Hämische Menschenentrechtung in Griechenland

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

239. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Nein, in der vergangenen Woche mussten wir kein neuerliches Null-Ergebnis registrieren. Leichtes Aufatmen also! Doch die Nachrichten aus Griechenland selber werden immer verheerender, und die Politik der Menschenentwürdigung drangsaliert die Einheimischen ebenso wie die Flüchtlinge auf dem eigenen Staatsgebiet. Lediglich alles, was in diesem Land reich ist oder über Macht verfügt, scheint davon ausgenommen zu sein. „Neue Demokratie“ halt! Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

vorweg: unser Griechenlandreisender und Griechenlandkenner Tassos Chatzatoglou hat inzwischen die Frage aus meinem letzten Bericht beantworten können, was es mit den rund 28.000 RentnerInnen auf sich hat, die bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres Rente beziehen. Es handelt sich um Menschen, die krankheits- oder unfallbedingt nicht mehr arbeitsfähig sind, und zwar auf Dauer nicht. Daran, ich betone es, ist natürlich gar nichts zu kritisieren, ganz im Gegenteil.

Gleichzeitig hat mir Tassos aber auch meine zweite Frage beantwortet, die ich ihm in diesem Zusammenhang gestellt habe: Wie viel RentnerInnen – etwa – haben selbst nach Erreichen ihres Anspruchsalters auf Rente bislang keine Zahlungen erhalten. In unserem Fall betrifft das, wie mitgeteilt, den Schauspieler Alexander S. aus Athen (sowie im übrigen sogar unseren Helfer Tassos selbst). Nun, es dürfte sich um circa 300.000 Menschen handeln, die nach ihrer Verrentung oft noch Monate, manche sogar noch Jahre auf diese ersten Auszahlungen warten müssen. Kann man das noch anders bezeichnen denn als staatlich verhängte Massenverelendung? – Mir fällt, ehrlich gesagt, kein anderer Begriff mehr zu dieser allen Rechtsstaatsprinzipien Hohn sprechenden Zerstörung sämtlicher Überlebens-Chancen ein.

Furchtbar ist auch eine zweite Nachricht aus Griechenland. Es geht um das sogenannte „Brain Drain“, um den Weggang oft hochqualifizierter und zumeist jüngerer Menschen aus ihrer Heimat, Weggang deshalb, weil sie ohne jede Chance auf menschenwürdiges Arbeiten in Griechenland sind. Deren Zahl wird auf 500.000 bis 600.000 Menschen geschätzt. Einem Bericht aus der letzten Ausgabe der „Griechenland Zeitung“ zufolge liegt das aber nicht nur an der Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland, sondern Ursache dafür ist sehr oft auch Korruption. Dies jedenfalls Resultat einer Untersuchung, die von der „Nationalen Hochschulbehörde“ Griechenlands dem Bildungsministerium vorgelegt worden ist. Eine weitere Ursache für das „Brain Drain“ sei darüber hinaus das Fehlen einer Strategie gegen den Weggang dieser hochqualifizierten Arbeitskräfte aus Griechenland – egal, ob es diese Korruption betrifft, die es eigentlich zu bekämpfen gälte, oder die allgemeine Notlage in diesem Mittelmeerstaat.

Dabei leistet das universitäre Ausbildungssystem in Hellas nach wie vor ganz ausgezeichnete Arbeit. 43 Prozent aller GriechInnen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren können einen Universitätsabschluss vorweisen – in der EU insgesamt sind das im Durchschnitt nur 40 Prozent. Gleichwohl weist Griechenland die höchste Arbeitslosenziffer unter den jungen Akademikern im gesamten Europa auf, wobei ganz besonders das weibliche Geschlecht von dieser Arbeitslosigkeit betroffen ist. Was in Zusammenfassung dieser beiden Hiobsbotschaften zur Rente und zum „Brain Drain“ bedeutet: die griechische Regierung versagt bei den älteren Menschen in Griechenland ebenso wie bei der jüngeren Generation. Existenzvernichtungspolitik also, wohin man blickt. Und damit soll ein marodes Land wieder auf die Beine kommen? – Humanes Versagen und volkswirtschaftliches Versagen gehen hier Hand in Hand!

Und schließlich eine dritte Mitteilung noch! Sie betrifft – erneut – das Ersatz-Camp Kara Tepe auf Lesbos, das Lager, das Moria ersetzen soll. Auch darüber berichtete ich ja schon.

Nun, wie zum Teil auch bei uns in der Bundesrepublik zu lesen und in den elektronischen Medien zu hören und zu sehen war, wurde dieses neue Lager vor einer Woche – am Donnerstag, den 8. Oktober des Jahres – von einem schweren Unwetter heimgesucht, von immens starken Regenfällen, die große Gebiete des Camp-Geländes unter Wasser setzten – mit furchtbaren Folgen für die Insassen dort, deren neue Zelte nicht einmal über Bodenschutz verfügen.

Vermutlich überrascht es niemanden von uns, dass vom griechischen Migrationsministerium jegliche Schuld an den Verhältnissen im neuen Lager zurückgewiesen worden ist. Das Flüchtlingshilfswerk der UNO sei schuld. Und Migrationsminister Notis Mitarakis bezeichnete die Missstände in Kara Tepe sogar als „Selbstverständlichkeit“. – „Selbstverständlichkeit“?

Fest steht jedenfalls, dass zahlreiche Hilfsorganisationen, Parteien und internationale Medien – sogar das, in diesem Ausnahmefall einmal! – die Situation in diesem neuen Lager aufs heftigste kritisiert haben. Die Essensrationen seien zu knapp – eine „Selbstverständlichkeit“? Die hygienischen Verhältnisse (Toiletten, Waschanlagen, Duschen) seien mangelhaft – eine „Selbstverständlichkeit“? Die Bewohner seien wie Heringe in Großzelten zusammengepfercht worden – eine „Selbstverständlichkeit“? Die Bewohner müssten ihre Kleider im Meer waschen und sich selber mit Flaschenwasser reinigen – eine „Selbstverständlichkeit“? Ein junger Mann aus Afghanistan berichtete dem britischen „Guardian“, seine Mutter würde kaum essen, um nicht so oft die Toilette aufsuchen zu müssen – eine Selbstverständlichkeit“? Andere Flüchtlinge würden lieber in die nahe Inselhauptstadt Mytilini laufen, um dort nach Toiletten und Waschgelegenheiten zu suchen – eine „Selbstverständlichkeit“?

Wenn das alles „selbstverständlich“ ist, wie sieht dann das „Selbstverständnis“ dieses Migrationsministers mit Namen Notis Mitarakis aus? Und einer angeblich neudemokratischen Regierung, die das alles zu rechtfertigen versucht? Menschenentwürdigung schlechthin scheint das Selbstverständnis dieser verantwortlichen Politiker zu sein bzw. deren Programm. Und wieder einmal gilt: Europa schaut weg, oder Europa schaut zu. Man weiß nicht, was schlimmer ist! Jedenfalls gilt – alle drei Nachrichten aus diesem Bericht zusammengefasst –: die Mitsotakis-Regierung macht keinen Unterschied, ob ihre inhumane Politik Ausländer oder Einheimische trifft. Ein hämischer Egalitarismus der Menschenentrechtung regiert dieses Land generell.

Kann man vor diesem Hintergrund von einer guten Nachricht sprechen, dass während der letzten Woche wieder für unsere GriechInnenhilfe gespendet worden ist? An das Null-Ergebnis der Tage davor erinnert Ihr Euch sicherlich noch. – Nun, während der letzten sieben Tage gingen immerhin 170,- Euro auf unserem Hilfskonto ein, überwiesen von 3 SpenderInnen an uns. Vielen Dank an die UnterstützerInnen! Aus unserem Betreutenkreis unmittelbar gibt es derzeit kein dringliches Notsignal. Also sparen wir zunächst einmal noch weiteres Geld an. Selbstverständlich werdet Ihr informiert, wenn wir demnächst neue Hilfsaktionen starten.

Und damit wieder mein erneuter Spendenaufruf:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen

Euer Holdger Platta

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