Landgericht Bremen: Hausdurchsuchung bei Rudolph Bauer war unzulässig

 In FEATURED, Politik (Inland)

Rudolph Bauer

Sehr Erfreuliches ist aus Bremen zu berichten: Das dortige Landgericht, die Strafkammer 4, hat in einem Beschluss mitgeteilt, dass die Hausdurchsuchung beim Künstler Rudolph Bauer am 10. August des Jahres rechtswidrig gewesen sei. Das Landgericht Bremen hat damit auf die Beschwerde Rudolph Bauers hin entschieden, dass die dem Beschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten und die Kosten des Beschwerdeverfahrens von der Staatskasse zu übernehmen sind. Holdger Platta

 

“Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 10.08.2023 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 05.07.2023, Az. 92a Gs 964/23 (220 Js 36720/23) aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Durchsuchung rechtswidrig gewesen ist. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Bremen führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Tatverdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung.

Der Beschuldigte hat nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen am 30.04.2021 auf seinem öffentlich zugänglichen Instagram-Account „bauerrudolph“ eine Bildmontage gezeigt, auf dem Insassen eines Konzentrationslagers unter dem Eingangstorbogen zum Konzentrationslager in entsprechender Kleidung zu sehen sind. Der Schriftzug des Torbogens, unter dem die Insassen des Konzentrationslagers zu sehen sind, ist verändert zu „COVID-19 IMPFSTOFF MACHT FREI“.

Am 03.02.2023 veröffentlichte der Beschuldigte nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auf seinem öffentlich zugänglichen Instagram-Account „bauerrudolph“ eine Bildmontage, die die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und den Präsidenten der Ukraine Volodymyr Selenskyj und einen schwarz-weißen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt.

Am 17.02. 2023 veröffentlichte der Beschuldigte nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auf seinem öffentlich zugänglichen Instagram-Account „bauerrudolph“ eine Bildmontage, die die Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter und Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigt. Letztere hält einen Reichsadler mit Hakenkreuz in der Hand. Am 22.03.2023 veröffentlichte der Beschuldigte nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auf seinem öffentlich zugänglichen Instagram-Account „bauerrudolph“ eine Bildmontage, die Adolf Hitler und den Bundeskanzler Olaf Scholz mit ähnlicher Arm- und Handhaltung zeigt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Bremen am 05.07.2023 einen Durchsuchungsbeschluss, der dem Auffinden von Beweismitteln, insbesondere von Medien dienen sollte, die der Beschuldigte genutzt haben könnte, um die gegenständlichen Inhalte zu veröffentlichen. Ferner sollte die Durchsuchung dem Auffinden von Beweismitteln dienen, anhand derer eine Aussage über die mögliche Motivation des Beschuldigten und dessen Einstellung getroffen werden könne, was im Rahmen einer späteren Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) von Bedeutung sei. Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 10.08.2023 vollstreckt. Der Beschuldigte hat am 10.08.2023 Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt.

 

II.

Die Beschwerde des Beschuldigten ist zulässig und begründet. Der Durchsuchungsbeschluss war aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der durchgeführten Durchsuchung festzustellen. Die Wohnungsdurchsuchung verletzt den Beschuldigten in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. In seinen Wohnräumen hat der Einzelne das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Die Durchsuchung bedarf einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgsversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der Eingriff in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.04.2018 – 1 BvR 31/17, juris Rn. 14).

Die vorliegend angeordnete Durchsuchung genügt diesen Anforderungen nicht. Die Durchsuchung der Wohnung war nicht verhältnismäßig, weil sie zur Ermittlung und Verfolgung etwaiger durch die Veröffentlichung der Bildmontagen begangenen Straftaten nicht erforderlich war.

Vorliegend hätte es grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen gegeben, die nicht in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG fallen, die einen ähnlichen Erkenntnisgewinn versprachen und die unterblieben sind. Die Ermittlungsbehörden hätten eine Internetrecherche betreiben können, um zu ermitteln, über welche Medien der Beschuldigte Inhalte verbreitet und mit welcher Intention. Dabei finden sich im Internet schon auf einfache google-Suche und Suche auf dem Kanal Youtube (www.youtube.de) nach dem Namen des Beschuldigten diverse Beiträge von dem Beschuldigten und über den Beschuldigten, so dass auch die Motivation des Beschuldigten durch eine Internetrecherche hätten ermittelt werden können. So ist ein Wikipedia-Eintrag über den Beschuldigten zu finden, in dem diverse Publikationen des Beschuldigten mit ISBN-Nummern angegeben sind. Auch weitere Veröffentlichungen sind dem Wikipedia-Eintrag zu entnehmen. Darüber hinaus ist auch der berufliche Werdegang des Beschuldigten dargestellt. Es ist zusammenfassend dargestellt, dass der Beschuldigte seit 2014 vor allem zu Fragen der Militarisierung sowie der Antikriegs- und Friedensbewegung publiziere. Seine jüngsten Veröffentlichungen befassen sich mit der Geschichte und Kultur Chinas sowie mit interdisziplinären Fragestellungen der Politik, Ökonomie und Soziologie im Zeichen der Corona-Pandemie, ihrer Entstehung und Folgen. Seit April 2023 werde er als Mitherausgeber der verschwörungsideologischen Publikation „Demokratischer Widerstand“ geführt. In einem dort abgedruckten Interview nenne er die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie „diktatorisch“ und werfe dem Virologen Christian Drosten u.a. „akademische Arroganz, fachidiotische Borniertheit und menschenverachtende Selbstgerechtigkeit“ vor. Weitere Beiträge, denen sich die Einstellungen des Beschuldigten entnehmen lassen, sind im Internet z.B. auf der Webseite www.nachdenkseiten.de zu finden. Auch das Literaturmagazin Bremen (www.literaturmagazin-bremen.de) hat einen Beitrag zu dem Beschuldigten veröffentlich und auf dessen Publikationen hingewiesen. Darüber hinaus hat der Beschuldigte eine eigene Homepage (www.rudolph-bauer.de). Auch bei dem Internetversandhandel Amazon (www.amazon.de) sind Bücher des Beschuldigten bestellbar, wie „Zur Unzeit gegeigt“, „Maskierter Totalitarismus“, „The Estrangers“. Auf Youtube (www.youtube.de) sind Beiträge und Interviews des Beschuldigten zu finden. Auch hat der Beschuldigte auf Instagram – Stand heute – 1577 Beiträge gepostet, überwiegend Bildmontagen. Bei einem Beschuldigten, der derart präsent in den sozialen Medien und im Internet ist, ist es nach Ansicht der Kammer nicht erforderlich, eine Wohnungsdurchsuchung durchzuführen, um herauszufinden, über welche Medien der Beschuldigte seine Inhalte verbreitet und welche Einstellungen und Motivationen ihn leiten.

Darüber hinaus ist nach der gebotenen vorläufigen Würdigung zweifelhaft, ob durch die von dem Beschuldigten bei Instagram geposteten Bildmontagen der Anfangsverdacht der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB bzw. der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB überhaupt besteht.

Sämtlichen Bildmontagen sind Meinungsäußerungen des Beschuldigten zu entnehmen, die grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallen. Ergänzend wäre auch zu prüfen gewesen, ob die Bildmontagen dem Schutzbereich der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG unterfallen; den Schwerpunkt sieht die Kammer vorliegend aber in der Ausübung des Rechtes auf Meinungsfreiheit. Aus Sicht der Kammer stellt der Beschuldigte durch die Bildmontagen eine Verbindung gegenwärtiger politischer Akteure zum Nationalsozialismus her und vergleicht die Corona-Politik mit den Zwangsmaßnahmen gegen die Juden und deren Massenvernichtung in der Vergangenheit. Hiermit setzt er aktuelle deutsche und europäische Politiker und den Präsidenten der Ukraine in den Kontext totalitärer Regime. Ob der Beschuldigte Systemkritik äußert, oder ob er die von ihm dargestellten Entwicklungen befürwortet, lässt sich einer isolierten Betrachtung der einzelnen Bildmontagen nicht entnehmen. Voraussetzung für die Beurteilung der Strafbarkeit einer Äußerung ist aber, dass der Sinn der Äußerung zutreffend erfasst wird. Dabei ist von dem Verständnis eines unvoreingenommenen verständigen Publikums auszugehen. Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass dem Ermittlungsrichter auch der weitere Kontext vorgelegt wird, in dem die Bildmontagen gepostet worden sind, wie beispielsweise weitere von dem Beschuldigten im unmittelbaren Zusammenhang gepostete Bilder/Bildmontagen oder etwaige dazu verfasste Texte. Eine Einsicht in das Instagram-Profil des Beschuldigten ergab, dass die vier hier verfahrensgegenständlichen Bildmontagen aus einem Konvolut von ca. 1.500 Bildern/Bildmontagen stammen. Mindestens dieser Kontext wäre zwingend zu beleuchten gewesen.

Der Schutz der Meinungsfreiheit besteht unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Beschluss vom 25.03.2008 – 1 BvR 1753/03, juris Rn. 30). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, Art. 5 Abs. 2 GG. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG erlauben nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung, sondern ermächtigen erst dann zum Eingriff, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutsverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen. Dies ist der Fall, wenn sie den öffentlichen Frieden in dem Verständnis als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren (BVerfG, Beschluss vom 22.06.2018 – 1 BvR 2083/15, NJW 2018, 2861). Die allgemeinen Gesetze setzen zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen, müssen aber ihrerseits aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung des Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (BVerfG, aaO, NJW 2018, 2861, 2862). Es ist daher stets im Einzelfall anhand einer Gesamtschau zu prüfen, ob der öffentliche Frieden durch die Meinungsäußerung derart gefährdet wird, dass es gerechtfertigt ist, in einem demokratischen Staat die Meinungsäußerung durch Strafe zu sanktionieren und damit die Meinungsäußerung zu verbieten.

Eingriffsgrundlage bei der Bildmontage, die die KZ-Insassen unter dem Schriftzug „COVID-19 IMPFSTOFF MACHT FREI“ zeigt, wäre § 130 Abs. 3 StGB. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art und Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Das Amtsgericht Bremen hat hierzu ausgeführt, der Beschuldigte verharmlose den Holocaust, indem er ihn mit den demokratisch legitimierten und medizinisch indizierten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gleichsetze. Der Massenmord an den Juden werde dadurch verharmlost.

Die Kammer hält den Vergleich von Ungeimpften mit den KZ-Insassen für unangemessen und geschmacklos. Das allein führt allerdings noch nicht zur Strafbarkeit der Aussage. Nicht auseinandergesetzt hat sich das Amtsgericht Bremen mit der Frage, ob die Verharmlosung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. § 130 Abs. 3 StGB soll Schutz vor Äußerungen bieten, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutsgefährdende Handlungen angelegt sind. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Auswirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder

Dritte unmittelbar einschüchtern. Wenn die Meinungsäußerung über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt ist, etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutsgefährdende Folgen unmittelbar auslösen kann, ist eine Verurteilung wegen Volksverhetzung denkbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.06.2018 – 1 BvR 2083/15, NJW 2018, 2861, 2862). Ob dies der Fall ist, wäre anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände festzustellen, bei der insbesondere die Art, der Inhalt, die Form und das Umfeld der Äußerung zu berücksichtigen sind, aber auch die Stimmungslage der Bevölkerung und die politische Situation (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.03.2021 – Ss 72 /20 (2/21), BeckRS 2021, 4322, Rn. 17). Auch zu prüfen wäre, ob in der Verharmlosung des Holocaust auch die Würde und das Ansehen der Überlebenden des Holocaust und der Ermordeten und ihrer Angehörigen angegriffen wird (vgl. BayOLG, Beschluss vom 20.03.2023 – 206 StRR 1/23, BeckRS 2023, 4591; OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.03.2021 – Ss 72/20 (2/21), BeckRS 2021, 4322, Rn. 29). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte sich noch in jüngerer Vergangenheit ausdrücklich antitotalitär geäußert hat und zwar sowohl durch Wortbeiträge als auch durch Collagen (siehe z.B. den Beitrag „16 Haikus gegen Retro-Faschismus“ auf www.youtube.de). Ferner wäre in die Gesamtbetrachtung einzustellen gewesen, dass der Beschuldigte zwar die Maßnahmen der Regierung in Bezug auf die Covid-Pandemie massiv kritisierte, hierbei aber auf vielfältige Sachargumente zurückgriff und sich damit auch inhaltlich mit den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie auseinandersetzte, wie sich z.B. aus dem Beitrag „Autoritäre Entwicklung in Corona-Deutschland – Oder: Die Scheuklappen des Antifaschismus“ auf www.nachdenkseiten.de ergibt.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass im Falle von mehrdeutigen Äußerungen grundsätzlich zu prüfen ist, ob eine der nicht auszuschließenden Bedeutungsvarianten straffrei wäre (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2011 – 4 StR 129/11, juris Rn. 24). Hier wäre zu prüfen, ob der Beschuldigte den Holocaust verharmlost hat oder die Betroffenheit von Personen, die nicht gegen Covid-19 geimpft sind, übertrieben haben könnte (vgl. BayOLG, Beschluss vom 20.03.2023 – 206 StRR 1/23, BeckRS 2023, 4591, Rn. 23). Wenn der Beschuldigte zum Ausdruck bringen wollte, was durchaus naheliegend erscheint, dass Ungeimpfte zu Unrecht in ihrer Freiheit eingeschränkt werden bzw. wurden und dies durch den Vergleich zu den Insassen des Konzentrationslagers überzeichnet hat darstellen wollen, um auf seine Botschaft aufmerksam zu machen, stellte dies eine zulässige Meinungsäußerung dar (vgl. insoweit auch LG Bremen, Beschluss vom 13.05.2022 – 1 Qs 136/22 (225 Js 18846/22), unveröffentlicht).

Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist. Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, Bürger auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen (BVerfG, Beschl. v. 14.06.2019, 1 BvR 2433/17, Rn. 21).

Eine Betrachtung der Gesamtumstände spricht aus Sicht der Kammer nach vorläufiger Würdigung Bezüglich der Bildmontage mit dem Schriftzug „COVID-19 IMPFSTOFF MACHT FREI“ eher gegen das Vorliegen eines Anfangsverdachts einer strafbaren Handlung.

Bei den drei weiteren Bildmontagen wäre Eingriffsgrundlage der § 86a StGB. Sowohl bei dem gezeigten Hakenkreuz als auch bei dem Kopf Hitlers handelt es sich um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a StGB. Schutzzweck des Tatbestandes ist die Abwehr der Wiederbelebung der verbotenen Organisationen oder der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Die Vorschrift dient auch der Wahrung des politischen Friedens dadurch, dass jeder Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland vermieden werden soll, in ihr gebe es eine rechtsstaatswidrige Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angedeuteten Richtung geduldet würden. Auch ein solcher Eindruck und die sich daran knüpfenden Reaktionen können den politischen Frieden empfindlich stören. § 86a StGB will darüber hinaus verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen – ungeachtet der damit verbundenen Absichten – sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können (BGH, Urteil vom 15.03.2007 – 3 StR 486/06, NJW 2007, 1602, Rn. 5). Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst. Ist dagegen der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar, so ist der Schutzzweck des § 86a StGB verletzt (BGH, aaO, NJW 2007, 1602, 1603, Rn. 12). Wenn das Kennzeichen offenkundig gerade zum Zwecke einer Kritik der verbotenen Organisation eingesetzt wird oder der Kontext der Verwendung ergibt, dass eine Wirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt des Kennzeichens entsprechenden Richtung ausscheidet, läuft die Verwendung dem Schutzzweck von § 86a StGB nicht zuwider (BVerfG, Beschluss vom 23.03.2006 – 1 BvR 204/03, NJW 2006, 3052, Rn.23).

Unter Berücksichtigung der im Internet verbreiteten Motivation des Beschuldigten geht die Kammer davon aus, dass dieser das Hakenkreuz und die Person Hitlers als Mittel der Kritik am Verhalten des Bundeskanzler Scholz sowie des Präsidenten der Ukraine Selenskyj und der Politiker von der Leyen, Hofreiter und Strack-Zimmermann eingesetzt hat. Fraglich bleibt aber, ob das aus der Darstellung heraus so verständlich ist. Daher ist es erforderlich, die jeweilige Bildmontage im jeweiligen Kontext ihrer Veröffentlichung darzustellen, damit der Betrachter den Aussagegehalt und die Haltung desjenigen, der die Bildmontage veröffentlicht, erkennen kann. Wenn sich auch dann nicht ergeben sollte, ob der Beschuldigte den Nationalsozialismus befürwortet oder ein Gegner des Nationalsozialismus ist, wäre das Vorliegen eines Anfangsverdacht gemäß § 86a StGB nach vorläufiger Würdigung nicht auszuschließen. Ob dies der Fall ist, kann vorliegend dahinstehen, wobei bereits darauf hingewiesen wurde, dass der Kontext der Äußerung noch nicht ausreichend beleuchtet wurde. In jedem Fall bliebe die Durchsuchung rechtswidrig, weil sie nicht erforderlich gewesen ist.”

 

Soweit der Beschluss des Bremer Landgerichts. Und hier noch einige Kommentierungen dazu:

Festzustellen ist erstens: dieser Beschluss des Landgerichts Bremen stellt noch keine Entscheidung in der Sache selber dar. Ob Rudolph Bauer mit seinen Bildmontagen Volksverhetzung betrieben habe und/oder auf unzulässige Weise verbotene NS-Kennzeichen zu benutzen wagte – beides für mich absurde Vorwürfe! -, das wird gegebenenfalls erst bei einer öffentlichen Verhandlung vor dem Bremer Amtsgericht entschieden werden. Bemerkenswert allerdings schon jetzt: für seinen Beschluss hat das Bremer Landgericht nicht einmal den Grundgesetz-Artikel 5, Absatz 3, herangezogen, jenen Abschnitt in diesem Grundgesetz also, der die Kunstfreiheit garantiert. Es hat lediglich Bezug genommen auf die beiden ersten Absätze des Artikels 5, auf jene Abschnitte mithin, die – mit gewissen Einschränkungen – Äußerungsfreiheit generell gewährleistet sowie speziell Freiheit von Forschung und Lehre. Nach meiner höchstpersönlichen Einschätzung bedeutet dies, dass bei einer Verhandlung Rudolph Bauer noch mehr Freiheitsgarantien zur Verfügung stehen, als das Gericht für diesen Beschluss heranziehen musste. Nach meiner Einschätzung bedeutet das aber auch, dass schon jetzt, mit diesem Beschluss, der Strafbefehl hinfällig geworden sein dürfte, den das Stuttgarter Amtsgericht Rudolph Bauer am 15. Juli dieses Jahres zugeschickt hatte. Insofern hoffe ich, sehr bald auch zu diesem Sachverhalt Positives mitteilen zu können.

Nicht ohne Bedenken habe ich allerdings die Formulierung des Bremer Landgerichts zur Kenntnis genommen, dass es den Vergleich von Ungeimpften mit KZ-Insassen als „unangemessen und geschmacklos“ bezeichnet hat. Aber im Detail:

Es ist abwegig, anzunehmen, dass Rudolph Bauer davon überzeugt wäre, dass es auf deutschem Boden bereits wieder KZs gäbe. Ebenso abwegig wäre es, zu vermuten, dass irgendein Betrachter dieser Bildmontage auf diese Idee käme. Die Botschaft der betreffenden Bildmontage ist für jeden Verständigen nicht misszuverstehen: es geht um Sorge, um Warnung, um Angst, es geht um die Befürchtung, es könne wieder so kommen, dass bei uns KZs entstehen, es könne so sein, dass wir uns bereits erneut auf einem Weg dorthin befänden. Diese Befürchtungen kann man für falsch, für hirnrissig, für übertrieben halten – das ist auch einem Landgericht unbenommen –: sie künstlerisch ins Bild zu setzen, stellt aber keineswegs so etwas wie ein „unangemessenes und geschmackloses“ Vergleichen dar. Und apropos „Vergleichen“:

Wir dürfen dankbar sein, dass die Bremer RichterInnen nicht von „Gleichsetzen“ geschrieben haben. Aber auch der Begriff des „Vergleichens“ – was angeblich „unangemessen“ sei –, stellt, schon in logischer Hinsicht, bloßen Unfug dar. „Vergleichen“, das stellt gerade jenen Vorgang dar, wo Dinge, Menschen, Vorgänge aneinander „gemessen“ werden. Ein „unangemessenes Messen“ gibt es aber nicht! Und ebenso wenig ein „geschmackloses“ Vergleichen. Lediglich das Endergebnis eines Vergleichsprozesses kann womöglich von großer Geschmacklosigkeit zeugen. Konkret:

Selbstverständlich steht es mir frei – nur als Beispiel (und nichts daran wäre „unangemessen“ oder „geschmacklos“; nochmal: an diesem Prozess des Vergleichens selbst!) –, die musikalische Qualität des „Doppelgängers“ von Franz Schubert (nach einem Text von Heinrich Heine) zu vergleichen mit Wencke Myhres „Gummiboot“. Wahrhaftig: für sonderlich sinnvoll würde ich dieses Vergleichen nicht ausgeben wollen! Aber „geschmacklos“ wäre es erst – meines Erachtens jedenfalls –, wenn ich zu dem abenteuerlichen Resultat gelangte, es handele sich bei dem Liedchen des norwegischen Schlagersternchens von einst um die bessere Komposition. Also noch einmal: das Vergleichen selber kann niemals „geschmacklos“ sein, schlimmstenfalls das Fazit bei diesem Vergleich. Hier liegt also ein Ausrutscher des Bremer Richtergremiums vor, eine Wertung, die keiner logischen und/oder sachlichen Überprüfung standhält. Von großem Belang ist das allerdings nicht. Und vielleicht kann man diese Textpassage im Gerichtsbeschluss sogar eher positiv sehen – in Verknüpfung mit dem nachfolgenden Satz in diesem juristischen Text: Seht her, auch wir fanden dieses „Vergleichen“ des Herrn Rudolph Bauer nicht gerade toll, aber strafrechtlich relevant ist diese Tatsache keinesfalls. Wir hätten es also mit einer Doppelbotschaft zu tun, mit einer Doppelbotschaft im Sinne der Toleranz – genau so, wie es auch Artikel 5, Absatz 3, des Grundgesetzes meint: Kunstfreiheit erlaubt auch, Mist zu produzieren, nicht nur Qualität, und Äußerungsfreiheit erlaubt ganz ausdrücklich auch, Irrtümer und Geistloses mitzuteilen, nicht nur Wahrheiten oder hochqualifizierte Philosophien. Fakt jedenfalls ist: das Bremer Amtsgericht, jenes Gremium, das die Hausdurchsuchung angeordnet hat, ließ derlei Differenzierungsvermögen völlig vermissen. Was diesem nicht gefiel, wurde sofortest zu einem Straftatbestand – so mein subjektiver Eindruck zumindest!

Und damit zu einem dritten Punkt noch: Die Tatsache, dass die vierte Strafkammer des Bremer Landgerichts die Publikation „Demokratischer Widerstand“ – man hat den Eindruck: einfach mal so – als „verschwörungsideologisch“ zu bezeichnen, halte ich für ebenso verfehlt wie die These von der Unangemessenheit und Geschmacklosigkeit der Bildmontage von Rudolph Bauer. Zunächst handelt es sich bei dem abschätzigen Begriff „verschwörungsideologisch“ um eine Vokabel, die unmittelbar dem politischen  Meinungskampf entstammt und insofern schon in einem juristischen Text nichts, aber auch gar nichts zu suchen hat, im Beschluss eines Gerichtes schon gar nicht! Und zum zweiten kann mit gutem Recht bestritten werden, dass der „Demokratische Widerstand“ mit dieser Herabsetzung auch nur annähernd zutreffend beschrieben wäre. Man muss mit diesem Blatt überhaupt nicht einverstanden sein – man kann sogar, wie ich, unerfreuliche bzw. unfreundliche Erfahrungen mit diesem Blatt gemacht haben (Nichtbeantwortung von Anfragen zum Beispiel) –: aber solches zu kritisieren, das hat mit einer Etikettierung à la „verschwörungsideologisch“ gar nichts zu tun. Kurz also: diese Bemerkung im Bremer Beschluss war so überflüssig wie ein Kropf.

Heutiges Fazit mithin: Rudolph Bauer hat mit diesem Beschluss des Bremer Landgerichts einen ersten Erfolg feiern dürfen. Zunächst einmal hat der Rechtsstaat gesiegt, und das einer übergriffigen Judikative auf Amtsgerichts-Ebene zum Trotz. Das Bremer Landgericht hat in mancherlei Hinsicht auch Hoffnungen wach werden lassen, dass es bei einer öffentlichen Gerichtsverhandlung in dieser Sache nunmehr ähnlich sorgfältig und fair, juristisch präzise und rundum rechtsstaatliche zugehen könnte. Als Garantie für diesen Verlauf würde ich aber den vorliegenden Beschluss dennoch nicht werten wollen. Der alte Juristenspruch „auf hoher See und vor Gericht sind wir alle in Gottes Hand“ gilt also auch weiterhin, für mich jedenfalls.

Es wird abzuwarten sein, ob es überhaupt zu solchen Verhandlungen kommt – in Bremen und in Stuttgart. Und es wird abzuwarten sein, ob dann wirklich – ich sage es mit deutlicher Parteinahme für Rudolph Bauer – im Geiste unserer Verfassung entschieden wird. Vieles spricht dafür. Sicher bin ich dessen aber nicht.

 

 

 

 

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