Interview mit kurdischem Oppositionellen im Hungerstreik
Nachdem die Redaktion des Magazin International von radio flora schon vor zwei Wochen den Mitschnitt einer Informationsveranstaltung in der Uni-Hannover über den Hungerstreik von inhaftierten kurdischen Oppositionellen als Podcast auf unserer Internetseite der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, folgt heute zu diesem Thema des zum Letzten entschlossenen Widerstandes einiger Hundert Aktivisten gegen die Repression und Verfolgung der KurdInnen innerhalb und außerhalb der Türkei ein Gespräch mit einem am Hungerstreik Beteiligten. Podcast kann auf der hier verlinkten Seite angehört werden. Redaktion und Interview: Axel Kleinecke.
Trotz seiner Erschöpfung nach 55 Tagen im Hungerstreik war Yücel Koc in Straßburg zu einem Interview bereit. Er hat sich zusammen mit anderen kurdischen Oppositionellen am 17. Dezember 2018 dem Hungerstreik der fast 300 kurdischen Oppositionellen in türkischen Gefängnissen angeschlossen und möchte seine Motive für die lebensbedrohliche Aktion in der deutschen Öffentlichkeit bekannt machen. Hier ein kurzer Überblick:
Innerhalb der Grenzen des Landes hat der Staatspräsident Erdogan durch sein Militär mit Panzern und Bomben beispiellose Verwüstungen kurdischer Städte anrichten lassen, wobei ganze historisch gewachsene Stadtkerne in Schutt und Asche gelegt wurden und zahllose Morde an kurdischen Zivilisten, auch Frauen und Kindern geschahen. Außerhalb der Grenzen hat Erdogan vor einem Jahr mit einer völkerrechtswidrigen militärischen Invasion in Nordsyrien die kurdische Provinz Afrin überfallen und besetzt, und wenn die USA ihre Truppen aus Nordsyrien abziehen, stehen heute Erdogans Panzer schon an der Grenze bereit für die nächste und größere Invasion in den Gebieten der kurdischen autonomen Selbstverwaltung „Rojava“ in Nordsyrien.
Symbolisch für all dieses Unrecht des türkischen Regimes und als Auslöser für den derzeitigen Hungerstreiks steht die rechtswidrige und unmenschliche Isolationshaft des politischen Repräsentanten der kurdischen Bewegung Abdullah Öcalan. Seit nunmehr 20 Jahren befindet er sich auf der Gefängnisinsel Imrali in einer mehr oder weniger isolierten Haftsituation, die in den letzten 7 Jahren zu der derzeitigen totalen Isolationshaft verschärft wurde. Trotz dieser Einschränkung konnte er durch Bücher und Schriften maßgeblichen Einfluss auf die politischen Ziele der KurdInnen (HDP als Oppositionspartei im türkischen Parlament) und ihre Gesellschaftsutopie (autonome Selbstverwaltung in Nordsyrien) ausüben und gilt weiterhin auch als ein geistiger Führer der Bewegung.
Ziel des Hungerstreiks ist in erster Linie die Aufhebung der Isolationshaft von Öcalan, des Weiteren aber auch der Protest gegen die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung durch Erdogan und der Wunsch nach der Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit der türkischen Regierung.