Grüne Steinewerfer

 In FEATURED, Politik (Inland), Spiritualität

Boris Palmer, Foto: Reinhard Kraatsch, Lizenz Creative Commons

Boris Palmer scheiterte an seinen Verstößen gegen neuwoke Sprachnormen – der Hang zur Provokation liegt bei ihm in der Familie. Die grüne Kulturrevolution frisst ihre eigenen Kinder. Boris Palmer ist aus seiner Partei ausgetreten, nimmt sich ein Auszeit und will eine Therapie machen. Das wären uns auch andere Politiker eingefallen, die dies nötig hätten und auf die wir gern für eine Weile verzichten könnten. Aber was war der Grund? War es Palmers Beteiligung an der Hetzjagd gegen Ungeimpfte? Nein, es geht – wieder mal – um einen Verstoß gegen sprachliche Correctness-Regeln, darum wie Menschen dunkler Hautfarbe zu bezeichnen sind. Der Jäger wurde unversehens zum Gejagten, die Sprachwächter wollten sich das telegene Großwild nicht entgehen lassen und an ihm ein Exempel statuieren. Jürgen Fliege wählt für seine Auseinandersetzung mit dem Thema einen ungewöhnlichen, sehr persönlichen Ansatz. Er kannte schon Boris Palmers Vater und weiß, dass Unbeugsamkeit und eine provokante Art bei dem Tübinger Oberbürgermeister quasi in der Familie liegen. Aber auch die Fähigkeit, zur Umkehr und Einkehr. Es geht nicht darum, zu behaupten, dass Boris Palmer keine Fehler gemacht hätte – das hat er -, sondern um etwas ganz anderes: Wenn jemand oben auf ist und austeilt, kann man sich gegen ihn wehren, wenn er dagegen am Boden liegt, verlangt es der Anstand, nicht nachzutreten. Jürgen Fliege

 

Das letzte Hallali ist geblasen und der Palmer blieb auf der Strecke.

Mein Disclaimer könnte so lauten: Ich war einer der ersten Pfarrer im Land, die im Pfarrhaus und der Kirche Kirchenasyl für Flüchtlinge aus aller Welt organisierte,  dunkelhäutig oder nicht, das war nie die Frage. Wenigstens nicht für mich und meine Familie und mein Umfeld. Das Problem tauchte erst später einmal auf, als zu meinem Geburtstag eine ganze dunkelhäutige Delegation der Geflüchteten zur Gratulation kam, um ihren Dank abzustatten und ihre Verehrung. Und ein kleines  Mädchen aus der Gemeinde lief durch den Garten und rief: „Versteckt euch, versteckt euch, die Neger kommen!“ Woher hatte es diese Furcht vor dem schwarzen Mann? Ist die älter als wir? Älter als unser Tun und unser konkretes Verhalten? Und wenn ja, wie kriegt man das weg? Und ist es das, was wir uns heute in unseren Seelen oder in unserem Unterbewussten anschauen müssen?  – Ich bin dabei.

Und jetzt Disclaimer Nummer zwei, weil man ja nicht weiß, was einem alles um die Ohren gehauen wird, was nichts damit zu tun hat: Homosexuell begabte Menschen gehörten immer schon zu meinen besten Freunden, unter anderem habe ich sie als Taufpaten ausgesucht. Und jungen Gemeindegliedern, die in der nahen Kreisstadt ein anderes Geschlecht ausprobieren wollten oder mussten, stand ich schon in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts bei und versuchte es den Eltern zu erklären. Mit mehr kann ich jetzt spontan nicht dienen. Hört ihr mir überhaupt noch zu? Ich bin jetzt 76 Jahre alt. Zählt das Alter noch? Zählt noch was ich erfahren habe?

