Ist Friede mehr als Abwesenheit von Krieg?

 In Spiritualität
Augenblicke des Friedens

Augenblicke des Friedens

Wie kommt Frieden in unsere Seelen – oder besser: wie konnten wir überhaupt erst aus diesem Frieden herausfallen? Als Kinder war es uns ja ein Leichtes, uns dem Augenblick spielerisch hinzugeben. Was folgt ist “Sozialisation”, häufig gleichbedeutend mit Verhärtung. Kann man diese Entwickung rückgängig machen? Und kann Spiritualität dabei helfen? Diese Fragen sind angesichts des momentanen Kriegsgetöse auch gesellschaftlich von Belang. (Rüdiger Schaller)

Ein Kind, tief versunken im Spiel – ungetrübtes Glück. Mitten in der Natur von der Schönheit eines Anblicks überwältigt – atemlose Stille. Eine Begegnung von Menschen, die im Herzen miteinander verbunden sind – tiefer Frieden. Augenblicke, in denen die Tür zu etwas anderem offensteht. Es ist schon mehr als eine Ahnung. Wir tragen sie in uns, die Sehnsucht nach Hingabe an etwas Größeres als wir es sind. Sehnsucht eingebunden, geborgen und geliebt zu sein. Angenommen, so wie wir sind. Da küssen sich Frieden und Liebe.

Doch der Blick in die Welt: Selbst da, wo keine Waffen Leben zerstören, da verletzten wir uns Menschen mit Worten und Taten. Seit Anbeginn der Menschheit. Warum nur? Zurück zu dem Kind, das friedvoll spielt – ein scharfes Wort und es erstarrt mitten in der Bewegung. Es friert quasi ein. So fangen wir früh an, uns unsichtbare Schutzpanzer um das Herz und die Seele zu legen. Missverständnisse über die Welt und unser Sein in der Welt entstehen – sie ist ein unsicherer Ort. Ich bin bedroht. In unserem Erwachsenwerden flüchten wir oft in den Verstand und grundlegende Bedürfnisse werden durch Konsum betäubt. Wir haben den Zugang zu unserer inneren Welt und den Reichtümern, die aus ihr geboren werden können, verschüttet.

Und gerade der Verstand ist und bleibt dann, wenn es um die Fragen unseres Menschseins geht, ein unsicherer und unzuverlässiger Ratgeber. Meistens führt er uns in die Irre, er ist ja Teil unserer Flucht und er kann geradezu geniale Selbstlügen konstruieren und die dazu passenden Selbstbilder. An diese glauben wir und halten daran fest, fast um jeden Preis. Das kann fatal werden, dann wenn wir auf einer wenig bewussten Ebene ein Leben lang unsere Verletzungen in allen Variationen wiederholen. So bleiben wir in einem scheinbar ewigen Kreislauf des Kämpfens stecken

Wie kommen wir aus diesem Ringen heraus und wieder an unsere Quelle? Denn das, was zwischen Menschen zerbrochen ist, kann nur mit Menschen wieder heilen. Da kann uns im ersten Schritt dann doch unser Verstand hilfreich sein: “Worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du eben dasselbe tust, was du richtest” – so schreibt es Paulus im Römerbrief. Das ist ein klarer Fingerzeig, ein unendlich wichtiger Schlüssel zur Selbsterkenntnis. Wir sehen den Dorn im Auge des Anderen, doch den Balken vor den eigenen Augen, den sehen wir nicht. Das ist unsere Eigenblindheit. Mit Unterstützung von Menschen und dem Fingerzeig von Paulus im Gepäck, können wir uns auf eine Reise begeben, die durchaus hart werden kann. Das bedarf zu Beginn einer Entscheidung – ich muss Frieden in mir suchen und dies auch wollen!

Wenn alles uns Menschen mögliche auf diesem Weg getan wurde, auch wenn wir in unserer menschlichen Beschränktheit und Verletzlichkeit gescheitert sind, dann öffnen sich wieder Türen. Sie stehen weit offen und ermöglichen Neues, vorher nicht auszudenken oder zu planen. Man nennt es Gnade, die dann in unser Leben tritt. Völlig unverdient. Es ist keine billige Gnade. Und am tiefsten Punkt unseres Herzens, da sind unser Wille und der Wille Gottes gleich. In unsere Herzen ist die unvergängliche Botschaft eines lebendigen und liebenden Gottes geschrieben. Wir werden so zu Boten, die in ganz eigener Art und Weise zu friedvollen aufrechten Kämpfern werden. Kämpfer, die nicht töten und verletzen. In einem Kirchenlied heißt es so schön: „Durch das Dunkel hindurch scheint der Himmel hell. So hell soll auch die Erde sein, steht auf, steht auf, steht auf!“.Jeder von uns ist ein ganz einzigartiger Liebesbrief Gottes an die Welt.

Aufstehen, das bedeutet Verantwortung übernehmen für uns, unsere Mitmenschen und für die Welt. Friede ist möglich, dann wenn wir es wollen. Auch wenn es kein dauerhafter und rauschhafter Zustand ist, wir können jederzeit und immer wieder aufstehen und den nächsten Schritt unternehmen. Es liegt nur an uns und an niemanden sonst.

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen