Mehr und mehr Menschen in Griechenland flüchten in die Welt der Drogen und Psychopharmaka

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

267. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Was Klassenkampf in Griechenland realiter bedeutet, das habe ich Euch in den letzten Berichten sehr ausführlich darzulegen versucht – Klassenkampf von oben natürlich, wie deutlichst erläutert. Heute hingegen möchte ich mit Euch einen Blick werfen auf die psychischen Folgen der Menschenverelendungspolitik in Griechenland. Auch dazu liegen inzwischen erschreckende Meldungen vor! – Ganz anders – und durchaus ermutigend! – hingegen der Schluss meines Berichtes: in der letzten Woche stieg unser Spendenergebnis gegenüber der Vorwoche ganz erheblich wieder an. Holdger Platta

 

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

ich erwähnte es ja in meinem letzten Bericht über Griechenland schon: hin und wieder, hier oder da, zeigen sich durchaus kleine Signale des Widerstands gegen die offizielle Politik der griechischen Regierung. Vor einer Woche konntet Ihr deshalb an dieser Stelle lesen, dass an der Aristoteles-Universität (APTH) in Thessaloniki mehrere Studentenfraktionen die eigene Hochschule besetzt hatten, vor mittlerweile gut vier Wochen war das, um sich das sogenannte „Universitätsasyl“ zurückzuholen, das es seit der Obristenzeit, seit 1974, in Griechenland gab: als Schutz der Studierenden vor Übergriffen des Staates. Außerdem war Angriffsziel dieser Besetzungsaktion, Staats-Chef Kyriakos Mitsotakis abzubringen von seinen Plänen, weitere 1.000 Polizisten in Griechenland einzustellen.

Nun, inzwischen hat mich Tassos Chatzatoglou über das Ergebnis dieses Protestes informiert.

Also:

Übergesprungen ist dieser Widerstand auf andere Universitäten in Griechenland nicht. Anders als zum Beispiel im Frühsommer 1968 bei uns in Deutschland, als an nahezu allen bundesdeutschen Hochschulen Vorlesungsstreiks stattgefunden hatten gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze im deutschen Bundestag Ende Mai des Jahres 1968. Nebenbei: verabschiedet dort in trauter Gemeinschaft von CDU/CSU und SPD (unter der Führung des Vizekanzlers und Außenministers und Sozialdemokraten Willy Brandt). Lediglich die FDP, damals noch eindeutig rechtsstaatlich aufgestellt, stimmte im Bundestag gegen dieses Gesetzeswerk, das bis zum heutigen Tag zahlreiche Grundgesetze durchlöchert hat – und ganz nebenbei auch den politischen Generalstreik verbot, der seinerzeit, in den Anfangsjahren der Weimarer Republik, im Frühjahr 1920, den Untergang dieses ersten Demokratieversuchs auf deutschem Boden zu verhindern vermochte (Stichwort „Kapp-Lüttwitz-Putsch“).

Nun, die insgesamt 12 Studentenvereine in Thessaloniki haben bereits am 17. April, wenige Tage nach Beginn dieser politischen Protestaktion, ihre Besetzung der Universität wieder abgebrochen und sprechen seither – das verstehe, wer will – gleichwohl von einem Erfolg ihres Aufstandsversuchs. Auch Tassos Chatzatoglou zieht deswegen ein resigniertes Fazit, was dieses Ereignis betrifft, und nicht weniger resigniert klingt seine abschließende Einschätzung der Situation in Griechenland:

„Manche Vereine haben die Besetzer unterstützt. Ein Protest aber, getragen von der Mehrheit der Studenten, fand nicht statt.  Eine Resignation macht sich bemerkbar in der griechischen Bevölkerung.  Fänden in Griechenland heute Wahlen statt, würde Nea Dimokratia die Regierung stellen. Das ist die Realität im Moment. Die Mitsotakis-Regierung hat meiner Meinung nach keine Legitimation. Sie wurde mit knapp 23% der griechischen Wähler gewählt. Die ungültigen Stimmen habe ich nicht einmal abgezogen.

Das ist die Realität. Die Linke ist in Griechenland chancenlos. Sie ist unheilbar zerstritten. Eine Änderung der politischen Verhältnisse sehe ich in den nächsten fünf Jahren nicht.“

Mir scheint, zu dieser Diagnose der Zustände in Griechenland passt auch eine andere Meldung sehr gut, die Ende April in der „Griechenland Zeitung“ (GZ) zu lesen war, am 28. April dieses Jahres, ein Kurzbericht, der ein erschreckendes Licht auf die psychische oder psychosoziale Situation in diesem drangsalierten Land wirft.

Demzufolge hat der Konsum von Psychodrogen und Psychopharmaka in Griechenland dramatisch zugenommen, so das Ergebnis entsprechender Untersuchungen der Stavros-Niarchos-Stiftung, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Vaduz, mit einem Büro allerdings auch in Athen. Der Kokainkonsum soll 2020 einen Zehn-Jahres-Rekord erreicht haben, der Verbrauch von Antidepressiva soll sich gegenüber dem März 2019 verdoppelt haben – beim Kokain war eine Verfünffachung festgestellt worden -, und auch die Einnahme von Beruhigungsmitteln sei steil angestiegen, so der Professor für Analytische Chemie an der Universität in Athen, Nikos Thomaidis. Letzterer hatte, am 21. April, ebenfalls an einer Online-Diskussion der Stavros-Niarchos-Stiftung teilgenommen. Zweites Fazit mithin, nach dem erschreckenden Fazit von Tassos Chatzatoglou:

In Reaktion auf die soziale, ökonomische und finanzielle Krise – übrigens auch in Reaktion auf die Anti-Corona-Maßnahmen – putscht sich ein wachsender Bevölkerungsanteil in Griechenland mehr und mehr auf, sucht sein Heil und Glück in Drogen und Medikamenten, während ein anderer Teil der griechischen Bevölkerung sich mehr und mehr auf chemische Weise ruhigstellt.

Zu vermuten ist allerdings – beim Kokain ohnehin, aber womöglich auch bei den rezeptpflichtigen Psychopharmaka –, dass sich auf diesen Fluchtweg in künstliches Glück oder künstliche Gelassenheit eher die Angehörigen der Mittelschichten begeben, die das noch aus eigener Tasche bezahlen können. Und auszuschließen ist auch nicht, dass sich in den Reihen jener, die gleichwohl bei Parlamentswahlen wieder Kyriakos Mitsotakis ihre Stimme geben würden, nicht wenige Bürgerinnen und Bürger befinden könnten, die man – ich bitte um Nachsicht! – als gedopte Wählerinnen und Wähler bezeichnen müsste. Wo reale Wiederherstellung menschlicher Verhältnisse ausbleibt, müssen künstliche Paradiese her. Wo das eigene Leben nicht mehr aus eigener Kraft bewältigt werden kann, füllt sich die Hausapotheke mit Drogen und Psychopharmaka.

Eine letzte – eher kleine – Nachricht, ganz aus der Realität entnommen, mag dafür als Beispiel dienen:

Manche Menschen in Griechenland, so Gerd Höhler in einem Bericht der GZ vom 12. Mai dieses Jahres, atmen inzwischen wieder auf: alle jene Gastronomen, die nach sechs Monaten Zwangspause wegen der Anti-Corona-Maßnahmen, seit Anfang Mai wieder ihre Tavernen und Restaurants öffnen dürfen. „Dennoch“, so Gerd Köhler in seinem Bericht, „schätzen Branchenexperten, dass von den rund 80.000 griechischen Gastronomiebetrieben etwa 10.000 die Pandemie wirtschaftlich nicht überstehen werden“. – 10.000 Gastwirte von vormals 80.000, das entspricht einem Prozentsatz von knapp 13 Prozent. Fast könnte man sagen, wenn man abergläubisch wäre: einer Unglückszahl. Entscheidender aber ist:

Damit stürzen überwiegend ganze Familien ins Unglück ab, nicht nur 10.000 Einzelpersonen, und mit ihnen auch zahlreiche Menschen, die in diesen 10.000 Betrieben beschäftigt waren (und sei es auch nur saisonal). Was wird mit all diesen Menschen, deren Anzahl leicht über 50.000 liegen könnte, geschehen? Welche realen Auswege aus der Existenzkrise gibt es für sie? Wird auch bei ihnen der Staat wieder den unsäglichen Zynismus aufbringen und die betreffenden Menschen abspeisen wollen – gerademal ein Jahr lang – mit 200,- Euro Arbeitslosengeld pro Monat, und danach kommt gar nichts mehr? Und wird nicht auch in dieser Bevölkerungsgruppe so mancher zu Pillen und Drogen greifen, weil ein Leben, das nicht auszuhalten ist, nur so noch ausgehalten werden kann? Doch statt zu helfen, schaffen Mitsotakis & Co. in Milliardenhöhe lieber neue Rüstungsgüter an!

Das Unglück in Griechenland hat viele Gesichter. Aber: es gibt kein Unglück in Griechenland, das nicht verursachtes Unglück wäre, von Menschen, von Politikern verursachtes Unglück! – Wir jedenfalls übersehen das nicht, wir verschweigen das nicht, wir werden darüber sprechen und schreiben, solange darüber gesprochen und geschrieben werden muss! Und: wir werden helfen, solange uns das möglich und solange das erforderlich ist!

Womit ich, erneut mit großer Dankbarkeit, auch bei unserer Hilfsaktion bin, bei unserem neuesten Spendenergebnis.

Jawohl, es liegt wieder mal eine gute Woche hinter uns, Dank Eurer Unterstützung, was die Gesamtsumme der Hilfsgelder während der letzten sieben Tage betrifft: 690,- Euro gingen bei uns vom 12. bis 18. Mai an Spenden bei uns ein, überwiesen von 4 UnterstützerInnen an uns. Das übertrifft das Vorwochenergebnis mit seinen 180,- Euro aufs deutlichste, obwohl es da ebenfalls 4 SpenderInnen gegeben hatte. Ich danke Euch allen sehr – wieder, natürlich, im Namen des gesamten Teams. Und darf Euch ohne Einschränkung sagen, dass dieses für uns alle ein sehr ermutigendes Zeichen ist! Hoffentlich haben wir also Anlass für sich erneuernde Zuversicht! Bereits in der nächsten Woche hoffe ich, Euch über neue Hilfsaktionen berichten zu können.

In diesem Sinne ein weiteres Mal:

 

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Inhaber: IHW

 

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

 

Mit herzlichen Grüßen

Euer Holdger Platta

 

 

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