Über viele Jahre habe ich als junger Student in Tübingen morgens auf dem Marktplatz vor dem Rathaus gestanden und wie in einem Oberseminar das gute Predigen studiert. Ich wollte, dass meine Worte wirken. Mein Lehrer war ein Obsthändler und die Art, wie er mit den Leuten redete. Mein Lehrer war Helmut Palmer, der Vater von Boris Palmer. Er war nicht nur ein begnadeter „Prediger“, weswegen ich ja da stand und lernte und lernte. Statt Kirchensprache: die Sprache des Volkes, statt intellektueller Distanz: Volksnähe ohne Berührungsängste, und auch, dass die Predigt beim Predigen entsteht und nicht im Studierzimmer! Der Palmer wusste das. Die Kirche weiß es bis heute nicht.

Und dann die Wirkmacht der Bilder und Symbole, wenn er wieder einmal irgendein Gemüse oder sonstwas in die Hand nahm, um den Umstehende etwas klarer zu machen! Also vielleicht ein grünes Blatt nehmen und erklären, wie schnell es braun werden kann, wenn es von seinen Wurzeln abgeschnitten leben will – all das wusste und lehrte er! Er war ein Genie! Ein Mann, ein Wort. Ein Verkäufer der anderen Art. Ein Missionar, ein Kämpfer eben, der gegen den immer noch fruchtbaren braunen Schoß in unserer Gesellschaft ankämpfte und sich ohne Rücksicht auf eigene Verluste und Familie –  wie sein Sohn später auch – in die Bresche warf. Ich habe ihn bewundert, wie er da und dort auf der Ladefläche seines Obstwagens stand und agitierte und die „Nazis“ da und dort und überall ausmachte. Ich habe ihn bewundert wegen seines Mutes, wie unerschrocken er immer und immer wieder lieber ins Gefängnis ging, als sich für etwas zu entschuldigen, bei dem er keine Schuld sah. Also immer dann, wenn sich wieder einmal ein kleiner oder großer Herr auf den politischen Schlips getreten fühlte und Palmer mal wieder mit Hilfe der oft willfährigen Obrigkeits-Justiz ins Gefängnis ging. Palmer, der Rebell aus dem Remstal, seligen Angedenkens, du warst Salz in den Wunden der Mächtigen und in der oft faden Suppe der Demokratie! Was hat das mit deinem Sohn gemacht?

Später wurde ich selbst einmal ein „Opfer“ seiner antifaschistischen Mission. Als landesweit bekannte Glotzgröße, vulgo TV-Pfarrer, war ich zu einem Gottesdienst nach Schorndorf ins Remstal eingeladen worden, dem Heimatort der Palmers. Und weil die Kirche zu klein war, fand die Veranstaltung in einer großen Sporthalle statt. Und da stand mein Helmut Palmer mit einem riesigen Transparent vor dem Eingang und warnte die Gläubigen davor, in meinen Gottesdienst zu gehen. Er prangerte die Pfaffen und das Fernsehgeschäft an und die Unheilige Allianz von Staat und Kirche und nutzte die letzte Möglichkeit, an alle zu appellieren, nicht zum Fliege zu gehen. Mit mäßigem oder keinem Erfolg. Aber das war ihm immer schon egal. Last man standing! Das erkennt man in seinem Sohn bis heute.

Da bin ich dann unmittelbar vor dem Gottesdienst zu dem Alten gegangen, habe mich ein wenig anschreien und angiften lassen, Auge in Auge, ganz nah, und dann habe ich ihm von mir erzählt und unseren heimlichen gemeinsamen Jahren damals in Tübingen auf dem Marktplatz und davon, was ich von ihm gelernt habe und ihm wohl klargemacht, dass eine tiefe schöpfungsverbundene Spiritualität nicht automatisch dem Bündnis von Kirche und Staat dient. Da verstummt er, schaut mich an, rollt sein riesiges Transparent ein und geht. Ich aber gehe in die „Kirche“ und denke zwischen Predigt und „Vater Unser“: Was passiert da jetzt draußen? Stürmt der Palmer gleich die Halle? Nix ist passiert! – Doch, etwas Großes ist passiert! Das Größte, was unter Menschen überhaupt passieren kann. Denn nach dem Gottesdienst, als ich mich von allen Besuchern per Handschlag und Segen verabschiedete, stand auf einmal der Palmer da, wartete, bis alle gesegnet waren,  bat um Entschuldigung für seinen Eklat und brachte mir eine in der Zwischenzeit von zuhause geholte große Kiste voller Äpfel als Geschenk und „Sühnezeichen“. Es waren Früchte vom Baum des Lebens, die uns beide in Liebe und Verzeihen, in Verehrung und Vergeben verbunden haben. Für immer.

