Helfen wir den Menschen in Griechenland! – Vierter Bericht 2016
Liebe HdS-Leserinnen, liebe HdS-Leser,
ich versprach Euch in der letzten Woche, diesesmal vor allem „den einen oder anderen Unfug“ anzusprechen, mit dem „superschlaue Talkshowgäste bei uns in den Medien der griechischen Regierung wohlfeile Ratschläge zu erteilen pflegen – mindestens so abstrus und verlogen wie autoritär, mindestens so arrogant wie ignorant“. Das möchte ich heute auch tun. Aber vorher die neuesten Spender/Spendenzahlen und auch noch ein paar Nachbemerkungen zu den Hilfsberichten von Tassos Chatzatoglou, der zur Zeit ja in Griechenland unterwegs ist, um den notleidenden Menschen und Institutionen neue Spendenmittel zu überbringen – Sachlieferungen also oder Geld.
Nun, das Plus bei der SpenderInnenzahl und beim Spendeneingang, das wir in der letzten Woche verzeichnen durften – neun neue Spenden und/oder SpenderInnen sowie 890,- Euro an neuem Spendengeld -, dieser Zuwachs hat nicht so ganz angehalten: in der vergangenen Woche trafen nur sechs neue Spenden bei uns ein, und der neue Spendenumfang betrug diesesmal nur 512,50 Euro. Nach meinem Eindruck dürfte in der Vorwoche also vor allem die zusätzliche Werbekampagne von mir das Zusatzplus veranlasst haben, hier in der Region Südniedersachsen, ohne dauerhafte Wirkung allerdings. Dennoch, so meine ich, zeigt unsere Hilfsaktion für die bedürftigen Menschen in Griechenland eine bemerkenswerte Stabilität. Wir alle vom Organisatorenteam danken Euch SpenderInnen auf das herzlichste dafür. Und wie erforderlich, nach wie vor, unsere Unterstützung für das verarmte Griechenland ist, das möge heute nur ein kleines, aber sehr markantes Beispiel zeigen: das Kreiskrankenhaus in Molai, dem wir bereits im September des letzten Jahres medizinisches Hilfsmaterial zustellen konnten, mußte inzwischen dazu übergehen, als Wundkompressen – – – Klopapier zu verwenden. Es versteht sich von selbst, daß auch diesesmal wieder das betreffende Kreiskrankenhaus eine ganze Palette mit medizinischen Hilfsgütern von uns bekommen hat. Und Karl-Heinz Apel, der in circa vierzehn Tagen nach Griechenland aufbrechen wird, hat bereits neue Engpässe in diesem Bereich entdeckt und wird die von ihm geplanten Hilfslieferungen entsprechend komplettieren.
Womit ich auch bei meinen anderen Vorbemerkungen bin, bei zwei ergänzenden Informationen zu den Berichten von Tassos Chatzatoglou aus der letzten Woche.
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch. Tassos schilderte uns unter anderem die gedrückte Stimmung in Griechenland, und zwar an einem, wenn man so will, eher belanglosen, gleichwohl zutiefst symptomatischen Detail: es gäbe den alten „Volkssport“ der Autofahrer in Athen nicht mehr, so Tassos, mit vergnügtem Hupen durch die Straßen zu fahren. Nun, inzwischen hat Tassos auf einer Eisenbahnfahrt in Griechenland Entsprechendes auch auf den Schienen erlebt: es gibt nicht mehr das Sprechen und den fröhlichen Lärm wie früher in den Zugabteils. Die Menschen reden kaum noch miteinander, sie wirken bedrückt, schweigen fast nur noch. Es ist, als habe nahezu alle Menschen in Griechenland eine tiefe Depression erfasst.
Und noch etwas anderes stellte Tassos in der Zwischenzeit fest (womit er seine Berichte aus der Vorwoche ein Stück weit korrigiert): auch die politische Stimmung ist gekippt, Tsipras, die Syriza, verlieren an Rückhalt in der Bevölkerung. Die Streichung unverzichtbarer Hilfsgelder für die griechische Landwirtschaft, weiteres Kürzen der Renten – von maximal 2.700 Euro bisher auf 2.300 Euro, bei den kombinierten Renten von bislang maximal 3.680 Euro auf 3.000 Euro -, rücken weitere, Zigtausende von Menschen näher an den Abgrund heran (= weil oft ganze Familien, mehrere Generationen zugleich, von einer einzigen Rente in dieser Höhe zu leben haben – was, wenn Tsipras diesen Gesetzesentwurf durchbekommt, in getreuer Ausführung dessen, was ihm Euro-Europa, diese „Wertegemeinschaft“, auferlegt hat, nicht mehr möglich sein wird. Denn genau dieses hatte ihm das neoliberale Europa der Schäubles, Merkels und Dijsselblooms, in der berüchtigten Nacht vom 12. auf den 13. Juli des vergangenen Jahres, abgepresst. Und ich erinnere an die Drohung, die dahinterstand: ansonsten den unkontrollierten Staatsbankrott in Kauf nehmen zu müssen, weil die Europäische Zentralbank, die EZB, nicht mehr die Liquidität der griechischen Banken garantiert hätte). Wie hatte der Leiter des ARD-Studios in Brüssel, Rolf-Dieter Krause, seinerzeit kommentiert: „Das ist so was von verantwortungslos…“. Freilich hatte dieser famose Journalist, ausgestattet mit der Tapferkeit eines Lakaien, nicht Schäuble, sondern Tsipras gemeint…
Und damit zum letzten Punkt meines heutigen Berichts: zu den ebenso famosen Ratschlägen, die sich griechische Gesprächspartner immer mal wieder in bundesdeutschen Talkshows anhören müssen, zu Empfehlungen, die kaum minder tapfer sind wie das Donnerwetter des Brüsseler ARD-Journalisten. Ich greife heute nur den einen Ratschlag heraus, nämlich endlich doch die reichen, die superreichen, Reeder in Griechenland nach Kräften zu besteuern. Wer stimmte da nicht gerne zu, nicht zuletzt wir Linken!? – Dazu aber die folgenden Fakten:
Jawohl, es stimmt: Griechenland ist nach wie vor die weltgrößte Schiffahrtsnation. Die griechischen Reeder verfügen über eine Flotte von 4.909 Schiffen (Zuwachs gegenüber dem Vorjahr: 202).
Jawohl, es stimmt: während die Wirtschaftsleistung Griechenlands seit 2009 um fast ein Viertel schrumpfte, nahm die Gesamttonnage der griechischen Handelsflotte um fast 40 Prozent zu (Anstieg von 237 auf 326 Millionen Tonnen).
Jawohl, es stimmt: während ein griechischer Reeder für ein Frachtschiff mittlerer Größe lediglich um die 45.000 Euro Tonnagesteuer zu zahlen hat, hätte ein Reeder in den USA für dasselbe Schiff rund 3,5 Millionen Dollar pro Jahr an Steuern zu zahlen.
Der Skandal, was die Minimalbesteuerung der Reeder in Griechenland betrifft, könnte also kaum größer sein. Aber: könnte Tsipras das tun, was diese schlauen Debattenredner, vor allem aus dem westlichen Ausland, von Tsipras verlangen? – Nun, Fakt ist eben auch:
Schon jetzt werden die griechischen Reeder aufs heftigste umworben – von westlichen Ländern! -, ihren Firmensitz doch bitte zu ihnen ins Ausland zu verlegen: von Großbritannien zum Beispiel und von Kanada (von Zypern und Dubai, für die dasselbe gilt, hier einmal abgesehen).
Fakt ist des weiteren, daß eben diese niedrige Variante der Tonnage-, nicht Umsatzbesteuerung, auch in 14 weiteren EU-Ländern Gültigkeit hat: in Deutschland zum Beispiel, in den Niederlanden und Spanien, in Belgien, Italien und Finnland.
Und Fakt ist schließlich, daß bereits jetzt, seit 2015, mindestens 42 Reedereien ihren Firmensitz verlegt haben, ins Ausland, nach Zypern, vorher ansässig gewesen in Piräus und Athen. Heißt:
Alle diese Talkshow-Quassler hätten, bevor sie den bereits jetzt ruinierten Griechen noch weitere Selbstruinisierungstipps geben, erstmal eine europaweite – wenn nicht gar: weltweite – Umstellung der Besteuerung von Reedereien fordern müssen. Und was noch wichtiger ist:
Eben jene Politiker, die, in der berüchtigten Erpressernacht vom 12. auf den 13. Juli, eben diese Zusage Tsipras abgepresst haben – nämlich ‚seine’ Reeder stärker zu besteuern -, eben jene Figuren hätten erstmal für entsprechende Remedur sorgen müssen in den eigenen Ländern. So ist diese Auflage nichts anderes als Liebedienerei gegenüber dem jeweils eigenen Schiffahrtsklientel. Und wir Linken sollten uns hüten, auch noch mitzumachen bei diesem famosen Kapitalistenspielchen zulasten des eh schon kaputtreglementierten Griechenlands! Mit Krause gesagt, unserem Brüsseler Unabhängigkeits-Helden der ARD: das wäre „verantwortungslos“.
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser, schon vor längerer Zeit, am Beispiel des sogenannten „Fraport-Deals“ (= Verkauf der lukrativen Flughäfen Griechenlands an die gleichnamige deutsche Betreibergesellschaft), habe ich das Kerngeschäft dargestellt, das am Beispiel dieses Mittelmeerstaates von Seiten des Euro-Europas betrieben wird: nicht nur ein Land kleinzukriegen, das gewagt hatte, am 25. Januar des vergangenen Jahres eine Regierung zu wählen, die aufbegehren wollte gegen die Vorherrschaft des Neoliberalismus in Europa und gegen die brutale Austeritätspolitik der Troika, sondern bei all dem auch noch Geschäftchen zu machen mit dem Niedergang eines Staates. „Wir wollten ein Europa der sozialen Gerechtigkeit, der demokratischen Entwicklung“, so hat Giorgos Chondros, Gründungsmitglied der Syriza, formuliert, in seinem neuen Buch „Die Wahrheit über Griechenland, die Eurokrise und die Zukunft Europas“. Zu tun bekam diese neue Regierung aber mit „Hardlinern des Neoliberalismus“, so Chondros, mit Leuten, denen er eine „undemokratische und kolonialistische Haltung“ vorwirft. Ich gehe weiter und stelle fest: Syriza hat mit Politikern zu tun bekommen, die längst schon ihre undemokratische und kolonialistische Haltung ausgetauscht haben gegen eine undemokratische und kolonialistische Praxis. Und es liegt an uns, an den Bürgerinnen und Bürgern der westeuropäischen Staaten, diesem undemokratischen und kolonialistischen Treiben ein Ende zu setzen. Nicht zuletzt im Namen der Humanität, die Grundlage unserer Hilfsaktion für die leidtragenden Griechinnen und Griechen ist.
Womit ich, liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, wieder einmal bei den obligaten Schlußhinweisen bin:
Unser Konto, auf das Ihr unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ spenden könnt und – es sei daran erinnert! – unter dem Kennwort „Katerina K“ auch für die schwersterkrankte junge Patientin aus Piräus, die eine neue Niere benötigt, ist unter den folgenden Angaben für Eure Spenden erreichbar:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta