In Griechenland wird Politik des Niedergangs fortgesetzt.

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

Leisten wir Widerstand – durch Hilfe und Protest! 218. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Wieder einmal: einigermaßen gute Nachrichten, was unsere Hilfsaktion betrifft, aber erneut Katastrophennachrichten aus Griechenland! Doch welche Alternativen gäbe es zu dieser Politik, die ihrerseits noch die Katastrophen in Griechenland verschärft? Ein paar Vorschläge zum Schluss dieses Berichtes. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

durchaus erfreulich zu nennen war der Spendeneingang während der letzten Woche für uns: 430,- Euro gingen auf unserem Hilfskonto ein (Vorwoche 120,- Euro), überwiesen von 4 SpenderInnen an uns (Vorwoche 3). Ich danke Euch dafür!

Komplizierter, als von mir im letzten Bericht dargestellt, gestaltet sich hingegen die Gutschrift der 200 Franken aus der Schweiz. Angekündigt hatte ich, dass dieser Hilfsbetrag vermutlich während der letzten sieben Tage auf unserem Spendenkonto landen würde – in der Höhe von ca. 190,- Euro. Doch nun hat sich herausgestellt, dass dieser Betrag erst in etwa drei Wochen auf unserem Konto auftauchen wird. Ich erspare Euch die Umständlichkeiten, zu denen sich die Göttinger Sparkasse veranlasst sieht, diese Gutschrift hinzubekommen. Freilich liegt eine Bestätigung dieses Geldeingangs jetzt schon vor: nicht auf dem Kontoauszug, aber in der Gestalt eines DINA-4-Formulars. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht! Verloren gehen wird also nichts, lediglich arg verspäten wird sich das Ganze. Wir werden es überleben. Und arbeiten bereits an einer schnelleren Lösung. Dazu aber demnächst einmal!

Von neuen Hilfsaktionen ist auch heute noch nicht zu berichten. Was aber keinen der von uns Betreuten bedroht. Regelmäßige Zahlungen – etwa die für die Miete, die Panagiota K. aus Megara mit ihren drei Töchtern zu zahlen hat – laufen auch in diesen Krisenzeiten weiter. Und auch die anderen Hilfsbedürftigen, die wir unterstützen, verfügen noch über genügend Gelder, um die nächsten Wochen zu überstehen. Es ist also weiterhin vor allem zu berichten über die Corona-Krise in Griechenland und vor allem über das, was diese Epidemie sozial und ökonomisch anrichtet in diesem Mittelmeerstaat. Oder noch präziser gesagt: was die Mitsotakis-Regierung so alles anstellt, um diese Krise immer bedrohlicher werden zu lassen.

Diverse Lockerungsmaßnahmen sind mittlerweile auch in diesem Land in Kraft getreten oder werden das innerhalb dieser Tage tun. Ich berichtete bereits in der letzten Woche darüber. Alle Hoffnungen richten sich nun darauf, dass doch noch ein kleiner Tourismusboom in Gang kommen wird, allerspätestens ab dem 1. Juli 2020. Aber mehr als 40 Prozent der Vorjahresergebnisse werden nicht zu erwarten sein. Was, grob gesagt, vor allem darauf zurückzuführen sein wird, dass die Fremdenverkehrssaison mit erheblicher Verspätung einsetzen wird, dass längst nicht so viele Gäste wie 2019 werden einreisen können – allein der Ausfall zahlreicher Flugverbindungen wird dafür sorgen – und dass die Hotels und sonstigen Unterkünfte maximal zu 50 Prozent werden belegt werden dürfen.

Entsprechend die sozialen und ökonomischen Prognosen auch generell. Was Rezession und Umfang des Bruttoinlandsproduktes BIP betrifft, schwanken die Rückgangszahlen zwischen 10 bis 15 Prozent. Die Banken haben wieder – im wachsenden Maße – mit sogenannten „notleidenden Krediten“ zu tun (vereinfacht: mit Krediten, deren Rückerstattung völlig ungewiss ist). Waren es im Vorjahr noch 68,5 Milliarden Euro, so befürchtet man für 2020 einen Zuwachs von weiteren 10 Milliarden Euro. Etwa zwei Drittel der Klein- und Kleinstbetriebe in Griechenland sehen sich mangels Liquidität vom Bankrott bedroht. Und besorgniserregend sieht es auch auf dem „Arbeitsmarkt“ in Griechenland aus.

Der IWF, der Internationale Währungsfonds, geht von einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 16,5 Prozent auf 22,3 Prozent aus. Manche befürchten sogar Anstiegsziffern bis zu 32 Prozent – so der Wirtschaftskolumnist Kostas Kallitsis, tätig an der Universität in Patras (damit würde man zurückfallen auf die Krisensituation im September 2013 oder sogar darunter liegen; damals lag der Arbeitslosenanteil bei 27,9 Prozent). Und dieses wird gleich in mehrfacher Hinsicht die soziale und ökonomische Krise wieder zurückholen nach Griechenland. Ich erwähne hier nur:

• Die damit verbundenen Einkommenseinbußen werden die Inlandsnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen dramatisch reduzieren – und es war und ist die Inlandsnachfrage, die zu etwa 70 Prozent Anteil hatte und hat am Bruttoinlandsprodukt.

• Ganz schlimm wird es damit für die neuerlich von Arbeitslosigkeit betroffenen GriechInnen aussehen: von diesen hatten und haben ohnehin nur 15 Prozent – man möchte es nicht glauben – Anspruch auf Arbeitslosengeld, und dieses begrenzt lediglich auf 1 Jahr! Den einmaligen (!) „Notzuschuss“ von 400,- Euro im Rahmen des regierungsamtlichen „Corona-Programms“ kann man da fast völlig vergessen! Und fast vergessen kann man auch, was „formell noch Beschäftigte“ – so der Wirtschaftswissenschaftler Niels Kadritzke in einem Aufsatz vom 14. Mai dieses Jahres – von ihren Arbeitgebern bekommen: 800,- Euro als Ersatz für den Lohnausfall. Berücksichtigen muss man bei diesem Entgelt nämlich, dass dieser Betrag für einen Zeitraum von sechs Wochen ausgezahlt wird. Das entspricht einem Monatslohn von 542 Euro. Kann man davon leben, gar eine ganze Familie ernähren?

• Hinzukommt noch eine weitere Maßnahme, ein Regierungserlass, der vor allem den sozusagen „regulär“ Beschäftigten zu schaffen machen wird bzw. jetzt schon zu schaffen macht: einer Rechtsverordnung des griechischen Arbeitsministers Vroutis zufolge dürfen die „Arbeitgeber“ seit dem 3. Mai ihre Arbeitskräfte „rotierend“ beschäftigen – will sagen: sie werden nur zur Hälfte der vorherigen Arbeitszeit beschäftigt und bekommen demzufolge auch nur noch den halben Lohn. Der erwähnte Kostas Kallitsis zu dieser „rotierenden Beschäftigung“, die jeder Firmenchef ohne Begründung und ohne Kontrolle einführen darf: dieses Willkürrecht ermöglicht es der Kapitalseite, den Beschäftigten „geräuschlos eine Lohnminderung abzupressen“.

• Ohne präzise Zahlenangaben – solche liegen schlichtweg nicht vor – ist auch noch auf die Gefährdung der vielen Freiberufler und Kleinselbständigen in Griechenland hinzuweisen (Anteil an der Gesamtheit der Erwerbstätigen in Griechenland: knapp 30 Prozent!). Diese stehen vermutlich vor dem totalen Nichts!

Nur am Rande sei vermerkt, dass dieses alles “natürlich” auch katastrophale Auswirkungen haben wird auf die Steuereinnahmen in Griechenland. Der Internationale Währungsfonds IWF prognostiziert deswegen auch bis zum Jahresende 2020 einen Wiederanstieg der Staatsverschuldung in Griechenland auf 200,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dieser Prozentsatz war – nun ja, immerhin das – 2019 abgesunken auf 176,07 Prozent.

Kostas Kallitsis – um diesen ein letztes Mal zu zitieren – fordert deshalb von der griechischen Mitsotakis-Regierung eine Abkehr vom bisherigen neoliberalen Wirtschaftsprogramm. Sie solle sich endlich als „Arbeitgeber der letzten Instanz“ verstehen, so Kallitsis, und deshalb „zukunftsfähige Investitionen“ in Gang setzen und „öffentliche Projekte“ realisieren bzw. – noch konkreter – ein „Grundeinkommen“ für alle Arbeitslosen beschließen und ein „öffentliches Beschäftigungsprogramm“ (so in Kathimerini vom 3. und 10. Mai 2020). Man kann also sagen, wenigstens das: Kallitsis fordert von der ultrakonservativen Regierung zumindest ein keynesianisch-inspiriertes Konjunktur- und Menschenrettungsprogramm. Freilich: dass diese Regierung diesen Weg einschlagen wird, dürfte mehr als unwahrscheinlich sein. Schon der SYRIZA-Regierung unter Alexis Tsipras war es verwehrt, eine solche Politik realisieren zu dürfen. Mehr oder minder ganz Europa – dieses Eurostaaten- und Troika-Europa – hatte eine solche Politik zu verhindern gewusst, aus voller Überzeugung “natürlich”. Menschlichkeit in Verbindung mit ökonomischer Rationalität, das war niemals für die Schäubles dieser Welt in Frage gekommen.

Nirgendwo ist zu erkennen, dass sich dieses geändert hätte oder ändern könnte. Weiterhin ist die Politik des Niedergangs angesagt – einfach deshalb, weil es der Niedergang der anderen – der Armen, der Verelendeten, der Abgehängten – ist, nicht der eigene Niedergang! Bei uns war das im Falle der Hartz-IV-Gesetzgebung so, in Griechenland wird das der Fall sein auch im Falle der Krisennichtbewältigung jetzt. Was für uns bedeutet:

Diese Tatsache im Klardeutsch zu benennen, dagegen zu protestieren und auch weiterhin den Opfern dieser Politik zu helfen, wo immer und wie immer es geht!

Deshalb auch heute wieder mein Aufruf zu weiteren Spenden für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“. Also:
Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen
Euer Holdger Platta

Anzeigen von 3 Kommentaren
  • Henry Royeck
    Antworten
    Was soll das mit dem Einlösen der Schweizer Franken hier in diesem Bericht zu suchen haben? Das ist eine bundesweite Regelung, durch die alle Bareinzahlungen von jeder deutschen Bank oder Sparkasse (nicht nur der in Göttingen) erst nach Augsburg geschickt werden und dann später dem entsprechenden Konto der Heimatbank oder -sparkasse wertgestellt zu werden. Ich weiss nicht, mit wem du an einer besseren Lösung arbeiten willst. Mit mir, dem Kassierer und Vorstandsmitglied des IHW jedenfalls nicht.

    Derselbe (Henry Royeck)

    • Piranha
      Antworten
      Lieber Henry,

      wie schön, Dich hier zu lesen, was ja bislang noch nie vorkam.

      Viele aufmerksame Leser schätzen die Genauigkeit und das Bedürfnis der  unbedingten Rechenschaft  von/in Holdgers Berichten und ich könnte mir vorstellen, dass die Schweizer Spenderin sich vielleicht gewundert hätte, unerwähnt zu bleiben. Vielleicht – wissen kann ich es nicht.

      So wie ich es lese, sollte es auch auf keinen Fall eine Kritik (nicht mal eine leise) oder Brüskierung des amtierenden Kassierers darstellen.

      Dass jede Bareinzahlung erst nach Augsburg geht ist mir völlig neu, denn die Sparkasse Göttingen ist doch keine Direktbank, bei denen eine Art “Einzahlungsgebühr” erhoben wird die man vermeiden möchte? Oder wird es kompliziert, weil es sich um eine ausländische Währung handelt?

      Du siehst, ich habe nicht wirklich Ahnung davon, respektive hatte ich noch nie Anlass, mich mit so etwas zu beschäftigen. Ich glaube ja, Holdger will Dich nicht mit jedem Klein-Klein beschäftigen, was er selber lösen kann.

      Deshalb: gut, dass Du geschrieben hast. Man könnte es damit als Appell an unsere österreichischen und schweizerischen Mitstreiter und Mitspender lesen, evtl. und wo es geht, einen anderen Spendenweg zu wählen . 🙂

      Herzlichen Gruß von

      P. (meinen Klarnamen kennst Du)

       

       

  • Henry Royeck
    Antworten
    Hello again.

    Deinen Klarnamen kenne ich nicht. Oder? Ist aber auch nicht wichtig. Ich muss mich gleich mal korrigieren. Diesen Umweg über die Bayrische Landesbank in Augsburg muss nicht jede Bank und Sparkasse nehmen. Es wird bundesweit empfohlen und viele machen es inzwischen. Ich hatte heute wieder in unserer Sparkasse zu tun und habe mich nachinformiert.

    Als Kritik an meiner Person fasste ich es nicht auf. Ich fand nur, dass es immer noch Zeit für die Erwähnung ist, wenn die Spende tatsächlich auf dem Konto ist. Und das wird halt noch paar Tage dauern. Ansonsten hast du recht und wir werden demnächst 178, 06 Euro mehr auf dem Konto haben.

    Bis demnächst

    Henry

     

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