Sind es diese Äpfel, die mich jetzt an die Seite seines Sohnes treten lassen? Schließlich drängt uns Jesus, der Meister des Lebens, dazu, als Christ ein Leben gerade so wie ein Anwalt zu führen. Also als Fürsprecher, Stellvertreter und Allesversteher durchs Leben zu gehen. Von Tübingen bis Moskau und zurück! Das geht! Und hier sogar ganz leicht, denn so viel spontane und herzliche Entschuldigung wie beim Palmer ist mir im politischen Raum nie mehr begegnet. Das ist das eine. Aber eher ist es doch auch die Familiengeschichte der Palmers, die, wie Jesus lehrt, über drei, vier Generationen auf jeden von uns wirkt. Konkret: die mittlerweile bekannte Palmersche Unbeugsamkeit gegen das Braune in jeder Gesellschaft! Bekannt ist auch, wie teuer sie alle dafür bezahlt haben und wie ein Sohn und ein Enkel davon geprägt wurden.

An dem Palmer-Exempel, das da im politischen Raum statuiert wurde und wird, gibt es auf vielen Ebenen viel zu lernen. Denn wenn im politischen Raum die richtigen Knöpfe gedrückt werden, dann ist man als einzelner Mensch oft genug hilflos seinen Gefühlen ausgeliefert. Last man falling! Eine uralte Emotion kommt nach oben und eröffnet einmal mehr den Tanz aus der Reihe! Ein Palmer soll ein „Nazi“ sein?! Wie bitte? – Wisst ihr nicht mehr, was ein „Nazi“ war und was heute ein „Nazi“ ist? Habt ihr gar keinen politischen Kompass mehr? Seid ihr noch bei Trost? Seid ihr also eher nicht bei Trost und darum verrückt und aus jeder Mitte und Orientierung  gefallen? Und dann die ganze grün-braune Horde hinterher, die den Palmer johlend noch anstachelt, vielleicht geht da noch was! Was für ein politischer Lustgewinn, medial aufgeputscht und geputscht, und wir sind ihn los! Palmer ein „Nazi“. Und da ist sie wieder, diese Jagdmeute, die Masse, die anderen Gesetzen folgt als denen der Vernunft, der Mäßigung, der Toleranz und der Liebe.

Und wenn dann Palmer Junior das Wort „Neger“ weder aus Kinderbüchern oder anderer Literatur gestrichen oder durch gestelzte Umschreibungen ersetzt, noch aus Bäckereien und Apotheken entfernt sehen will – zumal es in seinem Wortschatz wie auch in meinem nur vorkommt, wenn es darum geht, das Problembewusstsein für Sprache, Sprachkontrolle und Gehirnwäsche zu schärfen -, dann hat er mich an seiner Seite als Palmerversteher. Nachgeborene sind nicht die besten Richter über die Eltern. Das hat a Geschmäckle, wie der Schwabe sagen würde.

Und dann auf einmal ist das Maß voll, und der Sohn kommt einmal mehr nach dem Vater. Kaum dass Boris Palmer endlich erkennt, dass er mit seiner harten Verteidigungstechnik Wunde um Wunde schlägt ohne jeden Erfolg, geht er in sich, erkennt seine alten Kränkungen als Krankheit an und will sich helfen lassen. Wer, bitte schön, hat denn diese Größe? Im fortgeschrittenen Alter in Therapie zu gehen?! Wo gibt’s denn sowas? Was Helmut nicht lernt, lernt Boris immer mehr.

Ach ja, Boris Palmer, der grünbunte Oberbürgermeister meiner alten Universitätsstadt wollte mich doch vor kurzem noch als ungeimpften Querdenker ziemlich leiden und bluten lassen. Da war er noch ganz nah bei den braunen Grünen, wusste schon von schweren Impfschäden und war immer noch im Krieg gegen das Virus. Der Krieg ist verloren, wie jeder Krieg verloren und ohne Gewinner ist! Und darum längst verziehen!

Also, nochmal: Gebt Ruhe! Seid still! Kehrt in dieser Woche in aller Stille wie die Schwaben vor der eigenen Tür. Eine innere Kehrwoche wird die Krankheit heilen.

 

Anzeigen von 5 Kommentaren
  • Anneliebrendgens
    Antworten
    Wahre tiefgreifende Worte.
  • Anne-Bärbel Heidinger
    Antworten
    Lieber, verehrter Herr Fliege,

    danke für Ihre guten Worte. Sie versuchen, fair und gerecht gegen Boris Palmer zu sein. Nein, Sie versuchen es nicht, Sie sind es. Ich bin so froh, dass es Menschen gibt wie Sie. Und dass Herr Palmer sich zurück zieht und eine Therapie machen will, Hut ab! Ein Mensch, der seine Schwächen und Fehler einsieht und Hilfe sucht. Möge er gute Hilfe finden!

    Ich grüße Sie von Herzen

    Anne-Bärbel Heidinger

    Kennen Sie das Buch von Dorothee Sölle: Es muss doch mehr als alles geben? Es ist ein wunderbares Buch, für mich fast wie ene Offenbarung.

     

     

  • Steffen
    Antworten
    Meine Oma hat Pfarrer Fliege im Fernsehen bewundert…ich bewundere ihn jetzt!

    Toller Artikel…schon wieder!!

  • Roberti R.
    Antworten
    Ich finde den Boris Plalmer auch lieb, und er ist ja immer so nah an unseren Bedürfnissen, hat ein Ohr für die Bürgerinnen, und ist stets gut frisiert! Wie ein Obsthändler, der nie beste Birnen und Äpfel verwechselt!  Schade, dass die Idee, Impfgegner mit 5 Tausend Euro Strafe oder Beugehaft zu belegen nicht geklappt hat. Stellt euch doch mal vor, was da ins Säckle der Stadt geflossen wäre, was wir da an Blumenbeeten und Turnhallen hätten bauen können. Jetzt seid bitte nicht so miesepetrig, der Boris schlägt zwar gelegentlich vielleicht  etwas über die Stränge, aber er  ist einer von uns. Da hat der Fliege schon recht. Und die Therapie wir bestimmt ein großer Erfolg. Vielleicht taucht er ja bald, schwuppsdiewupps, bei der AfD,  wieder auf? Oder er wird Vorsitzender beim ADAC? Oder bei der Bucerius Law School? Oder engagiert sich  der Queer Community? Wir dürfen gespannt sein! Marionette haben gute Verbindungen nach oben.  https://youtu.be/6dsBHhIXG_Q
  • Corinna C.
    Antworten

    ” die mittlerweile bekannte Palmersche Unbeugsamkeit gegen das Braune in jeder Gesellschaft”

    Ja, die habe ich auch so gespürt, im letzten und im vorletzten  Jahr , wenn Boris,  sich äußerte,  als Sproß dieser Dynastie. Auf jeden Fall.  Danke Herr Fliege, für die klaren Worte, für diese Einschätzung, der man sich ja  nur uneingeschränkt anschließen kann. Oder man schweigt, und gibt Ruhe. Das ist ja auch eine Option, nach Ihren Worten.

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen