„Heimat“ – abgelutschter Begriff und Sehnsuchtsort
Von Linken wird der Begriff „Heimat“ nicht gern verwendet. Schnell taucht die missbräuchliche Verwendung durch den Nationalsozialismus, tauchen Heimatminister Seehofer, Trachtenkitsch und reaktionäre Dumpfheit in unserem Geist auf. Heimat bedeutet aber – abseits geografischer Festlegung – auch Zugehörigkeit zu einem Raum, wo wir Halt finden und Menschsein in einer Atmosphäre des Vertrauens möglich ist. Gerade der Kapitalismus praktiziert seit Jahrzehnten massiv eine Politik der Vertreibung der Menschen aus Vertrautem, offenbar in der Absicht, über Entwurzelte leichter verfügen zu können. Dies hat mit der Ablehnung „fremder“ Menschen oder der maßlosen Idealisierung des uns zufällig zugefallenen Herkunftsorts nichts zu tun. Auch Lieder und Kulturschöpfungen der linken Tradition sprechen ohne falsches Pathos von „Heimat“. Es wird Zeit, diesen Begriff jenseits von Nationalismus, aber auch von pauschalem Selbst-Bashing differenzierter zu betrachten. Ullrike Spurgat
Eigentlich ist der Begriff „Heimat“ abgelutscht, da er benutzt wird, wie es der herrschenden Klasse in den Kram passt.
Auffallend ist die Haltung der Linken bei dieser sicherlich durchaus schwierigeren politischen Auseinandersetzung. Sie schaffen es einfach nicht, den Begriff Heimat in einen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext zu stellen. Die alte Leier, den Begriff nur im Zuammenhang mit dem deutschen Faschismus zu sehen, ist geradezu verwerflich. Der Faschismus war weder „national“ noch „sozialistisch“. Carl von Ossietzky, Tucholsky, Käthe Kollwitz z. B. hätten diesen verwirrenden Begriff, den die Nazis verwendeten, niemals benutzt. Sie haben den Faschismus immer Faschismus genannt.
Ursprünglich wollte ich die Geschichte der BW bemühen, abgrundtief dunkel und reaktionär bis in die Haarspitzen. Die HIAG, die SS-Nachfolgeorganisation, konnte nach der Zerschlagung des Faschismus, sozusagen wie Phönix aus der Asche aufsteigen, mit politischer Unterstützung von ganz weit oben. Bei den Nürnberger Kriegsprozessen wurde die SS als eine verbrecherische Organisation verurteilt und VERBOTEN!
Vorschub für kommendes leistete der Rosenzüchter und fanatische Antikommunist, der kölsche Jeck Adenauer, indem er den Oberfaschisten Hans Globke, Verfasser der Kommentare der Rassegesetze, die für den Völkermord an sechs Millionen Juden verantwortlich waren, als Staatssekretär in sein Gruselkabinett holte. Somit erlebte der Faschismus durch die Hintertüre seine wundersame Auferstehung, und war wie von Geisterhand, rehabilitiert.
Der Begriff Heimat ist so widersprüchlich wie die Verhältnisse selbst. Was Heimat bedeutet, ergibt sich aus den Verhältnissen, der Erkenntnis, der Haltung, und auch der Einstellung. Bei dem Begriff Heimat ist die Suche nach einer festen Definition weder sinnvoll noch zielführend.
Im Althochdeutschen bedeutet „heimöti“ oder „heimödeli“ soviel wie Armut und Kleinod. Aus meiner Sicht sind es die Verhältnisse, die Zugehörigkeit konstituieren. Gehöre ich zu einer Klasse in einer Klassengesellschaft, und wenn ja, zu welcher.
Die Losung von den Arbeitern ohne Vaterland spielte in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts eine ganz wesentliche Rolle. Johann Jacobi, 1870, als Stimmführer der Internationalen Demokraten gegen den Krieg verhaftet, bindet den Begriff Vaterland kritisch an die Aneignung von Heimat zurück: „Die Welt: ubi bene, ibi patria – wo es uns wohl geht, das heißt, wo wir Menschen sein können, ist unser Vaterland; Euer Vaterland ist für uns nur eine Stätte des Elends.“
Die Anti Kriegsstimmung gegen die Opferung fürs Vaterland in der Arbeiterbewegung wurde von den Herrschenden in das Schimpfwort „Vaterlandslose Gesellen“ (Kaiser Wilhelm) verfälscht.
Tucholsky bringt Heimat 1929 sowohl gegen den Staat, der sich fortscheren solle, „wenn wir unsere Heimat lieben“, als auch gegen vaterländische und nationalistische Vereinahmung in Stellung. “Es ist unser Land. Wir haben das Recht, Deutschland zu hassen – weil wir es lieben. Man hat uns zu berücksichtigen, wenn man von Deutschland spricht: Kommunisten, junge Sozialisten, Pazifisten, Freiheitsliebende aller Art“
Heimat bietet sich als Inbegriff nach der Suche nach einem besseren Leben , aber auch als stützende und fesselnde Vergangenheit an, ein Grund, auf dem man geht, wie auch ein Ort, von dem man vertrieben werden kann.
Das Motiv eines sehnsüchtig besetzten Ortes, um den es zu kämpfen gilt, klingt in den Liedern der Internationalen Brigaden im Spanien Krieg an, ebenso bei den Katalanen, in der Poesie der zärtlichen Sprache, des Ausdrucks, der Hingabe ans Volk von Pablo Neruda, der Sprache der Menschen, des Volkes, der Liebe zur Heimat. Ohne falsches Pathos wird man von diesen Kulturerzeugnissen bis ins Innerste berührt, sie lassen einen verstehen, was Heimat im Leben der Menschen bedeuten kann.
Unvergessen das Lied der Moorsoldaten: „Ewig kann’s nicht Winter sein. Einmal werden froh wir sagen, Heimat, du bist wieder mein: Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor.“ Bei einem der vielen Interviews mit ehemaligen Lager-Häftlingen, die im Zusammenhang mit einer Promotion über die Emslandlager möglich waren, berichteten die Menschen unter Tränen, welche Bedeutung dieses Lied für sie alle hatte und hat.
Grimm, 10, S. 864, Bausinger 1968, S.98, Tucholsky, GW 7, S.312, 314. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band, 2, eigene Notizen und Texte.
ist ein unschuldiger,
erst dort wo er mißbraucht wird
für Pathos, Ehre, Patriotismus, Nationalismus
wird er zu einem negativen, zerstörerischen.
Doch dann nähert sich wieder mal ein Kampfjet und vertreibt jedes wohlige Gefühl mit seinem lauten Getose,
und meine liebevollen Gedanken sind dahin. Heimat kann ich das hier solange nicht nennen, wie das Kampfjetgetöse andauert. Es bleibt nur ohnmächtige Wut und Traurer.
Ich kenne es aus meiner Kindheit als ein Wort, mit dem sich immer ein schönes, angenehmes, fröhliches Gefühl verband.
Dabei mitgeholfen haben z. B. diese Kinderlieder:
Die Heimat hat sich schön gemacht und Tau blitzt ihr im Haar.
Die Wellen spiegeln ihre Pracht wie frohe Augen klar.
Die Wiese blüht, die Tanne rauscht, sie tun geheimnisvoll.
Frisch das Geheimnis abgelauscht, das uns beglücken soll.
(1. Strophe eines Kinderliedes, das im DDR-Schulunterricht gelehrt wurde)
Unsre Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer,
unsre Heimat sind auch all die Bäume im Wald.
Unsre Heimat ist das Gras auf der Wiese, das Korn auf dem Feld
Und die Vögel in der Luft und die Tiere der Erde
Und die Fische im Fluss sind die Heimat
Und wir lieben die Heimat, die schöne;
Und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört,
weil sie unserem Volke gehört.
(dito im Schulunterricht der DDR – seit den 50er Jahren – vermitteltes
Heimatbild)
Nicht zu vergessen:
Bertolt Brechts Kinderhymne:
1. Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.
2. Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.
3. Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.
4. Und weil dies Land wir verbessern
Lieben und beschützen wir’s
Und das Liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.
Heimatliebe kann man nicht verordnen, man kann sie aber lernen und man muss sie natürlich pflegen.
Wenn man noch nicht verlernt hat, „mit dem Herzen zu sehen“.
Wegen meiner Unfähigkeit des Fahnenschwenkens für die kämpfende Truppe Nationalelf wurde mir fehlender Nationalstolz attestiert, worauf ich mir die Frage erlaubte, worauf ich stolz sein sollte.
Meine Eltern erlebten Heimat als Weltkriege, wurden entwurzelt und verstarben ohne Hoffnungen. Heute sehe ich hilflos zu, wie Heimaten weltweit zerstört und Menschen in die Hoffnungslosigkeit getrieben werden.
RWE zerstört Heimat, entwurzelt Menschen und vertreibt sie aus Profitgier in die Hoffnungslosigkeit, während von oben herab moralische Verpflichtungen für weitere Kriege eingefordert und Waffen gesegnet werden.