Helfen wir den Menschen in Griechenland! – Dritter Bericht 2016
Im heutigen Wochenbericht lehnt sich Holdger Platta vor allem an die Briefe unseres wichtigen Helfers Tassos Chatzatoglou an, der sich derzeit auf Griechenlandreise befindet. Dabei verteilt er Spendengelder und erkundigt sich auch nach weiteren „Fällen“, die der Hilfe bedürfen. Wie immer mischt sich die Freude, helfen zu können, mit dem Entsetzen über die dauerhaft katastrophalen Zustände in einem europäischen Land. Holdger sorgt so auch dafür, dass eine von den meisten Medien (fast) vergessene Krise wenigstens in unserem Magazin weiter Beachtung findet. Denn was heute in Griechenland geschieht, kann morgen anderswo geschehen, wenn die kapitalistische „Logik“ weiterhin regiert.
Liebe HdS-Leserinnen, liebe HdS-Leser,
sicher erinnert Ihr Euch: in der letzten Woche konnte ich nur über einen relativ bescheidenen Anstieg an Spendenzahl und Spendengeldern berichten. Sechs neue Spenden waren eingegangen in der Gesamthöhe von 435,- Euro. In der vergangenen Woche war jedoch ein klarer Anstieg zu verzeichnen: fast 1.000,- Euro gingen an neuen Spenden bei uns ein – präzise: 890,- Euro -, und die Anzahl der Neuspenden/spenderInnen erhöhte sich um neun Überweisungen bzw. UnterstützerInnen.
Nicht auszuschließen ist, daß für diese positive Entwicklung eine spezielle Pressekampagne die Ursache war, die ich hier in Südniedersachsen gestartet hatte: sowohl das Göttinger Stadtradio berichtete daraufhin über unsere Hilfsaktion als auch das Zeitungsduo, das hier in der Region den Ton angibt: das „Göttinger Tageblatt“ (Zeitungsableger des hannöverschen Medienkonzerns Madsack) und die „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, HNA“ (Hauptsitz Kassel, mit Regionalausgaben in Northeim und Göttingen). Der Bericht der HNA fiel dabei besonders werbewirksam aus: als „Aufmacher“ auf Seite 1 des Göttingen-Teils, als Vierspalter mit einem großen Foto des kleinen Panagiotis, über dessen lebensgefährliche Erkrankung ich im letzten Bericht ausführlich erzählt hatte. Nimmt man hinzu, daß alle Rundfunk-, Website- und Zeitungsberichte auch unsere Website erwähnten, mit voller Verlinkungsadresse www.hinter-den-schlagzeilen.de, darf der deutliche Anstieg gegenüber der Vorwoche an Spendeneingang wohl vor allem auf diese Extra-Aktion zurückgeführt werden.
Ansonsten, Ihr wisst es, ist seit dem vergangenen Sonntag unser Mitakteur Tassos Chatzatoglou erneut in Griechenland unterwegs. Und gerne zitiere ich hier ausführlich aus seinen eindrucksvollen ersten Berichten.
Hier zunächst wichtige Ausschnitte aus seiner Mail vom Mittwoch, den 20. Januar:
„Meine erste wichtige Station war die soziale Einrichtung „Elliniko“. Das „Elliniko“ ist am Gelände des alten Athener Flughafens untergebracht. Es lebt ausschließlich von Sachspenden, Geld erhalten sie nicht. Bei den Patienten im „Elliniko“ handelt es sich überwiegend um ältere Menschen und Mütter mit Kindern. Es scheint, als wären alle Nationen der Welt hier vertreten. Das „Elliniko“ ist gut organisiert, die Apotheke gut bestückt. Zahlreiche Fachärzte sind dort vertreten. Lebensmittel werden nur an Mütter mit Kindern ausgegeben.
Wir fuhren mit den Verbandsstoffen dorthin. Die Leute, die uns empfingen, waren sehr höflich und irgendwie froh, dass Hilfe kommt. Ich trug mich im Namen der IHW, jedoch mit meiner Email-Adresse, ins Protokollbuch ein. Ein Mann stand sofort zu Verfügung, der die beiden Paletten übernahm. Martha kennt diese soziale Arzt-Einrichtung. Ich stellte uns kurz vor und erzählte, wer die IHW ist und woher das Geld kommt. Die Verantwortlichen im „Elliniko“ bedanken sich jedenfalls sehr herzlich bei der IHW. Sie werden uns benachrichtigen, wenn etwas Spezielles benötigt wird.
Im Anschluss daran besuchten Martha und ich Chará, die Mutter mit den 3 Kindern in Athen. Die Situation der Familie hat sich durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall des Vaters verschlimmert. Vor dem Unfall arbeitete er unangemeldet und ohne Versicherung als Moped-Zusteller und erhielt 1 € pro Zustellung.
Jetzt ist sein Knie verletzt, und er kann nicht einmal das wenige Geld nach Hause bringen. Die Großmutter hilft mit ihrer gekürzten Rente, so gut sie kann. Dem jüngsten Kind mit der Lebensmittelunverträglichkeit und Allergie geht es soweit gut, d.h. der Gesundheitszustand hat sich nicht verschlechtert. Ich werde die für das Kind notwendigen Salben aus eigener Tasche besorgen, da die noch vorhandenen nur noch wenige Tage ausreichen. Meines Erachtens wäre der kleine Dionisis ein Fall für die Patenschaft. Dann müsste sich die Familie wenigstens um die Salben, welche er laufend benötigt, keine Sorgen mehr machen. (Anmerkung HP: selbstverständlich kümmern wir uns aktiv um diese Patenschaft, wenn Tassos Chatzatoglou wieder aus Griechenland zurück ist! Doch auch jetzt schon könnt Ihr Euch anmelden zu solchen Patenschaften. Die entsprechenden Mitteilungen bitte ich an Peter Latuska zu richten – dessen Mailanschrift, wie gewohnt, am Ende dieses Berichtes.)
Athen im Winter erinnert mich an die Zeit meiner Kindheit. Die Leute sprechen nicht mehr, lachen nicht mehr. Nicht einmal die Autos hupen mehr. Hupen war der ‚Volkssport‘ der Autofahrer in Athen.“
Zugegeben: mich hat an diesem Bericht von Tassos Chatzatoglou vor allem zweierlei berührt: zum einen die nach wie vor bedrückte Stimmung und oft verzweifelte Situation der Menschen in Griechenland; und zum anderen die vielfachen Zeichen der Dankbarkeit den HelferInnen gegenüber. Was beides auf dieselbe Schlußfolgerung hinausläuft: es ist gut, daß wir helfen, es ist gut, daß wir auch weiterhin helfen – und dieses werden wir selbstverständlich auch zukünftig tun. Ihr wie wir – in guter Gemeinsamkeit!
Nicht minder eindrucksvoll ist der Bericht, der mich heute, am Donnerstag, von Tassos Chatzatoglou erreichte: diesesmal auch mit einigen Aussagen zur politischen Stimmung in Griechenland, zusätzlich versehen mit einigen Informationen auch über die Solidarität der GriechInnen untereinander. Gut, daß unter dem Druck der Verhältnisse die Mitmenschlichkeit in Griechenland noch nicht ausgestorben ist!
Hier also die Auszüge aus Tassos Chatzatoglous zweitem Bericht:
„Am Vormittag wollte ich eigentlich Spiros besuchen, konnte ihn jedoch nicht antreffen, da er in Therapie war. So ging ich nach Pagrati. Pagrati ist ein kleinbürgerlicher Bezirk, Lehrer, kleine Angestellte, manch namhafte Journalisten, Gewerbetreibende und Pensionisten sind die Bewohner. Überall das gleiche Bild: jedes 2. Geschäft geschlossen, mit der Aufschrift „zu vermieten“ oder „zu verkaufen“. Ein Zeichen der Krise. Die Menschen flüstern, als ob sie Angst hätten, es würde jemandem auf sie aufmerksam. Das Gespräch mit dem Gemüsehändler endete mit dem stereotypen Satz: „Tsipras wird das schaffen, er ist auf dem richtigen Weg“. Das Gleiche beim Fischhändler. Nur der Bäcker war ein wenig zugeknüpft. „Wenn die anderen zu nichts taugen…“, er führte seinen Satz nicht zu Ende.
Die, die eine Arbeit haben, helfen nach Möglichkeit. Vor den meisten Supermärkten, nicht allen, gibt es einen Einkaufswagen, wo jeder etwas hineingeben kann. Manche nehmen etwas heraus, nicht alles, nur eine Packung Spaghetti oder eine Packung Reis, manchmal Obst oder auch Gemüse. Kinder suchen nach Milch, nach Süßigkeiten. Sie haben manchmal Glück, dann nehmen sie etwas heraus, brechen die Packung auf, legen den Rest wieder brav in den Korb. Diese Ereignisse sind Balsam auf meine Seele.
Heute Nachmittag war ich bei „Sklavenitis“, unserem Lebensmittellieferanten. Ich habe für die Mutter mit den 5 Kindern eingekauft. Haltbare Milch, Kondensmilch in Dosen, Cornflakes, Reis, Pasta, Tomatenmark, Fleisch, Windeln (die kleine Rafaela, trägt nachts noch Windeln), Waschmittel, Toilettenpapier. Ich habe mit dem Marktleiter Dimitris gesprochen. Dimitris ist ein Mann Mitte 40. Er meint, 10 bis 15 Leute am Tag kommen bei ihm vorbei, um einen Job, irgendeinen Job, zu bekommen. Die meisten wollen nicht mit leeren Händen nach Hause kommen. Sie wollen für Lebensmittel arbeiten, nicht fürs Geld! Sklavenitis sowie die Firma Karelia (Tabak) sind die einzigen Firmen in Griechenland, die keine Lohnkürzungen vorgenommen haben. Sklavenitis zahlt den Lohn sogar in bar an seine Angestellten aus.
Dimitris, unser Lebensmittellieferant, bedankt sich bei der IHW und ihren Spendern von ganzem Herzen für die Hilfe an bedürftigen Griechinnen und Griechen.
Ab Morgen muss ich mein Programm ein wenig ändern. Die Fahrt nach Andros wie auch Tinos muss in Eiltempo geschehen. Der Grund ist ein bevorstehender Streik der Hafenarbeiter. Die Bauern streiken bereits und führen Kämpfe mit der Polizei.“
Soweit, liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, die beiden ersten Berichte von Tassos Chatzatoglou über seine derzeitige Hilfsreise durch Griechenland. Und von mir aus noch ergänzend dazu: auch ich werde in meinem nächsten Bericht erneut einige politischen Aspekte aufgreifen, die ursächlich sind für die Notsituation, in der sich Griechenland nach wie vor befindet, und ich werde dabei vor allem den einen oder anderen Unfug ansprechen, mit dem superschlaue Talkshowgäste bei uns in den Medien der griechischen Regierung wohlfeile Ratschläge zu erteilen pflegen – mindestens so abstrus und verlogen wie autoritär, mindestens so arrogant wie ignorant.
Damit zum Konto, auf das Ihr unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ spenden könnt und – es sei daran erinnert! – unter dem Kennwort „Katerina K“ auch für die schwersterkrankte junge Patientin aus Piräus, die eine neue Niere benötigt:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta