Gewinnmaximierung im Gesundheitssektor

 In FEATURED, Gesundheit/Psyche, Wirtschaft

Wo nicht nur Geld fließt, sondern ökonomische Prinzipien beherrschend werden, findet eine fortschreitende Vergiftung der betroffenen Sphäre statt. Eine ethische Verwahrlosung breitet sich aus. Besonders fatal ist dies im Gesundheitswesen, wo es unmittelbar um das Wohlergehen und das Leben von Menschen geht und ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Behandelnden und Patienten notwendig ist. Warum gibt es Werbung für Medikamente? Sollte nicht allein die medizinische Notwendigkeit und die Expertise des Arztes entscheidend sein für den Kauf? Was passiert, wenn Krankenhäuse privatisiert und Patienten zu “Kunden” erklärt werden? Wie verändert sich Hilfe, wenn mit ihr “Geld gemacht” werden soll? Welche Konsequenzen hat die Tatsache, dass sich für Pharmaindustrie und Heilberufe Krankheit rechnet, nicht Gesundheit? Christian Kreiß bringt in diesem Auszug aus seinem Buch “Blenden, Wuchern, Lamentieren” eine Reihe erschütternder Beispiele für Fehlbehandlungen, Hilfeverweigerung oder gar eine krank machende Dynamik im Gesundheitswesen.  Christian Kreiß

Gewinnmaximierung und Pharmaindustrie

»Wenn Journalisten mich fragen, was ich von den ethischen Standards der Pharmaindustrie halte, antworte ich oft mit einem Scherz, oder ich sage, ich hätte keine Antwort, weil ich nicht beurteilen könne, was nicht existiert. Der einzige Standard der Branche ist das Geld, und der Wert eines Menschen hängt davon ab, wie viel Geld er einbringt.«  (Dr. med. Peter Gøtzsche, langjähriger Leiter des Nordischen Cochrane Centers in Kopenhagen)

Bei Medikamenten geht es um Gesundheit und Krankheit, häufig gar um Leben und Tod. Daher sollte man meinen, dass beim Verkauf von Medikamenten in erster Linie das Wohl der Patienten im Mittelpunkt steht. Das stimmt aber leider nicht. Es geht um maximale Gewinne – die häufig leider auf Kosten der Patienten verdient werden. Zur Veranschaulichung dient ein gut dokumentiertes Beispiel: der Fall Paroxetin, ein Antidepressivum für Kinder. Der Hersteller des Medikaments, der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK), wusste durch eigene Studien, dass Paroxetin keinen Nutzen bei der Behandlung von Depressionen bei Kindern bringt. In einer internen Mitteilung von GSK heißt es: »Es wäre wirtschaftlich inakzeptabel, einen Vermerk über die Unwirksamkeit aufzunehmen, denn das würde das Profil von Paroxetin unterminieren.« Umgangssprachlich ausgedrückt: Wenn man auf die Verpackung schreibt: »Wirkt nicht!«, verkauft es sich nicht mehr. Trotzdem wurde Paroxetin ein Jahr nach diesem internen Memo allein in Großbritannien 32 000-mal an Kinder verschrieben.

Aber nicht nur, dass Paroxetin keine nachweisbare Wirkung bei der Behandlung von Depressionen zeigte, es hatte besorgniserregende Nebenwirkungen, vor allem eine Erhöhung der Selbstmordgefahr, was GSK wusste, jedoch auch nicht den Ärzten und Patienten mitteilte: »Bei GSK wusste man, dass das Medikament Kindern verschrieben wurde, und man kannte das Risiko, hatte sich jedoch entschieden, diese Information nicht weiterzugeben.« So wurde jahrelang ein wirkungsloses Medikament an zigtausende Kinder weltweit verschrieben, das nicht nur keine Wirkung, sondern bedeutsame schlimme Nebenwirkungen hatte. Im Rahmen der längsten Untersuchung in der Geschichte der britischen Arzneimittelzulassung konnte GSK keine strafbare Handlung nachgewiesen werden.

Aus Sicht eines ehemaligen Investmentbankers ist eine solche Vorgehensweise sinnvoll. Nach dem Verkauf eines Unternehmens durch eine Investmentbank gibt es normalerweise drei Unternehmensziele: Profit, Profit und Profit. Für einen Controller sind Konzernprodukte Gewinnträger. Diejenigen Produkte oder Dienstleistungen mit den höchsten Deckungsbeiträgen bzw. Gewinnbeiträgen müssen über das Marketing gepusht werden. Das gilt bei gewinnmaximierenden Pharmaunternehmen selbstverständlich auch für Medikamente, und so werden von ihnen systematisch diejenigen Produkte beworben, die den höchsten Konzernnutzen bringen, nicht den besten Patientennutzen. Pharmamarketing dient laut dem unabhängigen britischen Arzt Ben Goldacre »ausschließlich dem Ziel, evidenzbasierte Entscheidungen in der Medizin zu unterlaufen«.

Was heißt das? Durch Medikamentenwerbung sollen im Dienste der Gewinnmaximierung diejenigen Medikamente, für die gesicherte medizinische Erkenntnisse vorliegen, nicht verschrieben werden, sondern diejenigen, die die höchsten Gewinne bringen. »Gewinn geht vor Gesundheit« ist das Grundmotto praktisch aller gewinnmaximierenden Pharmakonzerne. Dafür gibt es zahllose Beispiele, und für einen Controller oder Investmentbankers ist das ganz selbstverständlich.

Die Marketingausgaben der großen Pharmakonzerne liegen bei knapp 30 Prozent vom Umsatz; sie sind damit etwa doppelt so hoch wie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung für neue Medikamente. Auch die Konzerngewinne sind im Durchschnitt deutlich höher als die Ausgaben für F&E. So kam der Arzt Dr. Rennie, ehemaliger stellvertretender Herausgeber des angesehenen Journal of the American Medical Association, 2013 zu dem Ergebnis: »Es gibt bereits Hunderte von wissenschaftlichen Studien und zahlreiche Bücher, die enthüllen, wie Pharmaunternehmen wissenschaftliche Methoden pervertieren und, mit enormen Finanzmitteln im Rücken, allzu oft gegen die Interessen der Patienten verstoßen, denen sie angeblich helfen wollen.«

Medikamente sind heute in den USA und Europa die dritthäufigste Todesursache nach Herzkrankheiten und Krebs. Folgt man den Aussagen der unabhängigen Experten, so geht es in der Pharmabranche schon lange nicht mehr um das Heilen von Menschen, sondern um das Maximieren der Gewinne. Das, was eigentlich das Mittel sein sollte – Geld bzw. Gewinne –, um dem Zweck – der Gesundheit der Menschen – zu dienen, wurde zum Selbstzweck: Gewinne um der Gewinne willen. Gesundheit wird das Mittel zum Zweck des Geldverdienens. Im Gesundheitsbereich kann man besonders deutlich erkennen, was es bedeutet, wenn man Mittel und Zweck verwechselt bzw. vertauscht. In dem Maße, in dem der Gewinn zum Unternehmenszweck wird, in dem Maße pervertieren wir das unternehmerische Handeln und schaden der Gesundheit der Menschen. Das Predigen von Gewinnmaximierung als das Hauptziel von Unternehmen ist eine gefährliche Erscheinungsform der Betriebswirtschaftslehre. Es macht uns im wahrsten Sinne des Wortes krank. Wir sollten das dringend und so schnell wie möglich ändern.

