Helfen wir den Menschen in Griechenland! – 13. Zwischenbericht
In Vertretung von Holdger Platta, der erkrankt ist, hat Roland Rottenfußer heute den traditionellen Zwischenbericht zu unserer Spendenaktion verfasst. Überwiegend lässt er jedoch Tassos Chatzatoglou das Wort, der sich auf seine nächste Griechenlandreise vorbereitet und von weiteren Fällen berichtet, in denen die Aktion Not leidenden Menschen helfen konnte. Der Aufmerksamkeitsfokus hat sich in den letzten Wochen etwas von Griechenland wegbewegt; nicht verschwunden ist jedoch die Armut, die durch das 3. „Hilfspaket“ der EU-Staaten noch verstärkt werden wird. Es gibt also weiterhin viel zu tun. (Roland Rottenfußer)
Liebe Leserinnen und Leser, unsere Medien sind so gestrickt, dass immer nur ein Thema gleichzeitig auf allen Kanälen „gehypt“ wird. Seit mehreren Wochen ist dies die Flüchtlingswelle. Bei Themen „von gestern“ (oder vorgestern) kann deshalb der Eindruck entstehen, diese spielten gar keine Rolle mehr oder die damit verbundenen Probleme seien gelöst. Nichts könnte falscher sein. Hartz IV-Betroffene werden noch immer gedemütigt; der Casino-Kapitalismus spielt noch immer mit der Zukunft ganzer Völker; die Russland-Ukraine-NATO-Krise ist noch immer brandgefährlich; die radioaktiven Strahlungen aus dem havarierten Kernkraftwerk von Fukushima sind nicht plötzlich verschwunden; der Überwachungsstaat wird weiter aus gebaut; die Gefahr eines Suizids der westlichen Demokratien in der Folge der TTIP-Verträge ist noch nicht gebannt… Nicht zuletzt gilt auch: Viele GriechInnen leben infolge des weitgehenden, erzwungenen Zusammenbruchs der griechischen Volkswirtschaft und Sozialsysteme noch immer in Elend und Hoffnungslosigkeit. Das dritte „Hilfspaket“ hat neues Grauen in seinem Gefolge: den Ausverkauf von Gemeinschaftseigentum und „natürlich“ Sparmaßnahmen, die vor allem die Ärmsten treffen. All dies ist aber in den Medien „kein Thema“ mehr. Wichtiger erscheint die Frage, ob es gelingt, in Deutschland rechte Parteien von der Macht fernzuhalten, indem man ihnen in der Flüchtlingsfrage in puncto Unmenschlichkeit entgegenkommt. Es scheint fast, als ob das Thema der systematischen Verelendung Europas (beginnend bei den Südländern) zu unbequem geworden wäre, jetzt da das Scheitern dieser Politik offenkundig geworden ist. Man schaut lieber weg. Tsipras ist domestiziert, die „Griechenlandhilfe“ unterwegs, alles ist auf bestem Wege. Oder?
Leider ist auch das Interesse an unserer Spendenaktion für Not leidende GriechInnen offenbar abgeflaut, was teils damit zusammenhängen kann, dass alle, die spenden wollten und konnten, dies schon getan haben, teils wohl auch mit der Verschiebung des Aufmerksamkeitsfokus hin zur Flüchtlingsthematik, die freilich auch wir von „Hinter den Schlagzeilen“ für sehr wichtig halten. Brennende Themen und Gruppen hilfsbedürftiger Menschen sollten nicht – was typisch für die Wettbewerbsgesellschaft wäre – miteinander „konkurrieren“. Trotzdem kann dies natürlich geschehen, weil Menschen nur über ein begrenztes Reservoir an Geld, Energie und Aufmerksamkeit verfügen. Leider ist das Thema Armut in Griechenland alles andere als „erledigt“. Wir zitieren im Hauptteil dieses Zwischenberichts einen Brief, den wir von unserem Mitstreiter, dem vielen Lesern schon wohl bekannten Tassos Chatzatoglou erhalten haben. Er schildert wieder einige drastische Notfälle und nimmt auch politisch Stellung. Hier hier also der Text von Tassos:
„Meine nächste Reise nach Griechenland steht bevor. Die Neuigkeiten aus Griechenland sind nicht so, wie die Griechen es erwartet haben. Die Anwendung des 3. Memorandums wird die Rentner und die Arbeitslosen voll treffen. Von den 4,35 Milliarden, die die Regierung sparen muss, werden 1,7 Milliarden € die Rentner tragen müssen. Die Arbeitslosigkeit wird von 25,4 % auf 25,8 % steigen. Das BIP wird um 2,3 % für das Jahr 2015 schrumpfen. Das ist Grund genug, um an die Griechen zu denken, die die Krise voll erwischt hat. Ich habe fast alles beruflich erledigt, um bei unsere Aktion wieder voll tätig zu sein.
Die bereits erwähnten Fälle:
Ioanis Chalas (Stromrechnung), Fam. Kalivouka (finanzielle Unterstützung für den Kauf einer Waschmaschine, Begleichung einer Stromrechnung), Unterstützung der Kinder von Fr. Martinou, damit sie zu Weihnachten zusammen kommen. Wir wollen auch etwas Kleidung für die Mädchen kaufen. Die Nonnen, die das Internat, betreiben, können (wollen?) kein Geld für die Mädchen ausgeben. Hier möchte ich erwähnen: den Kindern geht es in den Heimen gut, die Lehrer sind zufrieden. Hier bin ich sehr stolz, dass wir diesen bestimmten Kindern helfen.
Ich muss das Gesundheitszentrum auf der Insel Andros noch einmal besuchen, um direkt mit der Kinderärtztin Frau Liakopoulou über die Bedürfnisse des Gesundheitszentrums zu diskutieren.
Laura, das Kind mit den amputierten Füßen, geht es den Umständen entsprechend gut. Nach dem Bericht der Sozialarbeiterin, Frau Maria Alexaki, wird Laura in 2 Jahren von uns nur noch 500 € Hilfe benötigen. Den Rest hat Frau Alexaki bereits gesichert!
Die Familie in Megara möchten wir mit Lebesmitteln versorgen und einem Gutschein vom Fleischhauer, damit wenigstens zu Weihnachten etwas Fleisch auf die Teller kommt.
Ich werde Spiros treffen und mich über den Verlauf der medizinische Untersuchungen erkundigen. Zur Zeit befinden sich 3 neue Fälle auf meiner Liste:
Sofia Iliadou in Veria, zwei Töchter, 24 und 19 Jahre alt. Die Jüngere studiert, die Ältere ist arbeitslos und verdient ein wenig mit Babysitten (2 € die Stunde!). Wir können für Sofia einen Teil der Stromschulden in Höhe von 1000 € übernehmen. Sie hat derzeit 2700 € Stromschulden. Seit ihr Mann gestorben ist, zahlt sie lediglich das was sie kann: € 10/Monat).
Alexander Dimitriou, Athen: Alexander, Jahrgang 1949, ist ein Schauspieler, der aufgrund der fehlenden Aufträge ums Überleben kämpft. Er wird von seiner Cousine für das Notwendigste finanziell unterstützt. Seit einem Jahr kann er die Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Wir können Alexander mit 700 € helfen. Alexanders verstorbener Vater war in Deutschland geboren, kam im Krieg nach Griechenland und kämpfte in den Reihen der ELAS (griechische Befreiungsarmee). Später operierte er als Augenarzt im Feldlazarett im befreiten Gebiet Griechenlands. Auch seine Mutter war im Krieg freiwillige Rot-Kreuz-Schwester und bereits legendär. Sie pflegte an die 2.500 Elas-Kämpfer. Es ist mir ein Anliegen, Alexander zu helfen.
Der dritte Fall sind 52 Familien auf der Insel Lefkada, die vom Verein „Faros“ vorwiegend mit Lebensmitteln unterstützt werden. Vereinspräsidentin ist Frau Evaggelia Fraggouli und die Zuständige für die Öffentlichkeitsarbeit Frau Tina Papachristou, Tierärztin. Frau Papachristou lebte bis zum 18. Lebensjahr in München und spricht perfekt Deutsch. Der Verein ist sehr engagiert und auf Lefkada durch die finanzielle Unterstützung einer Studentin, deren Mutter plötzlich an Krebs verstarb, allgemein bekannt. Der Verein reagierte sofort und half der jungen Frau finanziell, damit sie ihr Studium beenden konnte. Wir möchten dem Verein Lebensmittelgutscheine in Höhe von 1000 € zukommen lassen, die den 52 Familien zu gute kommen sollen.
Für die soziale Zahnarztpraxis in Piräus haben wir noch nichts erreicht. Vielleicht können wir Sachspenden in Deutschland und Österreich sammeln.
Weitere neue Fälle sind mir bekannt. Ich muss aber vor Ort recherchieren. Nur so kann ich die Höhe des Bedarfs einschätzen.
Der Verein „Apikion Androu“ sollte ebenfalls mit Lebensmittelgutscheinen zur Weitergabe an sozial bedürftige Familien bedacht werden.
Die Feiertage stehen vor der Türe, und die Troika ist hart in ihrer Linie. Nun taucht die Frage auf, warum die Reichen Griechenlands mit keinem Wort bei den Sparmaßnahmen erwähnt werden. Höchstwahrscheinlich gilt: Reichtum ist von Gott gewollt und die Armut soll eine Prüfung sein, um in den Himmel zu kommen.
Hier antworten wir mit den Worten des Dichters Heinrich Heine: ‚Wir sollen auf Erden glücklich sein und wollen nicht mehr darben. Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.'“
Soweit der Brief von Tassios Chatzatoglou. Wir können unsere LeserInnen nur bitten, sich ebenso wie wir nicht von der Größe der Aufgabe entmutigen zu lassen. Angesichts des Elends in Griechenland und anderswo auf der Welt kann leicht der Eindruck entstehen, es handele sich um ein „Fass ohne Boden“, bei Spendengeldern um einen „Schlag ins Wasser“ oder „Tropfen auf den heißen Stein“. Global gesehen, mag das stimmen. Für eine begrenzte Anzahl von Einzelpersonen kann diese Hilfe aber schicksalsverändernd sein, kann sie die Rückkehr zu einem Leben in Würde bedeuten. Und wir stehen mit unserer Hilfsaktion nicht allein. Auch andere Initiativen helfen an anderen Orten in Griechenland. Ein Netzwerk der Hoffnung ist entstanden. Holdger Platta wird demnächst an dieser Stelle von der Vernetzung verschiedener Hilfsprojekte berichten.
Lassen wir uns nicht von lähmender Resignation ergreifen und agieren wir nicht nach dem Motto: „Wenn es schlimm ist, helfen wir; wenn es sehr schlimm ist, helfen wir nicht mehr, da es ohnehin aussichtslos ist.“ Eher gilt: Es gibt keine Hilfe, die so „unbedeutend“ wäre, dass sie nicht irgendwem etwas Freude und Erleichterung in seinem tristen Alltag verschaffen könnte – und sei es nur die Freude, mit seinem Schicksal nicht ungesehen, nicht allein zu bleiben.
Zuletzt wie immer unsere Kontodaten für Spender. Bitte das Stichwort „GriechInnenhilfe“ als Verwendungszweck angeben:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE