Leben im Vielklang

 In Kultur

Das Lied „Happy XMas (War is over)“ von John Lennon und Yoko Ono steht für Hoffnung in einer von Dissonanzen geprägten Welt — richtig verstanden, können uns diese aber auch weiterbringen. „War is over if you want it“ — ist dieser Satz aus dem berühmten politischen Weihnachtslied von John Lennon und Yoko Ono nicht allzu blauäugig? Das Autorenpaar glaubte an die Kraft der kleinen Schritte. Und es besaß Vorstellungskraft. Über Jahrzehnte stellte „Happy XMas (War is over)“ eine Inspiriation für Menschen dar, die sich nach Frieden sehnten. Damit „Frieden auf Erden“ keine Phrase bleibt, die alle Jahre wieder kurz aktiviert und dann wieder vergessen wird, müssen wir Johns und Yokos Vision weitertragen. Die Sängerin und Komponistin Alexa Rodrian erzählt in diesem Beitrag für #Friedensnoten, was dieses Lied für sie bedeutet. Und sie präsentiert mit ihrem Mann, Jens Fischer Rodrian, sogar gleich eine eigene Coverversion (siehe weiter unten auf dieser Seite)

 

„Eine Gesellschaft sollte verbunden bleiben über gemeinsame Werte und Rechte wie das Recht auf freie Rede, das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf freie Glaubens- und Religionsausübung. Wenn aber eine andere Kraft, wie zum Beispiel Angst, so eskaliert, dass jegliche Form des Individualismus, der Eigenverantwortung, Intimität und der Privatsphäre als eine Bedrohung für das allgemeine Gesellschaftswohl angesehen wird, ist sie vom Kollaps bedroht.“

So habe ich mich von einem Gedanken aus Mattias Desmets Buch „The Psychology of Totalitarianism“, der mir sehr schlüssig erscheint, inspirieren lassen und ihn gleichzeitig frei übersetzt.

Was ist eine Gemeinschaft, die aufgrund von Angst, berechtigt oder nicht, in eine Konformität beziehungsweise in eine scheinbar perfekte Konsonanz getrieben wird oder sich aufgrund des Mehrheitstrends freiwillig dort hinbegibt? Es scheint logisch und unausweichlich, dass die Dissonanz im oben genannten Fall nicht gern gesehen ist und in diesem Sinne bekämpft wird.

Nun ist es aber so, dass es ohne Dissonanz kein Leben und schon gleich gar keine Entwicklung geben kann. Die freie Rede, der freie Glauben, das Recht auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung müssen und werden immer Dissonanz kreieren, das liegt in der Natur der Dinge, wir sind eben alle unterschiedlich.

Durch die Erkenntnisse der Quantenphysik und der Chaostheorie wissen wir ohnehin mittlerweile, dass wir ohne „Dissonanz“ gar nicht existieren könnten – denn nichts schwingt, klingt oder bewegt sich immer gleich. Weiter gedacht heißt das für mich, wenn wir Konformität und Konsonanz anstreben und/oder sogar erzwingen wollen, bewegen wir uns auf sehr dünnem Eis, denn der Einklang schließt, so betrachtet, zwangsläufig anders Klingendes aus.

So wurde zum Beispiel in der klassischen Musik des Westens für lange Zeit der Begriff Harmonie derart hochstilisiert, dass anders oder eben dissonant klingende Musik schwer in die zeitgenössischen Hörgewohnheiten integrierbar war. Stilrichtungen wie Jazz und andere hochentwickelte Weltmusiken wurden und werden partiell heute noch als zweitrangig abgetan.

Auch der aus der Sozialpsychologie stammende und fast schon inflationär verwendete Begriff der kognitiven Dissonanz löst in mir manchmal Unbehagen aus. Einfach und provokant gefragt: Wieso soll es denn eigentlich so schwer sein, widersprüchliche Gefühle, Wünsche, Meinungen, Ziele und Vorstellungen in sich und mit sich zu vereinen?

Wäre es nicht erstrebenswert, die Menschen im Sinne der Systemtheorie früh zu lehren, mit den natürlich vorhandenen Dissonanzen konstruktiv umzugehen, sie anzunehmen, sich mit ihnen zu bewegen und zu verändern?

Das Gegenüber in seinem Vielklang wahrnehmen, Reibung zulassen, gemeinsam und unterschiedlich schwingen, sich im Chaos verlieren und wiederfinden – so, denke ich, haben Yoko Ono und John Lennon miteinander gelebt! Sie haben Dissonanz zelebriert und gezielt eingesetzt, um auf ihre Ziele als Menschenrechtsaktivisten und Friedenskämpfer aufmerksam zu machen. Immer wieder haben sie sich dabei angreifbar gemacht, den Diskurs provoziert und zugelassen.

1971 haben sie gemeinsam den Song „Happy Xmas (War Is Over)“ geschrieben.
Der Satz „War is over! If you want it!“ ist seither das Mantra vieler sich für den Frieden einsetzender Menschen auf dieser Welt geworden. Wenn wir der Chaostheorie und dem Schmetterlingseffekt Glauben schenken, dann bleibt zu hoffen, dass, wenn wir ihn immer wieder singen, die Kriege irgendwann ein Ende haben werden.

In diesem Sinne: Happy Christmas and a peaceful New Year!

Kommentare
  • Freiherr
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    Lassen wir mal beiseite dass gerade Lennon die treibende Kraft für profitable Eigenvermarktung war – in the beginnin years jedenfalls –

    und lassen wir ihm diesen Genius der ihm auch zurecht anhaftet, diese Strahlkraft, dieses Charisma welches glaubhaft war im Sinne einer besseren Welt !

    Unter “kognitiver Dissonanz” verstehe ich vor allem diese Eigenliebe zur verzerrten Persönlichkeitsstruktur, derart selbstheiligend auch dass man auch den religiösen Gottglauben als Kult der Eigenliebe mißbraucht, Empathie als Eigennutz begreift und man in diesem Zerrbild sich selbst sogar als ” guten Menschen ” sieht.

    Aber freilich und logisch zugleich braucht es Dissharmonien, Gegensätzlichkeiten beherrschen dieses gesamte Universum, es gibt keinen Pluspol ohne den Minuspol, keine Materie ohne die Antimaterie u.s.w…

    und auf die Musik bezogen: nur scheinbar ist z. B. der Freejazz kakophonisch, es braucht ein extra-Musikverständnis um auch dort die Harmonie zu begreifen.

    Meine Musik, der blues, auch als ” Weihnachtslied ” hier vom alten kaputten blueser-Junkie Johnny Winter :

    johnny winter – please come home for christmas – YouTube

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

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