Gewinnerzielung und Krankenhäuser

»Das hat mit Medizin bald nix mehr zu tun. Das System verroht zu einem reinen kommerziellen Dienstleistungssystem.« (Aussage eines Arztes, Deutsches Ärzteblatt November 2017)

Um in Krankenhäusern die Produktivität zu erhöhen und Kosten einzusparen, wurden 2004 die sogenannten Fallpauschalen eingeführt, die das bis dahin geltende Selbstkostenprinzip ersetzten. Seither werden Krankenhausleistungen pauschal pro Eingriff abgerechnet. Damit werden Krankenhäuser nun angehalten, Gewinne zu erwirtschaften, statt Kostenerstattungen zu verlangen. Es wird erwartet, dass Krankenhäuser diese Gewinne einsetzen, um ihre Existenz zu sichern. So werden, wie es in einer Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt heißt, »Aufnahme, Behandlung und Entlassung von Patienten nicht allein von medizinischen, sondern – um Gewinne erwirtschaften zu können – auch von wirtschaftlichen Gesichtspunkten beeinflusst, das heißt ökonomisiert«.

Der Medizinhistoriker Paul Unschuld bedauert diese Entwicklung: »Patienten stehen nicht mehr als Leidende, sondern als Kunden im Fokus. Anders als ein Dienstleister-Kunden-Verhältnis ist das Arzt-Patienten-Verhältnis aber besonders von Vertrauen geprägt.« Durch die Umstellung in der Abrechnung auf Fallpauschalen stieg der Arbeitsdruck auf Ärzte und Pflegepersonal deutlich an. Um Kosten zu sparen, wurde die Anzahl der Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern in den letzten 15 Jahren um 50 000 Mitarbeiter reduziert – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung. Außerdem ist der Verwaltungsaufwand dadurch enorm gestiegen. Ärzte verbringen mittlerweile etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Verwaltungstätigkeiten statt mit dem Patienten.

Die Fallpauschalen hatten vor allem zur Folge, dass nun immer häufiger betriebswirtschaftliche Interessen bei patientenbezogenen Entscheidungen berücksichtigt werden müssen. Dies führt immer öfter zu Unter-, Über- und Fehlversorgung von Patienten, sodass der wirtschaftliche Druck häufig die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen untergräbt. Beispielsweise wird häufig aus Kostengründen auf Behandlungen verzichtet, was von 44 Prozent der befragten Ärzte bestätigt wurde. Auf der anderen Seite werden Behandlungen, die besonders lukrativ sind, auch besonders häufig vorgenommen, selbst wenn es nicht unbedingt medizinisch nötig ist.

Anschauliche Beispiele für diese Fehlentwicklungen schildert der Film »Der marktgerechte Patient« von 2018. Ein Arzt der Universitätsklinik München berichtet in diesem Film davon, dass die unzureichende Anzahl von Organspendern auch auf das Verhalten der Krankenhäuser zurückzuführen ist, weil Spender eine hohe OP-Kapazität belegen, die anderweitig viel lukrativer verwendet werden kann. Bei chronischen Diabeteserkrankungen ist es demnach viel lukrativer, eine Amputation durchzuführen als eine chronische Wundbehandlung. Obwohl es an einen kommerziellen Selbstmord grenzt, unterhält das städtische Klinikum Dortmund mit seinem Diabetes-Zentrum trotzdem eine entsprechende Abteilung für Diabetes-Wundbehandlung.

Ein weiteres, durch die Fallpauschalen hervorgerufenes Phänomen ist die sogenannte »blutige Entlassung«; das heißt, dass Patienten, um Kosten zu sparen, nach der Operation immer früher aus dem Krankenhaus entlassen werden, obwohl ihre Wunden manchmal noch nicht verheilt sind und sie sich nicht allein versorgen können. Die Einsparung solcher Kosten erhöht bekanntlich den Gewinn. Um »blutige Entlassungen« zu vermeiden, wurde zwar die sogenannte »untere Grenzverweildauer« eingeführt. Danach wird die Fallpauschale gekürzt, wenn der Patient vor der unteren Grenzverweildauer entlassen wird. Patienten, die tatsächlich mehr Zeit als die Grenzverweildauer benötigen, werden auf diese Weise jedoch nicht geschützt.

