Helfen wir den Menschen in Griechenland! – 17. Zwischenbericht

 In Holdger Platta

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Liebe HdS-Leserinnen, liebe HdS-Leser,

Verstehen hat mit Verstand zu tun. Verstand geht auch auf Wissen zurück. Und kluges Wissen schließt nicht nur die objektive Welt der äußeren, der materiellen Fakten mit ein, sondern auch die Welt menschlicher Emotionen – abgekürzt: die Welt der Psychologie (und Sozialpsychologie).

Wieso schreibe ich das heute? Und vor allem: wieso schreibe ich das im Rahmen meines 17. Zwischenberichtes zu unserer Hilfsaktion für verarmte und verelendete Menschen in Griechenland? – Nun, ich muß einen Bogen schlagen, um das erläutern zu können. (Holdger Platta)

Euch wie auch uns treibt sicherlich seit Tagen um, was vor einer Woche in Paris geschah. Selbstverständlich spreche ich von der furchtbaren Attentatsserie am vergangenen Freitag, die nicht nur Frankreich, sondern auch uns erschütterte. „Sie ermorden unser Glück!“ titelte am anderen Tag die Pariser Tageszeitung „Libération“. Und bereits nach den Terroranschlägen vom Januar in Paris – auf die Redakteure von Charlie Hebdo“ und den jüdischen Supermarkt – formulierte der französische Premierminister Manuel Valls: „Sie haben Frankreich mitten ins Herz getroffen.“ Doch was geschah seit damals, was geschieht seit dem vergangenen Freitag?

Unser Nachbarland rüstet auf, erklärt den Ausnahmezustand, spricht von „Krieg“. Es wimmelt in Paris (und im sonstigen Land) auf den Straßen von schwerbewaffneten Polizisten und Militärs. In Deutschland ist ähnliche Aufrüstung im Gespräch. Und wieder und wieder tauchte in den vergangenen Tagen der Slogan auf, man müsse nun endlich Ursachenbekämpfung betreiben – sprich: mit verstärkten militärischen Mitteln gegen den IS, gegen den „Islamischen Staat“ im Nahen Osten vorgehen, vielleicht sogar mit Bodentruppen. „Ursachenbekämpfung“, das ist also Gegenaggression, „Ursachenbekämpfung“, das erstreckt sich für die meisten Politiker und Kommentatoren auf Kategorien der Menschenvernichtung, aufs Abknallen der Aggressoren, aufs Ausradieren einer ganzen Schreckensregion (inklusive der Zivilbevölkerung dort). Doch ist das wirklich „Ursachenbekämpfung“? Und noch einmal: wieso diese Erörterungen in diesem Bericht?

Ich gebe der „Libération“ Recht: jawohl, ganz so sahen die Attentate vom vergangenen Freitag aus, ganz so fühlten und fühlen sich diese Terrorangriffe an. Es war, als hätten die Attentäter in dieser Nacht auf den Samstag ein glückliches, ein genießendes, ein spielendes Frankreich zerstören wollen. Ich begreife auch Manuel Valls Ausspruch vom Anfang des Jahres einschränkungslos: es war, als hätte man Frankreich mitten „ins Herz treffen“ wollen, ins Herz einer ganzen Zivilisation, einer ganzen Kultur, wie zahlreiche Journalisten schon vor vielen Monaten schrieben. Aber, so frage ich hier: war für die Attentäter, die im Januar zuschlugen und am letzten Freitag erneut, war für diese jungen Männer, allesamt offenbar Franzosen (oder jetzt auch Belgier), allesamt offenbar auch mit sogenanntem „Migrationshintergrund“, war für diese jungen Männer dieses Frankreich jemals „Kultur“ gewesen, jemals „Zivilisation“? Hatte dieses Frankreich, das da tief ins Herz getroffen wurde, so Valls, jemals ein Herz für diese jungen Männer gehabt? Und: schossen da glückliche Menschen auf ein glückliches Frankreich, oder schossen da Unglückliche, die nichtmal mehr den Anblick von Glück zu ertragen vermochten?

Es wird mir keiner, so hoffe ich, unterstellen wollen, daß ich auf Rechtfertigungen dieser Terrortaten zusteuern will. Aber, liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, sehr wohl auf Ursachenklärung, sehr wohl auf die Frage von Ursache-Wirkungsverhältnissen, sehr wohl auf die Klärung von Kausalitäten, auf eine Klärung, die auch – ich riskiere hier dieses Wort! – den in Frankreich wie in Belgien, in Deutschland wie in Griechenland weiterhin brutal etablierten Kapitalismus ins Blickfeld rückt. Wovon spreche ich, was meine ich damit?

Nun, soweit wir heute über die Biographien dieser Terroristen informiert sind, hatten sie – in Frankreich wie in Belgien! – aufzuwachsen in einem Land, das ihnen bereits in deren Kindheitstagen nichts anderes zu bieten vermochte als Elend und Armut, Ausgrenzung und Diffamierungen, Mobbing schon in der Schule, Nichteinlaß an Disco-Türen und eine völlige Perpektivlosigkeit, was das eigene zukünftige Leben betrifft. Wer aus den Banlieues Stellenbewerbungen verschickte, womöglich noch mit erkennbar „ausländischem“ Absender versehen, durfte und darf sicher sein, daß diese Selbsthilfeversuche in Richtung eines menschenwürdigen Lebens in den Abfallkörben der angeschriebenen Personalchefs verschwinden. Diese „Zivilisation“, diese „Kultur“, dieser Kapitalismus sagte den betreffenden Menschen über zwei Jahrzehnte lang: Ihr seid für uns nur Dreck, Euer Wohlergehen interessiert uns nicht, geht vor die Hunde beziehungsweise bleibt, wo Ihr seid!

Will jemand von den jetzigen „Ursachenbekämpfern“ ernsthaft bestreiten, daß der heutige Terrorismus dieser jungen Männer Resultat des materiellen und seelischen Terrors ist, den sie über zwei Jahrzehnte vorher auszuhalten hatten? Will jemand von diesen „Ursachenbekämpfern“ ernsthaft bestreiten, daß die beste und wirksamste Terrorprävention immer noch ein seelisch wie materiell menschenwürdiges Lebenkönnen ist? Genau das, was diesen jungen Männern stets vorenthalten blieb? – Ich behaupte: noch jeder Türsteher, der diesen Franzosen (!) oder Belgiern (!) den Eintritt in die Disco verwehrte, noch jeder Personalchef, der die Stellenbewerbungen dieser Ausgegrenzten in den Abfallkorb warf, ist Mitverursacher des Terrorismus, der uns alle in diesen Tagen mit größtem Entsetzen erfüllt. Mitverursachung, die nicht justitiabel ist – aber natürlich! -, Mitverursachung jedoch, über die man noch in jedem Handbuch zu Terroristen“karrieren“ nachlesen kann, in jeder Studie zu den Auswirkungen von schwarzer Pädagogik, in jeder Studie im übrigen auch zum Thema Faschismusursachen, soweit es dessen psychologischen wie materiell-ökonomischen Kausalzusammenhänge betrifft. Wer von frühester Kindheit an seelischen und materiell-ökonomischen Terror in die Lebensgeschichte heranwachsender Menschen „eingetragen“ hat, darf sich über die terroristische Antwort dieser Betroffenen im frühen Erwachsenenalter nicht wundern – auch wenn sich dieser kapitalistisch determinierte Terror selber als „Zivilisation“ oder „Kultur“ zu titulieren wagt. An dieser Stelle spätestens geht das Versagen der Gesellschaft eine geradezu unerträgliche Verbindung mit schamlosester Selbstgerechtigkeit ein. – Und was hat das – ein letztes Mal frage ich das – mit Griechenland und unserer Aktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ zu tun? –

Nun, einige von Euch erinnern sich bestimmt noch daran: in unserem Aufruf sprachen wir bereits die Situation der Kinder und Jugendlichen in Griechenland an, selbst im Video zu unserer Hilfsaktion nannten wir zwei, drei diesbetreffende Fakten: über 1 Million Menschen, darunter unzählige Kinder, leben in Griechenland unterhalb der Armutsgrenze; mehr als 60 Prozent aller jungen Menschen unter 30 Jahren sind arbeitslos. Kinder brechen vor Hunger in den Schulen ohnmächtig zusammen, zur Stunde streitet das griechische Parlament darüber, ob es einem Totrettungprogramm zustimmen solle, in dessen Gefolge zigtausend Griechen womöglich obdachlos werden. Die Wertegemeinschaft Europa legt dem Mittelmeerstaat gegenüber eine Selbstverrohung an den Tag, die dem Verhalten der französischen wie belgischen Gesellschaft gegenüber ihren Außenseitern bis aufs Haar gleicht. Mit einem Wort: hier werden von den Euro-Staaten Terrorismusursachen nach Griechenland exportiert, nicht nur neckische Quälereien. Und gerechtfertigt wird das Unterlassen und Handeln hier wie da mit den angeblichen Erforderlichkeiten eines Wirtschaftssystems, des Kapitalismus, der angeblich allen Menschen nutzt, in Wahrheit aber immer brutaler immer mehr Menschen zugrunderichtet. Darin, liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser, sehe ich den Zusammenhang des einen mit dem anderen: wer das Unglück in die Welt und in die Herzen der Menschen trägt – egal, ob in Frankreich oder in Griechenland -, darf sich nicht wundern, wenn dieses Unglück dann auch zurückschlägt, in Griechenland noch nicht, aber auf schrecklichste Weise bereits in unserem Nachbarland! Tragen wir alle dazu bei, daß dieser Barbarei, die sich anmaßendeweise sogar als „Kultur“ zu bezeichnen wagt, ein Ende gesetzt wird: durch Hilfe und Protest! So, wie unsere gesamte Aktion angelegt ist und auch angelegt bleiben wird: als Zorn, der sich nicht abtrennen läßt von der Zärtlichkeit, und als Zärtlichkeit, bei der auch das Erzürntsein nicht auf der Strecke bleibt.

Womit ich bei unseren neuesten Zahlen bin, diesmal ergänzt um ein klitzekleines Zwischensaldo zu unserer Hilfsaktion:

Hinzukamen in der letzten Woche 8 neue SpenderInnen und weitere 540,- Euro, Zwischenstand also 579 SpenderInnen insgesamt und 73.089,60 Euro insgesamt an Spendengeldern. Für die in den Berichten 1 bis 15 genannten Zwecke wurden davon ausgegeben inzwischen knapp über 41.000,- Euro. Innerhalb der nächsten zwei Wochen wird voraussichtlich Tassos Chatzatoglou aufbrechen zu einer weiteren Hilfsfahrt nach Griechenland (er mußte diese Reise aus Krankheitsgründen in der Familie verschieben). Dazu später mehr.

Und wer direkt nach Griechenland Medikamente spenden will – ich greife hier die gute Anregung unseres Lesers „Mabuse“ auf -, der kann das auf folgende Weise tun (ich zitiere hier aus der Mail unseres Mitakteurs und Apothekers Karl Heinz Apel):

„Paket an die folgende Adresse schicken:
Social Medical Care/Pharmacy of Katerini
Koinoniko Iatreio/ Farmakeio Katerini
Fleming 8 (Kapnikos Stathmos)
GR-60100 Katerini
Griechenland
http://www.kikaf.org

Nicht unbedingt auf Antwort warten : zu zeitaufwendig bei vielen Paketen ; evtl. E-Mail-Adresse des Absenders beilegen . Achtung, wichtig: keine losen Tabletten, keine homöopathischen Arzneimittel ohne eindeutige Gebrauchsanweisung, keine angebrochenen Tropfen oder Salben ; kontrollieren , ob die Verpackung das angegebene Medikament enthält ; Verfallsdatum beachten , keine Kühlartikel!

Falls den Spendierwilligen das Porto nach Griechenland zu hoch sein sollte, nehme ich Arzneispenden für Obdachlose in Krakau an ; dort unterstütze ich die Organisation DOCTORS OF HOPE -MEDECINS DE L ESPOIR , welche Obdachlose kostenlos versorgt .
Uhlen-Apotheke
Uelzener Str. 6
29571 Rosche“

Bleibt mir nur noch, die obligaten Schlußhinweise zu geben, was die Bankdaten zu unserer Spendenaktion betrifft (bitte bei Überweisung das Stichwort „GriechInnenhilfe“ nicht vergessen!) sowie die Anschrift für alle, die eine Spendenbescheinigung benötigen:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Spendenbeleg bitte anfordern (mit Angabe Eurer Adresse natürlich!):

Peter Latuska (IHW), Theodor-Heuss-Straße 14, 37075 Göttingen

Mit herzlichen Grüßen wie immer
Euer Holdger

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