrscht in Griechenland noch Versorgungs- und Rechtssicherheit. Nicht mal da, wo es um das schlechthin grundlegende Menschenrecht aller Menschenrechte geht – um das Menschenrecht, leben und weiterleben zu können –, steht die „Wertegemeinschaft“ Europa bereit und hilft den betroffenen Menschen – egal übrigens, in welchem europäischen Land! Wie können sich die Merkels und Schäubles, die Junckers und Dijsselblooms wundern, daß diesem Europa der brutalstmöglichen „Austeritätspolitik“ mehr und mehr Menschen den Rücken kehren? Wo sie es doch selber sind, die den Menschen in Europa den Rücken zugekehrt haben, mit einer Politik und mit einem Gefasel, das an Verrohung nicht mehr zu überbieten ist!

Wir, wie gesagt, werden tun, was wir tun können, und ich hoffe, schon in der nächsten Woche hoffentlich über einen guten Ausgang berichten zu können. Bis dahin bitte ich Euch alle noch um etwas Geduld!

Und hier, wie immer, zu unserem Konto, auf das Ihr unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ spenden könnt:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

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