Der Spiegel titelte am 17.12.2016 »In der Krankenfabrik« und beschreibt die teilweise desaströsen Zustände in deutschen Privatkliniken: »Bei Asklepios, dem zweitgrößten Klinikkonzern in Deutschland, sind Ärzte und Pfleger gezwungen, ihren Berufsethos gegen die harten Renditevorgaben der Geschäftsführung zu verteidigen. (…) Ärzte werden am Gewinn gemessen, Schwestern und Pfleger als Kostenfaktor und Patienten als Fallpauschale betrachtet (…). Um die Rentabilität zu steigern, wurden Abteilungen aufgelöst oder so stark ausgedünnt, dass sich der Dienstplan manchmal kaum erfüllen lässt. Überlastete Ärzte warnen in Brandbriefen, das Risiko ‚schwerwiegender ärztlicher Fehler‘ steige mit jedem Tag.«

Ein Jahr zuvor hatte der Spiegel die Probleme schon einmal angemahnt: »Der Ton der E-Mail, mit der sich Frau M., eine deutsche Krankenschwester, an den Spiegel wandte, war verzweifelt. Und was Frau M. aus dem Innersten deutscher Krankhäuser zu berichten hatte, war erschreckend: Patienten, die fixiert werden, damit sie keine Unruhe stiften; Pflegende, die ihren Frust mit Alkohol betäuben. Um zu sparen, beschäftigen Kliniken hierzulande 35 000 Pflegekräfte weniger als noch vor 20 Jahren.«

Im Sommer 2018 ließ der Spiegel eine Krankenschwester zu Wort kommen, die aufgrund eines vermeidbaren Fehlers den Tod eines Patienten verursacht hatte: »Das könnte jedem in diesem Job passieren – zu viel Stress, falsche Routinen.« Ein letztes Beispiel: Das ARD-Wirtschaftsmagazin plusminus zeigte Ende 2015 einen Fall, bei dem es um den fragwürdigen, gewinnmaximierenden Einsatz von Beatmungsmaschinen ging. Je länger Beatmungsmaschinen eingesetzt werden, desto lukrativer ist dies für die behandelnde Institution, weil die Vergütungssätze mit der Anzahl der Beatmungsstunden überproportional steigen. Die Reportage verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf Pflegeintensiv-Einrichtungen, die als »dankbare Abnehmer« nach der Erstversorgung im Krankenhaus ein Riesengeschäft machen und Traumrenditen (hier: Umsatzrendite = Gewinn / Umsatz) von 40 bis zu 60 Prozent erreichen. Da sich Patienten mit jedem Tag mehr an eine Beatmungsmaschine gewöhnen, wird die notwendige Entwöhnung immer schwieriger. Das Risiko von bleibenden Folgeschäden steigt ebenfalls, und zwar zulasten des Patienten und der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten, die selbstverständlich auch diese Folgebehandlungen finanziert.

Dies ist nicht nur ethisch, sondern sogar ökonomisch fragwürdig, obwohl – besser: gerade weil! – die beatmende Institution dem Prinzip der Gewinnmaximierung gefolgt ist. Die Ausführungen belegen, dass das Gewinnprinzip, insbesondere das Prinzip der Gewinnmaximierung, kein guter Ansatz ist, um unser Gesundheitssystem zu organisieren.

 

 

Christian Kreiß, Heinz Siebenbrock:

Blenden, Wuchern, Lamentieren.

Wie die Betriebswirtschaftslehre zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt

Europa Verlag

272 Seiten, € 22,-

Kommentare
  • luciano mark
    Antworten
    Hier ist meine Geschichte. großartig

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    Internet und fand über das Öl heraus .. stellte viele Fragen .. sah
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    Holen Sie sich das Öl in den nächsten 48 Stunden, ich gab meine Bestellung auf und in den nächsten 48 Stunden
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    E-Mail: Ricksimpsoncannabisoil96@gmail.com Kontaktieren Sie ihn und holen Sie sich das Öl.

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