Griechenland und sein unbelehrbarer Zwingherr

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Nazis auf der Akropolis

Betrachtet man die aktuelle Verelendungspolitik gegen Griechenland, an der deutsche Politiker federführend beteiligt sind, so kann man eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Deutschland hat Griechenland dessen Besetzung und Auspünderung während des Zweiten Weltkriegs nie verziehen. Nachdem die griechische Bevölkerung damals um ein Zehntel reduziert worden war, weigerte sich Deutschland – im Gegensatz zu Italien und Bulgarien – Reparationen zu zahlen und kam damit durch. Auch während der griechischen Militärdiktatur (1967-1974) kam von deutschen Politikern keine Hilfe für die Unterdrückten. Eine Zusammenfassung der beschämenden “Beziehungsgeschichte” zwischen beiden Ländern. (Peter Boettel)

Im Video mit dem Kabarettisten Alfons (am 23.01.2018 auf HdS) hat Alfons zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht allein Griechenland viel Quatsch gemacht hat und deshalb von der Troika, die insbesondere von Schäuble dominiert wurde, abgestraft wird, sondern dass auch ein anderes Land Quatsch gemacht hat, dem jedoch auf der Londoner Schuldenkonferenz die Hälfte seiner Schulden mit Zustimmung ausgerechnet der Länder, die überfallen wurden, erlassen wurden.

Gerade Deutschland, dessen ehemaliger Finanzminister mit Rückendeckung seiner Kanzlerin Merkel eine große Armut der griechischen Bevölkerung und eine enorme Steigerung der Suizidraten zu verantworten hat, hat, wie von Alfons kurz angedeutet, in den Kriegsjahren in Griechenland sehr viel Unheil angerichtet.

Im Jahre 1941 wird Griechenland von deutschen Truppen besetzt, es kommt durch Aufstände zu Tausenden von Toten, und insbesondere durch die Kriegsmacht Deutschland werden grausame Vergeltungsmaßnahmen ausgeübt, bei denen regelmäßig eine vielfache Anzahl der Bewohner gegenüber den deutschen Gefallenen exekutiert wird. So wurden beispielsweise beim Massaker von Distimo rund 1.800 Zivilisten von der Waffen-SS als Vergeltung für Partisanenkämpfe ermordet. „Hier hat sich Deutschland über die sogenannte Staatenimmunität erfolgreich vor Klagen gedrückt und unterwirft sich nicht einmal der internationalen Gerichtsbarkeit, um dieses traurige Kapitel deutsch-griechischer Geschichte durch Gerichte prüfen zu lassen.“

Der so erzeugte wirtschaftliche Zusammenbruch und der Mangel an Lebensmitteln führte zu Hungerkatastrophen und einer Säuglingssterblichkeit von 80 %. Zum anderen hat die deutsche Besatzungsmacht 1942 dem griechischen Staat eine „Zwangsanleihe“ abgepresst, die einem Betrag von rund 10,3 Mrd. Euro entspricht. Damit wurden nicht allein die Besatzungskosten finanziert – als hätten sich die Besatzer nicht schon am Eigentum der Bewohner und deren wirtschaftlichen Produkte vergriffen –, sondern auch der Afrikafeldzug der deutschen Wehrmacht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das schon durch die Besatzungsmächte Deutschland, Italien und Bulgarien gebeutelte Land nach einem Verlust von 10 % der Bevölkerung von einem Bürgerkrieg heimgesucht, der bis 1949 dauerte: zwischen der linken Volksfront bzw. deren Demokratischer Armee Griechenlands, die logistisch durch Albanien und Jugoslawien unterstützt wurde, einerseits, und andererseits der konservativen griechischen Regierung, welche von Großbritannien bis 1947 und ab März 1947 von den USA militärisch unterstützt wurde. Auch dieser Bürgerkrieg rief weitere Tausende von Todesopfern und Flüchtlingen hervor.

Wie nach den meisten Kriegen üblich, tauchte nach dem zweiten Weltkrieg die Forderung nach Reparationen von den angegriffenen bzw. überfallenen Staaten gegenüber Deutschland und seinen damaligen Verbündeten auf. So verpflichteten sich beispielsweise Italien und Bulgarien im Jahre 1947 in Friedensverträgen mit den Siegermächten zu einer Zahlung von 105 Mio. Dollar bzw. 45 Mio. Dollar an Griechenland. Nur die Kriegsmacht Deutschland, die das größte Unheil anrichtete, zahlte nichts.

Im Rahmen des im Jahre 1953 abgeschlossenen Londoner Schuldenabkommens wurden die Reparationsforderungen für den Zeitpunkt eines Friedensvertrages vertagt, während die Hälfte der Vor- und Nachkriegsschulden von rund 30 Mrd. DM von den Westmächten und auch mit Zustimmung Griechenlands erlassen wurde, wobei die andere Hälfte in den Folgejahren jährlich entsprechend der Höhe der jeweiligen Wirtschaftsleistung abgestottert werden konnte. Da alle Seiten eine Wiedervereinigung für möglich hielten, sollten die rückständigen Zinsen für die Jahre von 1945 bis 1952 erst nach der Wiedervereinigung über einen Zeitraum von 20 Jahren nachgezahlt werden, was nach dem Zwei plus Vier-Vertrag von 1990 an tatsächlich gegenüber den Siegermächten geschah. Die letzten Zinszahlungen wurden 2010 geleistet. Ebenso wurden zwischen 1991 und 1998 bilaterale Entschädigungsabkommen – ähnlich denen in den 1960er Jahren mit westlichen Staaten, bei denen Griechenland durch Vertrag von 1960 einen Betrag von 115 Mio. DM erhalten hat – mit osteuropäischen Staaten geschlossen.

Zusammenfassend ergibt sich, dass Griechenland sowohl durch Besatzung und Krieg, durch mörderische Gemetzel unter der Bevölkerung wie in Distimo und der wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes, durch eine magere Entschädigung im Gegensatz zu anderen Ländern als auch durch die spätere Verweigerung der Rückzahlung der Zwangsanleihe bereits in der Vergangenheit aufs Tiefste gedemütigt wurde.

In den Folgejahren nach dem Bürgerkrieg hatte das Land daher mit enormen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, von denen es sich erst langsam durch den entstehenden Tourismus erholen konnte.

Während der Militärdiktatur von 1967 bis 1974 wurden anstelle der geltenden Gesetze sogar Gesetze aus der Nazi-Besatzungszeit wieder in Kraft gesetzt. Schlimmerweise blieb der Protest insbesondere aus Deutschland aus; vielmehr meinte der damalige CSU Vorsitzende Strauß, Griechenland sei zur Stabilität zurückgekehrt, und der frühere Bundespräsident Heinrich Lübke würdigte in seiner traurigerweise bekannten Einfalt, die „traditionelle Freundschaft, die sich auf das hohe Ideal der Freiheit gründe.“

Selbst führende Vertreter der SPD ließen die Grundrechte hinter der Mitgliedschaft Griechenlands im atlantischen Bündnis rangieren. So hatte sich noch vor Ablauf eines Jahres nach dem Putsch, nachdem die Beziehungen reduziert wurden, der deutsche Botschafter mit dem griechischen Außenminister getroffen, wobei die Bundesregierung dies mit der Wiederaufnahme „normaler“ Beziehungen seitens anderer Nato-Staaten rechtfertigte. Als besonders peinlich muss man die späteren Wirtschaftsnachrichten betrachten, die den regen Anstieg des Warenaustauschs mit dem Obristenregime anpriesen, wobei vor allem die Waffenlieferungen zur Stärkung dieser Diktatur beitrugen.

Und so stellt die derzetige Austeritätspolitik mittels einer durch keinerlei demokratische Legitimation gebildete Troika eine traurige Fortsetzung dieser unmenschlichen militärischen Machtausübung gegenüber ausgerechnet dem Land dar, in dem die Wiege der Demokratie steht.

 

Buchtipp: Peter Boettel: Ist Europa gescheitert? Verlag Novum, 234 Seiten, € 13,45

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