Geschenke für die Reichen

 In Politik (Inland), Wirtschaft
Erbe Giovanni de Medici als Kind

Erbe Giovanni de Medici als Kind

Die Bundesregierung hat lange mit sich gerungen. Nun hat sie sich auf eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer geeinigt. Wer allerdings hofft, dass die Reichen nun endlich angemessen zur Kasse gebeten werden, hat sich geirrt. Die neue Regelung ist reich an Geschenken für die Unternehmer – und im Grunde verfassungswidrig. (Michael Schlecht, MdB)

Laut Deutschem Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werden jedes Jahr Vermögen über 200 bis 300 Milliarden Euro in Deutschland verschenkt oder vererbt. Hier handelt es sich nicht etwa um Erbschaften von Eltern, die ihre sauer verdienten Spargelder den Kindern hinterlassen. Sondern vor allem um die Reichen. Das liegt daran, dass in Deutschland die Vermögen sehr ungleich verteilt sind – den reichsten zehn Prozent aller Haushalte gehören fast zwei Drittel des Vermögens. Daher teilen sich die Reichen auch den Großteil der Erbschaften und Schenkungen. Ein sattes Drittel aller Übertragungen entfällt auf nur 1,5 Prozent, das sind 23.000 Menschen. Sie bekommen jeweils mehr als 500.000 Euro. Und nur 0,08 aller Erben oder Beschenkten kann sich über mehr als fünf Millionen Euro freuen.

Ein besonderer Fall sind jene, die ganze Unternehmen erben. Hier sind die Reichen ziemlich unter sich. Nur zehn Prozent der deutschen Haushalte besitzen überhaupt ein Unternehmen oder einen Betrieb, in dem sie eine aktive Rolle einnehmen. „Erst bei den nach Nettovermögen reichsten zehn Prozent spielte Unternehmensbesitz eine wichtigere Rolle im Portfolio“, so die Bundesbank. „Im Durchschnitt summierte sich das Betriebsvermögen für diese Haushalte mit Unternehmensbesitz auf 910.900 Euro.“
Wer Unternehmen erbt, der musste dank Bundesregierung bisher meist keine Steuern zahlen. Zwischen 2009 und 2014 wurden so Unternehmen im Wert von 170 Milliarden Euro übertragen, ohne dass die Gesellschaft daran beteiligt wurde. Die geltenden Steuertarife zu Grunde gelegt, entgingen dem Staat laut DIW dabei 45 Milliarden Euro.

Die meisten Unternehmenserben durften bislang also ihre leistungslosen Einnahmen für sich behalten. Dieses irre Privileg hatte das Bundesverfassungsgericht kritisiert und bis Juni 2016 Änderung verlangt. Nun hat sich die Große Koalition auf eine Gesetzes-Novelle geeinigt. Im Kern bleibt es dabei: Firmenerben haben jede Menge Möglichkeiten, die Steuer zu vermeiden oder zu senken.

– Es gilt weiter das Prinzip: Wer eine Firma erbt, den Betrieb fünf Jahre weiterführt und dabei die insgesamt ausgezahlte Lohnsumme nur geringfügig senkt, der erhält einen Steuernachlass von 85 Prozent. Komplett steuerfrei bleibt, wer den Betrieb sieben Jahre fortführt und die Lohnsumme nicht verringert.

– Wenn in einem Betrieb bis zu fünf Angestellte arbeiten, kann der Erbe ohne Nachweis einer Gegenleistung – Erhalt der Arbeitsplätze oder der Lohnsumme – von der Steuer befreit werden. Das bedeutet: Etwa 70 Prozent der Unternehmen sind von der Lohnsummenpflicht ausgenommen.

– Ein bisschen strenger wird der Fiskus bei Summen über 26 Millionen Euro pro Erbe oder Beschenktem. Hier soll es eine Bedürfnisprüfung geben, bei der der Erbe sein Privatvermögen offenlegen soll. Ist es zu klein, um die Erbschaftsteuer zu zahlen, gibt es die volle Steuerbefreiung. Wer sein Vermögen nicht offenlegen möchte – die Reichen sind ja diskret – der muss dies nicht tun, erhält dafür aber einen geringeren Steuernachlass.

– Die Steuer muss der Erbe aber nicht gleich zahlen. Die Bundesregierung gibt ihm einen voraussetzungslosen Anspruch auf zinslose Stundung von bis zu zehn Jahren.

– Die Steuer wird auf den Firmenwert fällig, dieser kann abgeleitet vom erzielten Gewinn ermittelt werden. Auch hier kommt die Bundesregierung den Erben entgegen: Bisher wurde der erzielbare Unternehmensgewinn mit 18 multipliziert, um den Wert der Firma zu berechnen. Künftig liegt der Faktor nur noch zwischen zehn und 12,5. Ergebnis: Die Firmenwerte sinken in vielen Fällen um weitere 30 Prozent. Dazu gibt es für Familienunternehmen einen weiteren pauschalen Wertabschlag von 30 Prozent.

Und so weiter. Insgesamt also können zum Beispiel Familienunternehmen von Steuerabschlägen von weit über 50 Prozent profitieren

– ohne dass sie die Sicherung von Arbeitsplätzen zugesagt haben. Zudem können Unternehmen durch geschickte Steuerung ihrer Investitionen ihre Steuerlast zusätzlich senken.

Fazit: Abermals ist die Große Koalition vor der Wirtschaftslobby eingeknickt. Es ist sehr fraglich, ob das Verfassungsgericht das billigen wird. Denn durch die diversen Tricks wird der Wert der vererbten und verschenkten Firmen vielfach auf ein Niveau gedrückt, dass die Richter schon in der Vergangenheit als verfassungswidriges Privileg abgelehnt hatten.

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