Krawatte oder Henkersstrick?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta

123. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ / Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

die wirklich gute Nachricht vorweg: Katerina K., die junge Patientin aus Piräus, der wir bis zu ihrer Operation jetzt in London ihre Dialysefahrten nach Athen bezahlen konnten, hat den zweiten Eingriff, die Transplantation einer Niere, gut überstanden, und auch ihrem Vater, dem Organspender, geht es gut. Am vergangenen Wochenende wurden beide in der britischen Hauptstadt operiert, und Katerina konnte uns das bereits selber mitteilen, in einem kurzen Tweet über Facebook: „Für Holdger und andere: Die OP verlief sehr gut, Vater und mir geht es prima; in wenigen Tagen verlassen wir das Krankenhaus. Ich bedanke mich für die Anteilnahme“. Katerina muß für die Nachsorge noch einige Zeit in England bleiben, auch für ihren Vater gilt das, und wir alle hoffen sehr, daß es zu keinen postoperativen Problemen kommt, selbstverständlich für beide nicht!

Sind wir deswegen stolz auf uns?

Bilden wir uns sogar ein, damit die großen Probleme in Griechenland mit Erfolg bekämpft zu haben (wie uns manche Menschen, auch Kommentatoren bei uns auf HdS, unterstellen wollen)? Selbstverständlich nicht! So wichtig uns Menschenhilfe ist – für jeden, dem wir während der vergangenen Jahre in seiner Not beistehen konnten -, wir verwechseln Menschenhilfe nicht mit der Lösung der immens dramatischen Probleme, vor denen Griechenland insgesamt nach wie vor steht. Und wir verwechseln uns selber nicht mit den Göttern, die Griechenland einst bewohnt haben sollen. Es bleibt dabei: wir helfen Menschen, wo wir nur können, und protestieren gegen die unmenschliche Politik, die einen Großteil der Griechinnen und Griechen seit vielen Jahren drangsaliert. Wir helfen notleidenden Menschen und vergessen nicht, wer diese Not über die Menschen in Griechenland gebracht hat – gleichviel, ob das ‚nur‘ die Euro-Staaten waren oder diese Euro-Staaten seit einiger Zeit im engen Bündnis mit den herrschenden Politikern in Griechenland! Noch jeder unserer Berichte legt Zeugnis davon ab, und manchmal wundere ich mich schon, wie man das allen Ernstes überlesen haben will. – Nunja, der Göttinger Naturwissenschaftler und Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg brachte das ja schon vor mehr als zweihundert Jahren unschlagbar präzise auf den Punkt: „Wenn ein Buch und ein Kopf aufeinanderstoßen und es klingt hohl, muß es nicht unbedingt am Buche liegen“. Selbstverständlich: ein Buch zu unserer GriechInnenhilfe habe ich bis jetzt noch nicht publiziert, aber die Textmenge der Hilfsberichte reichte schon längst, um ein ganzes Buch zu füllen!

Mit gewisser Einschränkung möchte ich auch die folgende Nachricht noch als „gut“ bezeichnen: im Gegensatz zur Vorwoche, da erstmalig wieder seit längerer Zeit kein Spendenbetrag auf unserem Hilfskonto gelandet war, habt Ihr uns während der letzten sieben Tage erneut mit Geldnachschub versorgt. 140,- Euro, überwiesen von vier Spenderinnen und Spendern, gingen für uns bei der Göttinger Sparkasse ein. Wiederum danke ich, im Namen aller Aktiven in unserem Team, den Unterstützerinnen und Unterstützern sehr, und wiederum tue ich das in dem Bewußtsein, diesen Dank auch auszusprechen für die Betroffenen selbst, für die notleidenden Menschen in Griechenland, denen wir, großenteils schon seit dem Sommer 2015, beizustehen versuchen in ihrer Not!

Womit ich, ein weiteres Mal, auch von der Politik selber zu sprechen versuche, die für diese Verelendung von Millionen von Menschen in Griechenland verantwortlich ist, von einer Politik und Begleitpropaganda, die uns das alles vergessen machen will. Und auch von dieser, der Begleitpropaganda, habe ich ja während der letzten Wochen bereits mehrfach gesprochen. Gleichwohl: einige Zitate zum Ende des „Dritten Hilfsprogamms“ reiche ich auch heute noch nach. Ihr erinnert Euch: zu der Tatsache, daß Ende des übernächsten Monats, am 20. August, angeblich Schluß sein soll mit dieser destruktiven Retterei, daß Griechenland nochmals 15 Milliarden Euro bekommt, daß ein Aufschub von 10 Jahren beschlossen worden ist, in Luxemburg, was Rückzahlung der Kreditsumme von 274 Milliarden Euro betrifft, daß – dieses nicht zuletzt – Griechenland endlich, ab dem 20. August, wieder als freie, als autonome Nation agieren soll, die über die eigenen Dinge selber entscheiden darf. Nun, einige Politiker haben mit ihren Lobpreisungen der bisherigen Kaputtmacherpolitik und – welch merkwürdiges Paradox! – mit dem Ende dieser sogenannten Rettungspolitik Ende August noch einmal nachgelegt:

Euklidis Tsakalotos zum Beispiel, Finanzminister in Griechenland: „Ich muß sagen, die griechische Regierung ist mit diesem Abkommen zufrieden. Ich denke, Griechenland schlägt ein neues Kapitel auf“. Und weiter: „Eine historische Entscheidung, die dem griechischen Volk erlauben wird, wieder zu lächeln“. Oder Alexis Tsipras, Ministerpräsident der SYRIZA: „Griechenland wird wieder ein normales Land, und erlangt wieder seine politische und finanzielle Unabhängigkeit zurück. Von nun an wird täglich die soziale Gerechtigkeit gestärkt und die Unsicherheit durch Stabilität und Glaubwürdigkeit ersetzt“. Und nicht zuletzt Klaus Regling, „Rettungschef der Eurozone“, wie es von den „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“ so nett formuliert worden ist: „Dieser Deal ist der größte Akt der Solidarität, den die Welt je gesehen hat“. Eine Bemerkung, die nichtmal Pierre Moscovici zu toppen vermochte, der EU-Währungskommissar: „Die Krise in Griechenland ist zuende und die EU-Krise insgesamt“.

Tja, und wie sehen demgegenüber die Wahrheiten aus? – Nun, Giorgos Christides von SPIEGEL-online listete noch einmal die folgenden Fakten auf:

  • Die griechischen Renten sind bereits um 60 Prozent gekürzt worden, und sie werden 2019 erneut gekürzt (= um 18 Prozent. HP).
  • Die öffentlichen Schulden sind „nach acht Jahren des Leidens höher <…> als je zuvor“ (= der Betrag liegt bei etwa 274 Milliarden Euro. HP).
  • Die Banken „ächzen“ unter „faulen Krediten“.
  • Mehr als 300.000 „junge, qualifizierte Griechen“ seien bereits ausgewandert (andere Quellen sprechen sogar von 600.000 bis 700.000 Griechinnen und Griechen. HP).
  • Die gesamte „wichtige“ Infrastruktur ist privatisiert worden (= vielfach habe ich darüber informiert; das Spektrum reicht von Flug- und Schiffahrtshäfen bis hin zur Strom- und Wasserversorgung der Griechen. HP).
  • Die Einkommen in Griechenland sind zurückgefallen auf den Stand von 2003, „womit griechische Familien laut der Statistikbehörde Eurostat im untersten Zehntel der Eurozone liegen“ (man kann es auch noch deutlicher fassen: laut ELSTAT, der griechischen Statistikbehörde, leben mittlerweile 34,8 Prozent der GriechInnen im Armuts- und Verelendungsbereich, so auch die Zeitung „Kathimerini“ ; sie, diese rund 3,7 Millionen Betroffenen, leiden unter „deutlicher materieller Entbehrung, die mit sozialer Ausgrenzung einhergeht“).
  • Jeder dritte Haushalt in Griechenland kann sich „keine ausreichende Heizung“ mehr leisten.
  • Und 40 Prozent aller Haushalte in Griechenland können nicht mehr ihre Miete und Rechnungen bezahlen.

Sieht so ein Land aus, das wieder „lächeln“ kann, wie Tsakalotos allzu tollkühn formulierte? Oder sieht, zumindest das, so ein Land aus, das wenigstens morgen wieder wird lächeln können?

Nun, auch hier sehen die Antworten aller Experten und Kommentatoren nahezu gleich aus – egal, ob man bei SPIEGEL-online nachschaut oder bei der FAZ (der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“), bei den DWN (= „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“) oder bei „Oxi“. Demzufolge glauben 75 Prozent aller GriechInnen nicht, daß Griechenland in den nächsten 12 Monaten aus der Krise herauskommen wird (insbesondere übrigens auch, was die Gesundheitsversorgung der Griechen betrifft). Und DWN konkretisiert:

„Nach den Bedingungen der jüngsten Vereinbarungen muss die griechische Regierung bis 2022 einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent beibehalten, gefolgt von durchschnittlich 2,2 Prozent bis 2060, was das Land <…> zu weiteren 42 Jahren Sparpolitik verpflichtet. Um es klar zu sagen: Kein souveräner Staat hat jemals so lange ununterbrochene Primärüberschüsse erzielt“ (Hervorhebung in Fettdruck von mir. HP). Und nahezu wortgleich SPIEGEL-Autor Giorgos Christides dazu: „Bis 2060 muss Griechenland Primärüberschüsse erzielen. Das ist noch nie einem Land gelungen“ (Hervorhebung in  Fettdruck von mir. HP). Ich füge hinzu, daß an dieser Stelle auch auf den Zwang hingewiesen werden muß, mit dem Griechenland zu dieser wahnwitzigen Politik verpflichtet worden ist, auf das „Müssen“, auf die „Pflicht“, auf die sich Griechenland mit diesen Vereinbarungen eingelassen hat. Und damit bin ich auch beim letzten Punkt all dieser Lobpreisungen des Unmöglichen schlechthin:

Dies alles soll Griechenland – muß ich sagen: selbstverständlich? – schaffen, ohne daß es wirkliche Souveränität zurückerlangt! Die neueste Ausgabe der „Griechenland Zeitung“ (GZ), ansonsten ohne tieferlotende Kritik, stellt diesen Sachverhalt ganz treuherzig dar und straft gerade auf diese Weise alle Freiheitsbekundungen Lügen, die da von den diversen Politikern in Griechenland und außerhalb Griechenlands in die Welt hinausgeblasen worden sind. ‚Selbstverständlich‘ unterliegt das Regierungshandeln in Griechenland auch weiterhin einer lückenlosen Kontrolle durch die Euro-Staaten. Aber zitieren wir die GZ:

„Die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) sollen mit vierteljährlichen Inspektionen weiterhin dafür sorgen, dass die griechische Wirtschaftspolitik auf dem richtigen Pfad bleibt <…> Druckmittel der Geldgeber wird in Zukunft nicht mehr die Vorenthaltung von Rettungskrediten sein <tatsächlich, die GZ spricht von „Rettungs“krediten! HP>, sondern die mögliche Einstellung der mit Athen vereinbarten Maßnahmen zur leichteren Handhabung des griechischen Schuldenberges. Die wichtigste darunter ist die Stundung von Zahlungen auf Zinsen und Stammkapital der europäischen Kredite für weitere zehn Jahre.“ Und dieses – so zitieren die DWN einen „Vertreter der Eurozone“ (der ungenannt bleibt) – „…wird eine kurze Leine sein“! Womit ich meine heutige Analyse des Terror-Endes, das Griechenland angeblich ab dem 20. August dieses Jahres erwarten darf, auch abschließen will – nicht ohne das Bild der „kurzen Leine“, von dem soeben die Rede war, noch einmal aufzugreifen in einem anderen Zusammenhang:

Nicht ohne Spott und Ironie haben die DWN den Umstand kommentiert, daß Alexis Tsipras, der griechische Ministerpräsident, am 22. Juni 2018 erstmals wieder in Athen mit einer „bordeauxroten“ Krawatte vor die Kameras trat. Hintergrund dieser bemerkenswerten Heldentat: Tsipras hatte im Januar 2015 „geschworen“, erst dann wieder eine Krawatte zu tragen, wenn die „internationalen Kreditgeber sich bereit erklärten, die hohe Schuldenlast seines Landes auf ein nachhaltiges Niveau zu senken“. Am genannten Freitagabend, den 22. Juni 2018, schien für den 43jährigen Krawattenmuffel dieser glorreiche Tag gekommen zu sein. Man verzeihe mir diesen Einfall fast in Kalauernähe: aber mir kam dieser „bordeauxrote“ Schlips so vor, als habe sich Alexis Tsipras an diesem Freitagabend eher einen blutroten Henkersstrick um den Hals gehängt! Wenn ich mich irren sollte, wäre ich der erste, der sich darüber freuen würde, mächtig sogar“!

Womit ich wieder einmal bei meinen obligaten Schlußbemerkungen bin:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“,  der überweise uns bitte Spendengelder auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 200,- Euro erforderlich -, wende sich bitte an unseren neuen Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen ,oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e. V“, wäre eigentlich sehr dringend mal wieder auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „IHW“ versehen. Wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets

Euer Holdger Platta

 

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