Mit Rosen einen Leichnam verstecken…
121. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ / Holdger Platta
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
die gute Nachricht vorweg: Katherina K., die von uns seit langem unterstützte Patientin aus Piräus, die eine erste Organtransplantation bereits hinter sich hat (= Teileleber), befindet sich seit dem Sonntag letzter Woche in London und wartet auf den zweiten – hoffentlich erfolgreichen und endgültigen – Eingriff, auf die Nierentransplantation. Noch wissen wir nicht, ob diese Operation bereits stattgefunden hat und mit welchem Erfolg, aber ich werde Euch voraussichtlich im nächsten Bericht über den Stand der Dinge dort informieren können. Karlheinz Apel, mit seiner Frau Uschi einer unserer ‚Außenteamer‘ in unserer Hilfsgruppe, wird mich unverzüglich darüber informieren, wenn es etwas Neues zu berichten gibt. Zur Erinnerung: während der vergangenen Monate haben wir kontinuierlich Katherinas Dialysefahrten nach Athen finanzieren können.
Die zweite Nachricht, nunja, ist etwas weniger gut: während der letzten sieben Tage gingen nur 170,- Euro auf unserem Hilfskonto ein, überwiesen von 4 UnterstützerInnen an uns (erneut „alte Bekannte“ darunter!). In der Vorwoche hatten uns 6 Spenderinnen und Spender mit 435,- Euro an neuen Hilfsgeldern bedacht. Selbstverständlich danke ich aber auch in dieser Woche allen Helferinnen und Helfern sehr, und ich vermute, auch dieses Mal tue ich das im Namen des gesamten Organisationsteams!
Womit ich bei weiteren Nachrichten bin, die Griechenland insgesamt betreffen, bei Nachrichten, die es nicht mal mehr in die Hauptnachrichtensendungen unserer elektronischen Medien schaffen, geschweige denn, in die regionalen Printmedien bei uns. Beispiel eins:
Ein weiteres Mal beschloß das griechische Parlament – am gestrigen Donnerstag, den 14. Juni, war es wohl – eine Rentenkürzung für die eh schon verelendeten älteren Menschen in Griechenland. Ab 1. Januar des folgenden Jahres sollen erneut die Renten gekürzt werden, dieses Mal um 18 Prozent, und das bedeutet noch mehr Verelendung in diesem verelendeten Land. Ich rufe kurz in Erinnerung, was uns Tassos Chatzatoglou dazu im Bericht aus der vergangenen Woche mitgeteilt hat:
Bereits jetzt beziehen 1,1 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Griechenland lediglich eine Pension unter 500,- Euro pro Monat, die werden dann, ab Beginn des nächsten Jahres, mit gerademal noch 410,- Euro pro Monat auskommen müssen. Nimmt man die anderen Zahlenangaben von Tassos hinzu – 1 Millionen Menschen arbeiten in Griechenland, ohne Geld dafür zu bekommen, und 1,2 Millionen Arbeitslose in Griechenland müssen ohne jegliche Unterstützung klarkommen mit ihrer katastrophalen Situation -, dann dürften jetzt schon – und zukünftig um so verschärfter! – nahezu 4 Millionen Griechinnen und Griechen ein Leben fristen, das mit der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun hat. Nahezu 4 Millionen Verelendete in einem Land, das gerademal knapp 11 Millionen Menschen insgesamt umfaßt: das entspricht einem Prozentsatz von weit über einem Drittel der griechischen Bevölkerung, weit über 36,- Prozent, denen diese SYRIZA-Regierung ein Leben zumutet, das menschenwürdig nicht mehr zu leben ist, und denen diese SYRIZA-Regierung einfach mal so eine weitere Verschlechterung ihrer Überlebensverhältnisse zuzumuten gedenkt. Man fühlt sich bei der Kurzgeschichte der SYRIZA, beginnend im Januar 2015, erinnert an die lange, lange Abstiegsgeschichte der SPD bei uns, spätestens einsetzend mit der Wahl Gerhard Schröders im Jahre 1998. Humaner und sozialpolitischer Niedergang der Sozialdemokraten bei uns, sozialpolitischer und humaner Absturz der SYRIZA in Athen: die Bilder beginnen sich erschreckend zu gleichen, und irgendein Ausweg scheint nicht in Sicht zu sein – jedenfalls: noch nicht!
So ganz verstehe ich in dieser Hinsicht auch die „Griechenland-Zeitung“ (GZ) nicht mehr, ansonsten ein lesenswertes Blatt, die das alles ihren Leserinnen und Lesern als neues „Reformpaket“ verkauft – zugegeben als „Reformpaket mit Kanten“, so in ihrer neuesten Ausgabe vom 13. Juni des Jahres -, aber gleichwohl als „Reformpaket“! Dabei taucht in dem betreffenden GZ-Artikel die Rentenkürzung nichtmal an vorderster Stelle auf, sondern nur unter „ferner liefen“ und ohne Nennung der überlebensgefährdenden Abstiegsziffern, ohne das weitere Kürzungsvorhaben in der Höhe von 18 Prozent! Die Rede ist stattdessen – ungut natürlich auch diese Nachricht! – von einer „neuen Multigesetzesnovelle“, derzufolge die Anzahl der im Öffentlichen Dienst Beschäftigten von rund 44.000 Beamten zurückgehen solle auf knapp über 42.000 Bedienstete. Sorry, aber welche Nebensache ist das, im Vergleich zu dem, was bei den Renten passieren soll! Und welch regierungsfromme Parteinahme für die unerbittlich gegen die Verelendeten durchexerzierte Politik stellt es dar, das alles mit dem Lügenwort „Reformpaket“ zu belegen. Sorry, aber da versagt nicht einfach nur Regierungspolitik, da versagt auch der Journalismus, der kritisch darüber zu berichten hätte, zumindest aber neutral, ohne Übernahme des PR-Gefasels, das sich längst auch die SYRIZA als „eigene“ Sprache zugelegt hat.
Von ähnlicher Dürftigkeit, was die kritisch-analytische Qualität dieser Art von Journalismus betrifft, ist demzufolge auch ein weiterer Artikel in der neuen GZ: Thema dort die Tatsache, daß es immer „unwahrscheinlicher“ würde, daß sich der Internationale Währungsfond, der IWF, noch am verbliebenen „Griechenland-Hilfsprogramm“ beteiligen würde. Ja, Ihr habt richtig gelesen: „Griechenland-Hilfsprogramm“ heißt es dort statt zutreffend „Sozialstaatszerstörungspolitik“! Und nichtmal die Tatsache, daß lediglich 59 Milliarden Euro von ursprünglich zugesagten 86 Milliarden Euro bis zum 20. August dieses Jahres an Griechenland geflossen sein werden, stößt noch auf irgendeine Kritik. Oder wird kritisch-analytisch in Verbindung gesetzt damit, daß gleichwohl eben dieses um schlappe 27 Milliarden geprellte Griechenland alle Forderungen, die ihm von den Euro-Staaten zwecks Empfang dieser teuren (!) Kreditzahlungen aufgezwungen worden sind, bis Ende August dieses Jahres zu erfüllen hätten. Von verbliebenen 88 Forderungen ist da die Rede, doch nirgendwo ist zu lesen, was darunter konkret zu verstehen ist, nirgendwo ist zu lesen, was den verelendeten Menschen in Griechenland zusätzlich noch an Lasten aufgebürdet werden soll mit diesem riesigen Forderungskatalog! Ich wiederhole es: da versagt auch Journalismus, nicht nur europäische und griechische Politik! Und es wird demzufolge unsere Aufgabe sein, dringlicher als jemals zuvor, wieder und wieder nicht nur die entsetzenerregenden Tatsachen zu kritisieren, die mit dieser Kaputtmacherpolitik gegenüber Griechenland verbunden sind, sondern auch das Beschönigungs-Sprech, das diese Tatsachen verhüllen soll. Fast ist es so, als ob man einen Leichnam derart dicht mit Rosen bedecken wollte, daß man am Ende einigermaßen „glaubhaft“ behaupten kann, man habe es doch gar nicht mit einem Toten zu tun, sondern mit einem herrlichen Blumen-Bukett.
Von genau dieser Art ist demzufolge auch die letzte Nachricht aus der GZ, die ich Euch heute nicht vorenthalten will: unter dem frohgemuten Titel „Ausländische Investitionen legen kräftig zu“ ist die Rede davon, daß die ausländischen Direktinvestitionen in Griechenland während des Jahres 2017 gegenüber dem Vorjahr um 31 Prozent gestiegen sei. Donnerwetter, so könnte man meinen, wenigstens das dürfte doch eine beeindruckende Erfolgsmeldung sein, nach dem Motto: selbst die ausländische Wirtschaft setzt erneutes Vertrauen in Griechenland! Und was steckt hinter dieser tollen Aufsteigerzahl? – „Investiert“ wurden diese Gelder in genau jene Unternehmen in Griechenland, die Griechenland gar nicht mehr gehören, in jene Unternehmen, die – wie die 14 griechischen Regionalflughäfen oder das Hafengelände von Thessaloniki – längst schon im Besitz der Fraport sind, einer deutschen Unternehmensgruppe, oder in chinesischer Hand. Dreimal darf man raten, was Griechenland von diesen „Auslandsinvestitionen“ hat, ganz zu schweigen von den verelendeten Menschen in diesem Land! – Gar nichts! Dabei benennt die GZ diesen objektiven Zusammenhang durchaus, teilt durchaus mit, daß dieser Anstieg von Auslandsinvestitionen zurückzuführen sei auf die vorangegangene Auslandsübernahmepolitik. Sie verschweigt lediglich – tja: „lediglich“! -, daß niemand von den Menschen in Griechenland was von diesen Investitionen hat! Ums auf den Punkt zu bringen: mithilfe der „Auslandsinvestitionen“ investiert das Ausland in Griechenland ins Ausland, in ausländisches Eigentum. Der Ort des Geschehens ist immer noch Griechenland – sehr wohl, sehr wohl! -, doch der Nutznießer des Geschehens sitzt in Frankfurt am Main oder in Shanghai! – Manchmal, ich gebe es zu, legt man eine Zeitung aus der Hand und würde sie am liebsten gleich ihrem Endzweck zuführen, ihrer Abschlußverwendung zum Beispiel auf dem heimischen Klo! – Ich bitte um Nachsicht!
Womit ich wieder einmal bei meinen obligaten Schlußbemerkungen bin:
Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, der überweise uns bitte Spendengelder auf das Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 200,- Euro erforderlich -, wende sich bitte an unseren neuen Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen ,oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.
Und wer noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e. V“, wäre eigentlich sehr dringend mal wieder auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „IHW“ versehen. Wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.
Mit herzlichen Grüßen wie stets
Euer Holdger Platta