Jamilanda ist überall – eine Utopie zur rechten Zeit

 In Buchtipp, Umwelt/Natur

Ein Roman als Liebesgeschichte an sich, in sich und außer sich. Rezension von Bobby Langer

 

„Jamilanda ist überall“ – damit ist gemeint: an allen Orten der Welt, in denen Menschen von einem mitmensch- und mitweltfreundlichen Umgang träumen. Und wie jeder gute Traum sind die Visionen dieses utopischen Romans an vielen Stellen so wahrhaftig und glaubwürdig, dass man erst beim Zuklappen erschrocken bemerkt: „Hupps, das reale Leben, das ist ja ganz anders!“

Denn in Jamilanda denkt, handelt und lebt man eben grundlegend anders als in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit. Und lesend versteht man: Auch diese nüchterne, westliche, konsumistische, kapitalistisch strukturierte Wirklichkeit kann nur sein wie sie ist, weil wir sie in unseren Köpfen tragen und handelnd reproduzieren. Das begreift auch Leander im Laufe seiner Recherchen. Im Auftrag eines Magazins ist er in einen teilautarken Kleinstaat in Nordhessen namens Jamilanda gereist, um herauszufinden, was für eine eigenartige „Sekte“ dort ihr Wesen oder Unwesen treibt. Konfrontiert mit einer „Reiseführerin“, die ihm Jamilanda näherbringen soll, versucht er lange Zeit, seine journalistische Distanz aufrecht zu erhalten.

Doch letztlich siegt seine menschliche Neugier über sein objektives Interesse. Wie kann er etwas so Lebendiges und fluktuierend Neues begreifen, wenn er Empathie und Begeisterung ausschließt? In Jamilanda würde man vermutlich fragen: „Wie kannst du die Verzahnung von Mensch, Emotion, Gemeinschaft, Gesellschaft und Natur ohne Ökoligenz und Herz je erfassen?“ Ökoligenz ist der Zentralbegriff des Buches. Gemeint ist damit ein Bewusstsein, das ökologisch wertvoll und kulturell intelligent handelt, das also emotionale und rationale Intelligenz mit der Intelligenz natürlicher Kreisläufe verbindet.

Und was hat das alles mit einer dreifachen Liebesgeschichte zu tun?

Eine Liebesgeschichte an sich ist Jamilanda deswegen, weil es das – nicht immer gelingende – Ringen der Jamilesen mit der sie umgebenden Natur schildert. Sie haben verstanden, dass es keine Trennung zwischen Mensch und Natur gibt. Im Gegenteil, der Mensch wird falsch handeln, solange er die Illusion dieser Trennung aufrechterhält. Nur eine Menschheit, die Mutter Erde in Liebe verbunden ist, wird recht handeln können. Die Wiederentdeckung dieser Liebe ist eine Grundstruktur von Jamilanda. Das ist die „Liebesgeschichte an sich“.

Die „Liebesgeschichte in sich“ ist der berührende und emotional starke Kern des Romans. Denn der Journalist Leander verliebt sich in die Menschin Elissa. Aber auch auf der seelischen Ebene versucht er, seine Neutralität und Distanz zu wahren, sich nicht emotional verwickeln und einwickeln zu lassen. Denn aus der alten Welt kommend und die alten Gefühlsmuster mit sich tragend, kann er sich gar nicht vorstellen, dass eine Liebesbeziehung leicht sein und ohne Besitzdenken funktionieren kann. Elissa spürt sein Grauen vor neuer Verletzung und kann diese Angst gut halten. Doch durch genau diese ihre liebevolle Zugewandheit, durch ihre Bereitschaft, ihn auch in seiner Angst anzunehmen, fällt diese immer mehr von ihm ab. Zusehends verwandelt sich der Journalist Leander, von Kapitel zu Kapitel mehr, in den liebesfähigen und liebenden Menschen Leander.

Bleibt die „Liebesgeschichte außer sich“. Gemeint ist damit die sich verlierende, aber nicht verlorene Liebe Leanders zu seiner alten Welt, die in diesem Fall deckungsgleich sein dürfte mit der des Autors Alander Baltosée. Denn weder Leander noch die Jamilesen stehen der alten Welt feindselig gegenüber. Im Gegenteil, auch sie mit ihren lebensfeindlichen, machtstabilisierenden Strukturen ist in die liebende Haltung eingeschlossen. Aus jamilesischer Sicht kann Empathie eben nicht exklusiv sein. Lieben und nicht lieben zugleich, das ist für die ganzheitliche Weltsicht dieses Romans unvereinbar. So pflegen die Jamilesen freundschaftlichen, wirtschaftlichen Austausch mit den umgebenden Kommunen und überzeugen durch Beispiel. Es ist vielleicht die größte Stärke des Romans, dass er sich nicht auf eine Klage- oder Anklageebene begibt. Der von vielen Zeitgenossen, Denkern und Politiker geforderte Paradigmenwechsel für eine neue zukunftsfähige Welt – in Jamilanda hat er beispielhaft stattgefunden. „Jamilanda“ ist der richtige Roman zur rechten Zeit.

 

Alander Baltosée, 640 S., 24,90, Verlag des Wandels, 978-3-947707-07-2, beziehbar direkt beim Autor, Turmweg 17, 34311 Naumburg/Elbenberg, E-Mail: alanderax@web.de, Homepage: https://alanderbaltosee.wordpress.com

 

 

 

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen