Im Westen was Neues: ein Beispiel gegen den Irrsinn in Griechenland

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

Stadtansicht Lissabon – Portugal wählte den humaneren Weg aus der Krise

149. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Dass die “Rettungspolitik” gegenüber Griechenland in den Abgrund geführt hat, hat Holdger Platta in dieser Artikelreihe oft auf erschütternde Weise dokumentiert. Aber gibt es auch Beispiele dafür, wie man besser mit einer Situation der Überschuldung umgehen kann? Tatsächlich: die Regierung Portugals ging einen sozialverträglichen und im Endeffekt auch erfolgreicheren Weg. Sie haben davon in der Presse noch nichts gehört? Auch das ist typisch für unsere Medienlandschaft.  Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

die für mich persönlich wichtigste Nachricht vorweg: Tassos Chatzatoglou, der von seiner letzten Hilfsreise nach Griechenland über Weihnachten/Neujahr erkrankt nach Graz zurückgekehrt war, ist wieder über den Berg! Rundum gesund, gar erholt, ist er immer noch nicht, aber es geht ihm deutlich besser als zu Beginn dieses Jahres. Weiterhin wünsche ich ihm also gute Genesung, auch im Namen aller anderen Aktiven aus unserem Team, und ich denke, ganz sicher auch im Namen aller HdS-Leser und HdS-Leserinnen.

Klar ist, daß Tassos wegen seiner Erkrankung nicht alle Hilfsfahrten realisieren konnte, die vorgesehen waren. Aber in den bedrängendsten Notfällen hat er zu helfen vermocht. Und auch Panagiota K. aus Megara, die mit ihren drei Töchtern von der Zwangsräumung bedroht ist, völlig unverschuldet natürlich, muss in absehbarer Zeit nicht mit einem Wohnungsverlust rechnen. An dieser Stelle wiederhole ich im übrigen gern, was ich Euch bereits in meinem letzten Bericht schrieb: Panagiota K. wird uns im Konfliktfall auf ihrer Seite haben, und finanziell wird für sie auch Anmietung einer neuen teureren Wohnung möglich sein. Unser Spendenkonto sowie die Unterstützung der Familien”patin”Bettina Beckröge geben das her. Ich informiere Euch ohne Verzug, wenn dazu etwas Neues zu berichten sein wird.

Klar ist, daß wir während der letzten Woche bis zum Freitag, den 11. Januar, nicht ein derart gutes Spendenergebnis erwarten durften, wie es uns die Tage vor und während der Weihnachtszeit beschert hatten. Ich erinnere Euch:

Bereits vor dem Fest waren 1.450,- Euro bei uns eingegangen, überwiesen von 17 Spenderinnen und Spendern an uns. Ein eminent hoher Betrag! Und in den rund zwei Wochen danach, bis zum 6. Januar des neuen Jahres, stieg Eure Spendenhilfe sogar noch einmal aufs deutlichste an. Dieses Mal bedachten 19 Spenderinnen und Spender unter Euch unsere Hilfsaktion mit 1.610,- Euro – das bedeutet: mit einem Geldbetrag, der uns zuversichtlich ins neue Jahr 2019 blicken lässt! Nun, dieses Mal – in der Woche vom 7. bis 12. Januar – gingen lediglich 195,- Euro auf unserem Spendenkonto ein, und die Anzahl der Spender und Spenderinnen ging auf 4 zurück. Dies aber, ich sage es deutlich, stimmt mich nicht traurig, und ich vermute, das wird auch bei den anderen Mitaktiven aus unserem Hilfsteam so sein.

Einzig offen ist heute lediglich der Termin, wann genau unsere “Außenhelfer” zu ihrer nächsten Reise nach Griechenland aufbrechen können. Später als im März dieses Jahres soll das jedenfalls keineswegs sein. Und ich weise heute noch einmal mit großer Dankbarkeit darauf hin, dass unsere kleine Hilfsorganisation gleich auf zwei Reiseteams zählen darf bzw. gleich auf vier Helferinnen und Helfer, die für Reisen nach Griechenland zur Verfügung stehen: Evi und Tassos Chatzatoglou sowie Uschi und Kalle Apel. So oder so: auch für die knapp 200,- Euro an Unterstützungsgeldern aus der letzten Woche danke ich allen vier Spenderinnen und Spendern sehr, und ich bin fest davon überzeugt, daß es bei diesem Betrag in den nächsten Wochen nicht bleiben wird!

Tja, und damit möchte ich mich heute einmal einem Thema zuwenden, das viele von Euch überraschen wird. Ich möchte heute nämlich von einem anderen Land sprechen, das ebenso wie Griechenland in den Jahren 2008 ff. von einer starken Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen war, von einem Land, das ebenso wie Griechenland von den Euro-Staaten unter Druck gesetzt worden war, die ökonomisch-sozialen Probleme im eigenen Staat mit den Mitteln der ebenso brutalen wie hirnrissigen „Austeritätspolitik“ lösen zu sollen. Ich möchte von einem Land reden, das – ganz im Gegensatz zu Griechenland! – genau diesen Weg nicht gegangen ist und heute in jedweder Hinsicht aufs eindeutigste erheblich besser dasteht als Griechenland. Ich spreche von – Portugal!

Ihr erinnert Euch – und ich muss das an dieser Stelle nicht im Detail wiederholen, schon gar nicht mit dem vielfach hier mitgeteilten Zahlenmaterial –, welchen angeblichen Rettungsweg Europa den Griechen aufgezwungen hat: Lohnsenkungen und Rentensenkungen, Abschaffung von Sozialleistungen und Zerstörung des Gesundheitssystems, Verkauf von Flughäfen und Hafenanlagen und Zwangsversteigerungen von Kleinbesitz an Immobilien undundund… In einem Wort mithin: eine Zwangsverelendung Griechenlands und der Griechen schlechthin. Und auf der anderen Seite zwang Europa den Griechen Kostensteigerungen ohnegleichen auf: Anhebung und Ausweitung der Mehrwertsteuer, Anhebung und Ausweitung der Immobiliensteuern – kurz also: neue finanzielle Zwangsbelastungen noch und noch!

Dass bei einer derartigen Vernichtung von Inlandsnachfrage und Kaufkraft Wirtschaftswachstum, Konjunktur, Wiederaufstieg der griechischen Volkswirtschaft nicht zu generieren war, das konnte nur Idioten wundern. Oder eben Austeritäts-Ideologen wie Schäuble & Co! Und daß Griechenland einbrach bei Bruttoinlandsprodukt und Schuldentilgung, bei Beseitigung von Massenarbeitslosigkeit und Produktivitätsverfall, daß mittlerweile bis zu 500.000 Griechinnen und Griechen – zumeist dringend benötigte junge, hochmotivierter und hochqualifizierte Arbeitskräfte – ausgewandert sind aus Griechenland – Stichwort „braindrain“ –, das kann dito nur die Schäubles dieser Welt in Erstaunen versetzen. Aber:

So sehr auch immer die Idiotie und die Inhumanität dieser Art von Vernichtungspolitik gegeißelt worden sind, nicht zuletzt auch von mir, so sehr auch immer wir den Irrsinn, den völligen Mangel an Logik und Vernunft und Plausibilität dieser sogenannten „Austeritätspolitik“ zu beweisen und zu belegen versuchten: immer wieder wurde dieser Argumentation – unserer Argumentation – entgegengehalten, dass eine solche Politik der Humanität nicht funktionieren könne, volkswirtschaftlich nämlich, dass Menschengüte das eine sei, gute Wirtschafts- und Finanzpolitik aber das andere. Mit einem Wort: im Falle Griechenlands müsse ein Patient halt hungern und hungern, damit er wieder auf die Beine kommt! Und die beste Vorbereitung auf einen Marathonlauf sei halt einschränkungsloser Nahrungsentzug! Wenn man so will:

Theorie stand gegen Theorie. Oder schärfer formuliert: die eiskalten „Richtigkeiten“ eines Schäuble standen gegen die gutmenschlichen Sentimentalitäten der Plattas auf dieser Welt! – Womit ich, nun endlich, bei Portugal bin, bei der Tatsache nämlich, daß Portugal nahezu einschränkungslos das getan hat, was wir hier seit Jahren gefordert haben, nämlich für Griechenland, und dass es eben dieses Portugal ist, das heute ungleich besser dasteht als Griechenland! Aber konkret:

Die Linksregierung in Portugal, unterstützt von zwei – oh Gott! – „linksradikalen“ Parteien, hat in einem Zeitraum von drei Jahren aus einem Absturzland ein Erfolgsmodell gemacht. Es war schlicht die Aufkündigung dieses wahnwitzigen „Sparkurses“, gemeint „Austeritätspolitik“, die zum Erfolg geführt hat. Es war die Weigerung Portugals im Sommer 2016, Schäubles sogenanntes „Zweites Rettungsprogramm“ anzunehmen, die das Land Portugal aus der sozioökonomischen Krise herausverholfen hat. Widerstand also, den gleichen Mist mitmachen zu sollen, den leider Griechenland mitgemacht hat. Aber konkreter noch:

• Die von den konservativen Vorgängerregierungen drastisch gekürzten Löhne und Renten wurden wieder erhöht.

• Die von den konservativen Vorgängerregierungen eingeführten Sondersteuern wurden abgeschafft und diverse Steuererhöhungen zurückgenommen – und zwar jene Belastungssteigerungen, die nahezu ausschließlich die „kleinen Leute“ betrafen (Mehrwertsteuer zum Beispiel).

• Stattdessen führte man Steuern oder Steuererhöhungen ein, die ausschließlich von den Reichen im Lande aufzubringen waren und sind: Erbschaftssteuer zum Beispiel, Vermögenssteuer auf Großgrundbesitz (ein Freibetrag hat sichergestellt, daß die „einfachen“ Leute mit ihren kleinen Häuschen oder normalen Wohnungen nicht betroffen sind von dieser zusätzlichen Steuerlast für die Reichen im Land).

Und was waren, was sind die Folgen dieser „klassenkämpferischen“ Politik? Massenflucht der Superreichen oder der sogenannten „Funktionseliten“ aus diesem furchtbaren Portugal? Keineswegs! Stattdessen:

• Binnennachfrage, Investitionen und Konsum wurden erheblich gestärkt.

• Die Kaufkraft der Portugiesen wurde deutlich erhöht.

• Die Arbeitslosigkeit ging auf mittlerweile nur noch 6,7 Prozent zurück.

• Neue Beitragszahlungen für die Sozialkassen und neue Steuereinnahmen wurden dadurch generiert.

• Das Haushaltsdefizit des Staates wurde auf 2 Prozent gesenkt (deutlich unter der EU-Stabilitätsgrenze 3 Prozent, deutlich auch unter der Brüsseler „Vorgabe“ 2,4 Prozent).

• Portugal konnte frühzeitig teure Kredite an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückerstatten und verschaffte sich dadurch Möglichkeiten für weitere, für eigene Investitionen und Verbesserungen der Sozialsysteme.

• Portugal hat damit – dieses nicht zuletzt – eine „Brandmauer“ geschaffen gegen „rechtspopulistische und faschistoide Parteien“, so ein junger Portugiese, und Portugal ist damit das einzige Land in Europa, in dem keine ultrarechte Partei existiert. Und, um den Alltag des „kleinen Mannes“ nicht auszusparen:

• Abgesehen von der immensen Steigerung der Gewinnzahlen im Tourismusbereich – 2017 bereisten mehr als 24 Millionen Menschen das kleine Land am Westrand Europas, und Portugal registrierte während der letzten beiden Jahre Einnahmensteigerungen in diesem Bereich jeweils um mehr als zehn Prozent –, abgesehen also von den Plus-Beträgen in der Größenordnung von 15 bis 17 Milliarden Euro pro Jahr, kann auch der „kleine“ Portugiese wieder in die Kneipe gehen und seine Mahlzeiten dort einnehmen neben den Gästen aus dem europäischen Ausland! Und zuallerletzt:

• Portugal zieht wegen seiner anti-austeritären Erfolgspolitik im wachsenden Maße auch Investoren aus dem Ausland an – etwa aus dem benachbarten Spanien, das wegen seiner Vasallentreue gegenüber den Brüsseler Vorgaben immer noch sozial und ökonomisch und politisch (mit drei rechtsextremistischen Parteien) zu kämpfen hat.

Bleibt nur eine Preisfrage am Schluss: wieso hört man von diesem Erfolgsmodell im sonstigen Europa nichts? Wohlgemerkt: von einem Erfolgsmodell, das nicht mal als sozialistisch – geschweige denn, als marxistisch – bezeichnet werden kann, lediglich als einigermaßen humanitär und als sozial. Wieso geht die bundesdeutsche Medienberichterstattung – egal, ob im Elektronik- oder im Printbereich – an diesem Erfolgsmodell einer offenkundig vor allem keynesianisch-inspirierten Wirtschaft- und Finanzpolitik vorbei? Sollte es tatsächlich so sein (wie Kenner der bundesdeutschen Medienszene seit längerem vermuten, unsere Kollegen etwa von den „Nachdenkseiten“), dass sich die Medienwelt bei uns, von Ausnahmen abgesehen, schon längst in den Händen der Neoliberalismus- und Austeritäts-Ideologen befindet?

Dann wäre und ist es in der Tat so, dass es solcher Websites wie HdS bedarf, um hinter die Kulissen und hinter die Schlagzeilen zu sehen! Und es wäre ein weiteres Mal die Richtigkeit der Aussage belegt: Nicht von oben, nein, nur von unten erfasst man die politisch-gesellschaftlichen Realitäten in unseren Ländern wirklich und ganz. Man muss auf der Seite der „kleinen Leute“ stehen, um erfassen zu können, was die „Großen“ der Welt ihnen antun: ebenso irrsinnig wie inhuman!

Und damit erneut meine abschließende Bitte um weitere Unterstützung unserer Spendenaktion.
Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V.“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „IHW“ versehen. Wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets
Euer Holdger Platta

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