Grenzschutz in Griechenland: Ausdruck der Unmenschlichkeit

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

254. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Sehr gute Nachrichten gibt es zu Beginn meines Berichts. Dann aber auch: schlimme Nachrichten aus Griechenland selbst. Wobei für letztere gilt: endlich beginnt ein Teil der Weltgemeinschaft, sich gegen die Unmenschlichkeiten zu wehren in und um Griechenland. Das gilt für eine syrische Bürgerrechtsorganisation aus Washington, das gilt aber auch und sogar für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Insofern enthält also mein Bericht auch in diesem Teil gute Nachrichten für uns. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

schon in der letzten Woche durfte ich Euch eine deutliche Aufwärtsbewegung mitteilen zum Spendeneingang. Waren in den sieben Tagen davor nur 57,- Euro auf unser Hilfskonto eingezahlt worden, überwiesen von 5 UnterstützerInnen an uns, so durfte ich in meinem letzten Bericht bereits einen Anstieg auf 319,11 Euro verzeichnen, überwiesen von 11 SpenderInnen an uns. Und dieser Hilfsbetrag ist in der letzten Woche noch einmal aufs erfreulichste übertroffen worden, und zwar mit 670,- Euro! Dabei ist bemerkenswert, dass es lediglich 3 Überweisungen gab und es wiederum Renate H. gewesen ist, die vor allem für diesen enormen Zuwachs gesorgt hat. Allein von ihr nämlich gingen 600,- Euro auf unserem Hilfskonto ein!

Selbstverständlich danke ich allen drei SpenderInnen sehr, aber Ihr werdet verstehen, dass mich diese immense Hilfe von Renate H. ganz besonders gefreut hat! Ich kann nur wiederholen, was ich vor einigen Wochen bereits einmal schrieb: nicht alle, denen es finanziell offenbar einigermaßen gut geht, haben darüber ihre Menschengüte vergessen. Empathie zeichnet nicht allein die Ärmeren unter Euch aus – und diesen Beweis hat unsere GriechInnenhilfe immer wieder geliefert. Empathie ist wahrlich auch den Besserverdienenden unter Euch nicht fremd. Ihr ahnt vielleicht gar nicht, mit wie viel Zuversicht diese Tatsache uns OrganisatorInnen erfüllt! HdS darf stolz auf seine Leserschaft sein.

Noch kann ich heute nicht über neue Hilfsaktionen berichten. Aber der Kontostand von nunmehr rund 1.500,- Euro lässt hoffen, dass wir sehr bald über weitere, sehr konkrete, Unterstützungsmaßnahmen werden berichten können.

Zugegeben: beeinträchtigt von der Corona-Krise in Griechenland und von den Wetterbedingungen bei uns, treffen derzeit neue Nachrichten aus dem Staat im östlichen Mittelmeer eher nur spärlich bei mir ein. Oft erreichen mich die „neuesten“ Ausgaben der „Griechenland Zeitung“ (GZ) nur mit großer Verspätung (wiederholt spielen Störungen beim Flugverkehr eine große Rolle dabei). Doch über zwei Geschehnisse in und um Griechenland kann ich Euch heute doch etwas ausführlicher berichten.

Dimos Chatzichristou, Chef-Kommentator bei der GZ, kritisiert in der Ausgabe vom 3. Februar (der letzten, die mich während der vergangenen vierzehn Tage erreichte), dass die repressiven Maßnahmen der griechischen Regierung – insbesondere, was das Versammlungs- und Demonstrationsrecht betrifft -, offenbar sehr häufig nach „Gutsherrenart“ durchgesetzt werden oder auch nicht. Willkür bestimmt also das Bild. Konkret sieht das demzufolge so aus, dass Kirchgänger oft gar nicht polizeilich „ausgebremst“ werden, wenn sie sich zu ihren Gottesdiensten versammeln, sehr wohl aber kleinere Parteien, die für ihre Rechte auf die Straße gehen, oder auch Jugendliche, die nicht auf ihre Treffen verzichten wollen. „Staatsrechtlich gesehen ist dieser Pragmatismus alles andere als sauber“, so Chatzichristou in seinem Kommentar.

Von größerer Relevanz jedoch ist – nach meiner Einschätzung jedenfalls – ein anderes Geschehen, das inzwischen in Gang gekommen ist. Es mehren sich nämlich Aktionen, die immer stärker das Vorgehen der griechischen Regierung gegen die Flüchtlinge zum Gegenstand haben. Auch hier wieder konkret:

Es ist zum einen das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, die UNHCR (= „United Nations High Commissioner for Refugees“), das immer stärker und entschiedener das Verhalten der griechischen Marine und von FRONTEX kritisiert, nämlich die Tatsache, bereits auf dem Meer zwischen der Türkei und Griechenland Flüchtlingsboote zurückzutreiben auf die offene See, mit der Folge, dass deren Insassen daran gehindert werden, auf den griechischen Inseln ihr Asylrecht geltend zu machen. Die UN-Organisation verwies auf die Flüchtlingskonvention von 1951, auf die europäische Menschenrechtskonvention sowie auf das EU-Recht generell, demzufolge selbst Migranten, die auf „irregulärem“ Wege nach Europa zu kommen versuchen, geschützt werden müssen und das Recht besitzen, Antrag auf Asyl zu stellen. „Die Achtung vor dem Leben von Menschen und den Rechten Geflüchteter ist keine Wahl, sondern eine rechtliche und moralische Pflicht“, so die Hochkommissarin für den Schutz Geflüchteter Gillian Triggs. Und die UNHCR-Verantwortliche weiter: diese sogenannten „Pushbacks“ würden „gewaltsam und offenkundig systematisch“ durchgesetzt! Eine Tatsache, die von der Mitsotakis-Regierung „selbstverständlich“ als unwahr zurückgewiesen worden ist. Nun ja, Lügner definieren die Wahrheit eben auf ganz eigene Art.

Und zum anderen ist es – man höre und staune vielleicht – eine syrische Menschen- und Bürgerrechtsorganisation aus den USA, das „Syria Justice and Accountability Center“ (SJAC), das sich inzwischen entschlossen hat, gegen Griechenland Klage einzureichen beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, und zwar wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Dazu der SJAC-Exekutivdirektor Mohammad al Abdallah: syrische Geflüchtete seien an der türkisch-griechischen Grenze misshandelt worden, aber auch in den Erstaufnahmezentren auf den griechischen Inseln; Griechenland habe eine Reihe von Gesetzen und Praktiken eingeführt, die zum Ziel hätten, Geflüchtete ihrer Rechte zu berauben; und in den griechischen Flüchtlingslagern würden die Betroffenen an Wasser- und Nahrungsmittelmangel leiden und einer erhöhten Todesgefahr ausgesetzt. Kurz:

Damit seien die Betroffenen, gemäß Artikel 7 des Römischen Status des Internationalen Gerichtshofs, als Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuschätzen, und Mohammad al Abdallah wörtlich: „Schikanen gegen Geflüchtete müssen anerkannt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden“. Gleiches gälte auch für die „Pushback“-Aktionen, für jene Verbrechen mithin, die vom SJAC ebenso kritisiert werden wie vom UN-Flüchtlingshilfswerk.

Sollte hier endlich in Gang kommen, was längst überfällig ist? Und werden dabei wirklich auch die menschenrechtswidrigen Aktionen der FRONTEX zur Anklage kommen? – Fakt jedenfalls ist: alles, was der griechischen Regierung vorgeworfen wird, stimmt mit den Tatsachen überein, dasselbe gilt für die Vorwürfe, die gegenüber der FRONTEX zu erheben sind. In unguter Gemeinschaft von Griechenland und EU tritt man in der Ost-Ägäis die Menschenrechte mit Füßen, auf den Inseln wie auf hoher See, und es ist hohe Zeit, gegen diese Verbrechen auch strafrechtlich vorzugehen.

Für uns jedenfalls versteht sich von selbst: wir werden diese Vorgänge, wie in der Vergangenheit geschehen, auch weiterhin im Auge behalten. Mitmenschlichkeit ist für uns grenzenlos, und Grenzschutz dieser Art ist immer Ausdruck der Unmenschlichkeit.

Und damit wieder zu meinem Schlussappell:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

Kommentare
  • Volker
    Antworten

    Sollte hier endlich in Gang kommen, was längst überfällig ist? Und werden dabei wirklich auch die menschenrechtswidrigen Aktionen der FRONTEX zur Anklage kommen?

    Abwarten, leider, und darauf  hoffen, dass eine solche Klage zu mehr Menschenwürde führt. Richtig gelesen, schrieb bewusst von mehr Menschenwürde – also etwas mehr als… – die bewilligt oder auch nicht, je nach Lage politischer Interessen.
    Menschenwürde einfordern, vor einem Gericht, dessen Richter über Würde wohlwollend zu entscheiden haben, wie Würde zu definieren sei, wem sie zugestanden wird, oder auch nicht. Schlimm und unerträglich. Im Ansatz schon als unmenschlich anzusehen.

    Was mich betrifft: Leider wenig Hoffnung auf Änderungen, soweit bin ich in dieser unerträglichen Realität schon angekommen. Eine Klage in Den Haag beträfe EU-Politik im Allgemeinen, insbesondere auch deutsche Politik*er, deren Menschenrechtsvorstellungen darin gipfelt, Frontex mit zu ermöglichen, ein Atomwaffenverbot abzulehnen, im Nato-Verbund einen weiteren Weltkrieg voranzutreiben. Welche Gerichtsbarkeit wäre dafür zuständig, welche Interessen würde sie vertreten wollen/dürfen?

    Im Wohlfühlurlaubsland werden Menschen interniert, auf der Flucht vor Zerstörung ihrer Lebensbedingungen, mit einem verächtlichen Schulterzucken aus Brüssel und Berlin.

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